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Hombrechtikon
11.04.2025

Ein besonderer Maientag!

Die kath. Kirche Hombrechtikon mit dem kleinen Glockenturm, um 1920. Bild: unbekannt
Josef Suter, ein ehemaliger Hombrechtiker, blickt auf ein Ereignis zurück, das sich am 8. Mai 1945, einem denkwürdigen Tag vor 80 Jahren, abspielte.

Was für ein Prachtstag bahnte sich an! Blühende Obstbäume auf den Feldern, eine angenehm wärmende Frühlingssonne am wolkenlosen Firmament und überall kleine Gruppen von Männern und Frauen, die freudig diskutierend zusammenstanden und sich sogar spontan umarmten. Wo man hinsah, traf man frohe Gesichter! Was war der Grund für diese ausgelassene Stimmung? Der Kalender zeigte den 8. Mai 1945 an – der Zweite Weltkrieg war seit diesem Morgen beendet. Nach sechs Jahren Leid, Hunger und Tod schwiegen die Waffen. Endlich Frieden!

Glockengeläute verkündet Ende des Zweiten Weltkriegs

Pfarrer Egli von der Kath. Kirchgemeinde Hombrechtikon strampelte so schnell er konnte mit seinem Velo zum Schulhaus Dörfli. Bei Lehrer Ulrich Flad, der die 6. Klasse unterrichtete, klopfte er an die Tür. Noch ausser Atem begrüsste der Geistliche den Klassenlehrer: «Grüss Gott, Herr Flad! Ich muss schnell Ihren Schüler Meinrad abholen. Er muss eine der zwei Glocken in unserer Kirche läuten, von neun Uhr an eine Viertelstunde lang. Der Bundesrat hat nämlich angeordnet, dass alle Kirchenglocken in der Schweiz das Ende des Zweiten Weltkriegs verkünden sollen. Es eilt, aber er wird bald zurück sein!»

Flad stemmte die Fäuste in seine Taille: «Lieber Herr Pfarrer, Meinrad wird die Klasse nicht verlassen. Er hat hier seine Schulpflicht zu erfüllen. So leid es mir tut, Sie müssen sich nach jemand anderem für das Glockenläuten umsehen – nicht bei mir, bitte!» Das Streitgespräch wurde allmählich lauter und glich einem italienischen Filmklassiker wie «Don Camillo und Peppone». Pfarrer Egli drohte dem Schulmeister gar, dass er ihn einklagen würde, falls er als Einziger wegen seiner Sturheit die Kirchenglocke nicht läuten könne. Dann werde er Ärger mit den Behörden bekommen – das könne er ihm garantieren! Diese Androhung wirkte: Meinrad liess sich, mit gespreizten Beinen auf dem unbequemen Velo-Gepäckträger sitzend, vom Seelsorger zum bescheidenen Kirchleinchauffieren. Gerade noch rechtzeitig kam er an, um um Punkt neun mit dem Geläute starten zu starten.

Beitrag zur schweizweiten Friedensverkündung

Der kräftigere Sakristan Josef Hinder zog dabei am Seil der grösseren Glocke, und der Pfarrherr hörte in der Kirchenbank sitzend zufrieden und ein bisschen stolz dem melodischen Geläute zu. Die akustische Reichweite der zwei kleinen Glocken – im Gegensatz zum feierlichen Geläute der stattlichen reformierten Kirche – reichte zwar kaum bis zur übernächsten Häuserreihe. Doch hatte man immerhin einen kleinen Beitrag zur schweizweiten Friedensverkündung beigetragen, dank dem kämpferischen Einsatz von Pfarrer Egli. Hochwürden und Schulmeister versöhnten sich später bei einem Bier, und Lehrer Flad unterliess es grosszügig, Meinrad die angedrohte unentschuldigte Absenz ins Schulzeugnis zu schreiben.

Josef Suter ist am 31. Mai 1934 in Hombrechtikon geboren und lebt heute in Riehen. Der erwähnte Schüler Meinrad war sein Bruder.

Josef Suter