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Kanton
30.05.2024

GZO-Präsiden: «Sicherstellung des Betriebes hat erste Priorität»

Verwaltungsratspräsident Jörg Kündig stellt sich einigen kritischen Fragen zur Situation des GZO. Bild: GZO/Kanton ZH
Der GZO-Verwaltungsratspräsident Jörg Kündig nimmt im Interview mit Zürioberland24 Stellung zu den Entwicklungen im Fall des GZO Spitals.

Die Aktionärsgemeinden haben in ihrer letzten Mitteilung kommuniziert, dass sich der Austausch mit dem Verwaltungsrat, den eingesetzten Sachwaltern und dem Ausschuss mittlerweile «institutionalisiert» hätte. Wie empfindest du die Zusammenarbeit mit dem Ausschuss?

Jörg Kündig: Ich empfinde die Gespräche zwischen den Aktionärsgemeinden und dem Verwaltungsrat sehr konstruktiv und lösungsorientiert. Der Austausch mit den Aktionärsgemeinden ist uns sehr wichtig.

Welche Kernthemen werden aktuell im Ausschuss behandelt?

Wichtig ist die gegenseitige transparente und offene Information. Dazu gehören die Massnahmen zur Sicherstellung des Spitalbetriebes und ein Austausch zu den Varianten einer Sanierung, bei welchen das Bauprojekt eine wichtige Rolle spielt. Die Sicherstellung des Betriebes hat erste Priorität.

Worum machen sich die Aktionärsgemeinden am meisten Sorgen?

Für die Gemeinden steht die medizinische Spitalversorgung im Zürcher Oberland im Vordergrund. Die Bevölkerung soll sich unverändert auf die Dienstleistungen eines Akutspitals in ihrer Nähe verlassen können.

In ihrer Mitteilung haben die Aktionärsgemeinden auch klargemacht, dass der Verwaltungsrat in der Pflicht stehe. Was sagst du dazu?

Der Verwaltungsrat wird von den Aktionären jedes Jahr an der Generalversammlung gewählt und ist das strategische Führungsorgan einer Gesellschaft.

Welche Erwartungen bzw. Hoffnungen setzt der GZO-Verwaltungsrat in den Ausschuss?

Im Rahmen eines konstruktiven Dialoges geht es darum, Lösungsvarianten zu evaluieren und die Aktionärsgemeinden dafür zu gewinnen. Im Ausschuss ist viel Know-how vertreten, was sehr hilfreich ist.

In den vergangenen Wochen hat das GZO diverse Meldungen mit Wechseln in der Geschäftsleitung kommuniziert, die Geschäftsleitung ist fast komplett austauscht worden. Warum?

Wir sind in einer Phase, in der es darum geht, sich für die aktuellen Herausforderungen richtig aufzustellen. Mit den erfolgten Wechseln haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen.

Personelle Wechsel sind immer auch mit Zeit- und Know-how-Verlust verbunden, gerade in Führungspositionen. Die Abgänge erfolgten teilweise per sofort. Eine geordnete Übergabe scheint nicht möglich gewesen zu sein. Wie stellt der Verwaltungsrat sicher, dass die Geschäftsleitung effizient und zielorientiert arbeiten kann?

Die neu berufenen Persönlichkeiten waren schon vorher in leitenden Positionen im Spital tätig. Gerade weil wir uns in einer kritischen Phase befinden, ist es wichtig, die Positionen rasch und gut zu besetzen. Dort, wo es sinnvoll und notwendig ist, werden wir entsprechende Unterstützung sicherstellen.

«Das Hauptaugenmerk liegt auf der Fortführung des Spitalbetriebes und der Sicherstellung der Erfüllung des Leistungsauftrags.»
Jörg Kündig, Verwaltungsratspräsident GZO

Welche besonderen Aufgaben kommen auf die neuen Geschäftsleitungsmitglieder in der aktuellen Situation zu? Was erwartet der Verwaltungsrat konkret von den Geschäftsleitungs-Mitgliedern?

Jede Patientin und jeder Patient muss jederzeit optimal versorgt werden können. Das Hauptaugenmerk liegt deshalb auf der Fortführung des Spitalbetriebes und der Sicherstellung der Erfüllung des Leistungsauftrags. Die Patientenversorgung muss sichergestellt werden, und gleichzeitig geht es darum, die Effizienz zu verbessern und die vorgesehenen Sparmassnahmen umzusetzen, so dass das Spital wieder auf einem gesunden Fundament steht.

Was sind für den Verwaltungsrat aktuell die obersten Prioritäten, woran arbeitet der Verwaltungsrat aktuell konkret und mit welchem Ziel?

Der Verwaltungsrat arbeitet mit Hochdruck daran, die mittel- und langfristige Zukunft des Spitals sicherzustellen. Das Spital verfügt über genügend flüssige Mittel, so dass der Betrieb sichergestellt ist. Mittelfristig gilt es unter anderem, Lösungen für die ausstehende Obligationenanleihe zu finden und die Frage des Neubaus zu klären. Auch mögliche Partnerschaften werden geprüft.

Wo siehst du deine Kernaufgabe als Verwaltungsratspräsident in dieser Krise?

Es geht darum, die richtigen organisatorischen Massnahmen zu treffen und im regelmässigen Austausch mit dem Spitaldirektor und dem Verwaltungsrat die Entwicklung genau zu verfolgen, um rechtzeitig reagieren zu können. Es ist wichtig, den laufenden Betrieb zu ermöglichen und gleichzeitig die Bemühungen um Refinanzierung und den Bau zu leiten und zu koordinieren. Dabei werden auch die Sachwalter mit einbezogen. Ebenfalls von grosser Bedeutung sind die Gespräche mit Aktionären, Partnerorganisationen und der Gesundheitsdirektion.

«Die Angriffe auf meine Person schmerzen besonders.»
Jörg Kündig

Aus der Politik wird Kritik laut, der Verwaltungsrat habe versagt. Auch wurde Kritik an dir in der Funktion als VR-Präsident geübt und es gab gar Rücktrittsforderungen. Was sagst du dazu?

Es gibt immer Entscheidungen, die im Nachhinein anders hätten gefällt werden können. Mir persönlich ging in den letzten Wochen Sören Kirkegaards Ausspruch «Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden» oft durch den Kopf. Was hätten wir anders machen können mit dem Wissen von damals?

Der Entscheid für die Beschaffung der finanziellen Mittel erfolgte im Jahr 2014, der Bauentscheid 2017. Seitdem hat sich die Situation massiv verändert und die Entwicklung im Gesundheitswesen wurde immer schwieriger. Die Fusion mit dem Spital Uster scheiterte 2020 kurz vor der Urnenabstimmung. Der Verwaltungsrat hat sich auch frühzeitig und permanent mit der Finanzierungsfragestellung und den im Betrieb nötigen Massnahmen auseinandergesetzt.

Die Entwicklung im gesamten Gesundheitswesen – gestiegene Kosten und unverändert gedeckelte Preise für das medizinische Angebot – zeigen zudem, dass wir nicht allein sind.

Ich persönlich habe mich zusammen mit dem Verwaltungsrat in den vergangenen Jahren mit viel Engagement für das GZO AG eingesetzt und werde weiterhin an Lösungen mitarbeiten. Die Angriffe auf meine Person blenden das aus und schmerzen deshalb besonders.

Niemand wird gerne persönlich kritisiert. Wie gehst du persönlich mit dieser Herausforderung um? Findest du noch Schlaf?

Natürlich ist das keine einfache Situation, und ich bin ein selbstkritischer Mensch. Gerade angesichts des grossen Engagements für das GZO tut das weh. Das Thema Spital beschäftigt mich sehr und verkürzt meine Nächte sehr.

Du hast viele Mandate, welche hohen persönlichen Einsatz und lange Präsenzzeiten mit sich bringen. Was begegnest du jenen, die meinen, dass du dich dadurch nicht mehr richtig um die einzelnen Bereiche kümmern kannst, evtl. gar überfordert bist?

Wichtig sind funktionierende und verlässliche organisatorische Strukturen. Diese sind unabdingbar. Dazu gehören aber auch die Kraft und Energie und ein Umfeld, welche das möglich machen. Diese Grundlagen sind da und machen dieses Engagement möglich.

Du bist gleichzeitig Gemeindepräsident von Gossau, einer der Aktionärsgemeinden. Gibt es da nicht bestimmte Interessenskonflikte?

Falls es Interessenskonflikte mit meinen übrigen Aufgaben gibt, trete ich in den Ausstand. Die Ausstandpflicht halten wir strikt ein. Meine Tätigkeit als Gemeindepräsident ist eine tolle Aufgabe und macht mir unverändert grosse Freude. Sie beinhaltet auch viel mehr als die Wahrung der Aktionärsrechte an der GZO AG.

Wann wurde klar, dass es mit der Finanzierung eng werden könnte?

Wir haben schon 2022 mit der Erarbeitung von Lösungsansätzen begonnen. Einerseits wurde mit den Aktionärsgemeinden die Basis für eine Erweiterung des Aktionariats geschaffen. Anderseits begannen wir, mit möglichen Investoren zu sprechen. Rechtzeitig wurde 2023 in Absprache mit Finanzierungspartnern und der Gesundheitsdirektion die Grundlage für eine Kapitalerhöhung geschaffen, zur Aufnahme eines Investors, dessen Zusage vorlag. Die Verschlechterung der Situation im Gesundheitssektor führte im Dezember 2023 zum Rückzug der Finanzierungspartner mit der klaren Aussage: Ohne Staatsgarantie stehen wir nicht zur Verfügung.

Wann wurde das Gesuch beim Kanton eingereicht?

Unser Bestreben war es immer, ohne Unterstützung des Kantons eine Lösung zu finden. Nachdem ein runder Tisch am 31. Januar 2024 mit allen Finanzierungspartnern zum Schluss kam, dass ohne Staatsgarantie keine Finanzierungspartner zur Verfügung stehen, blieb uns nichts anderes übrig, als ein Gesuch beim Kanton einzureichen.

Dabei ist festzuhalten, dass es um eine Staatsgarantie ging, wie sie in anderen Kantonen bereits Tatsache ist und wie sie der Kanton Zürich beispielsweise im Rahmen der AXPO-Finanzierung gewährt hat.

«Das GZO jetzt als nicht versorgungsrelevant zu bezeichnen, ist inkonsequent und falsch.»
Jörg Kündig

Der Kanton lehnte das Gesuch ab. Was ist dein Hauptkritikpunkt an die Adresse der Gesundheitsdirektion?

Das Spital Wetzikon ist versorgungsrelevant für das Zürcher Oberland. Die Erteilung des Leistungsauftrages als Akutspital ab 1. Januar 2023 und dessen Erweiterung mit Stroke (spezialisierte Station zur Akutbehandlung von Schlaganfall-Patientinnen und – Patienten) – hier liegt neu auch ein Auftrag der Kantone St. Gallen und den beiden Appenzell vor – und der im Rahmen des Leistungsauftrages der Gesundheitsdirektion an die Zürcher Reha-Kliniken, dass sie sich näher an das Spital Wetzikon anbinden, machen dies noch klarer. Gerade bei Schlaganfällen ist die rasche Erreichbarkeit der Notfallstationen entscheidend und auch der Neubau war damals ein gewichtiges Argument. Das GZO jetzt als nicht versorgungsrelevant zu bezeichnen ist deshalb inkonsequent und falsch.

Der Kanton vertritt die Meinung, dass das GZO nicht systemrelevant sei. Was sagst du dazu?

Es gilt zu unterscheiden zwischen systemrelevant und versorgungsrelevant. Die Nähe zur medizinischen Notfallversorgung ist für die Bevölkerung entscheidend. Gerade die Notfallstationen im Spital bekommen ein immer stärkeres Gewicht.

Kritisiert wird, dass der Bau überteuert oder gar unnötig sei. Was sagst du dazu?

Der Erweiterungsbau kompensiert grosse Teile der in die Jahre gekommenen Spitalbauten. Das Hochhaus stammt aus den Siebzigerjahren, weitere Gebäude sind noch älter. Neubau und Modernisierung sind eine Notwendigkeit, um der Bevölkerung aus dem Zürcher Oberland und angrenzenden Kantonen eine qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung anbieten zu können. Mit diesen Überlegungen ging man an die Planung. Rückblickend würden wir das wieder so tun.

Das Spital Uster hat kein Interesse an einer Fusion. Gibt es andere mögliche Partner, mit denen der Verwaltungsrat im Gespräch ist?

Die Fusion mit dem Spital Uster wurde 2020 kurz vor der terminierten Urnenabstimmung in den Aktionärsgemeinden abgebrochen, was ich persönlich bedaure. Zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung haben wir intensiv darauf hingearbeitet. Ein gemeinsamer Weg ist weiterhin sinnvoll und möglich. Wichtig ist die Bereitschaft zur Zusammenarbeit.

In Zukunft werden grössere regionale Spitalverbünde ein Thema sein. Andere Kantone zeigen das bereits. Bei deren Entwicklung wollen wir unseren Beitrag leisten.

«Derzeit steht eine alternative Nutzung des Neubaus nicht zur Diskussion.»
Jörg Kündig

In den Medien wird bereits über mögliche alternative Nutzungen gesprochen. Welche Alternativen wären aus Sicht des Verwaltungsrats interessant oder denkbar?

Derzeit steht eine alternative Nutzung des Neubaus nicht zur Diskussion.

Bezüglich Nachlassstundung: Was sind aktuell die relevanten Arbeiten bzw. Schritte?

Wichtigstes Ziel ist, dass der Spitalbetrieb auch während der Nachlassstundung aufrecht bleibt. Dafür sind wir in erster Linie auf unser treues Personal sowie Patientinnen und Patienten, Hausärzte und Belegärzte angewiesen. Wenn uns das gelingt, bin ich zuversichtlich, dass uns das gemeinsam, mit vereinten Kräften, gelingt. Unter diesen Voraussetzungen haben wir bis zu 32 Monate Zeit, die Lösungen umzusetzen, die wir zurzeit unter Einbezug von Fachexperten aus Finanz- und Wirtschaftswesen erarbeiten.

Wie beurteilt der Verwaltungsrat die Arbeit der Sachwalter?

Die Sachwalter begleiten uns in der aktuellen Phase und wir profitieren enorm von ihrer Erfahrung. Das Miteinander ist sehr konstruktiv.

Du bist Betriebsökonom, warst für verschieden Banken tätig und betreibst eine eigene Treuhandfirma. Wie konnte es mit deinem Know-how und deiner Expertise passieren, dass die Finanzierung des Baus derart aus dem Ruder läuft?

Die Finanzierungs- und Bauentscheidungen wurden in Geschäftsleitung und Verwaltungsrat sorgfältig evaluiert und zu einem Zeitpunkt gefällt, als sie zielführend erschienen. Sie entsprachen den damaligen Entwicklungsprognosen. Auch die Begleitung des Bauprojektes erfolgte mit Unterstützung durch Spezialisten. Die Baufinanzierung basierte auf einem Totalunternehmervertrag mit einem definierten Kostendach.

Das GZO hat Rekurs gegen den Entscheid des Kantons eingelegt. Wie ist diesbezüglich der aktuelle Stand?

Derzeit liegt die Beschwerde gegen den Regierungsentscheid beim Verwaltungsgericht.

Ist es überhaupt noch möglich, dass der Kanton einlenkt, bevor die Nachlassstundung ausläuft?

Wir sind in einer frühen Phase der provisorischen Nachlassstundung. Wir arbeiten intensiv daran und sind zuversichtlich, dass sie verlängert wird und wir dadurch Zeit für die Lösungsfindung gewinnen. Der Austausch mit der Gesundheitsdirektion erfolgt laufend und wir haben gute Argumente für eine Neubeurteilung.

Was ist deine zentrale Botschaft an die Zürioberländer Bevölkerung?

«Engagiert für Mensch und Medizin» ist mehr als ein Slogan. Das GZO Spital Wetzikon, seine Ärztinnen und Ärzte und seine Mitarbeitenden stellen die medizinische Versorgung für die Zürcher Oberländerinnen und Zürcher Oberländer und auch für den Grossraum Rapperswil sicher. Es gibt keinen Grund, Eingriffe und Behandlungen abzusagen, es gibt keinen Grund, im Notfall nicht zu uns zu kommen.

Ich danke für die grossartige Unterstützung. Das GZO ist UNSER Spital. Darum freut uns die Aktion von Frau Stalder und die grosse Anzahl der gesammelten Unterschriften sehr.

Zum Schluss danke ich persönlich. Es gab und gibt viele aufmunternde und motivierende Rückmeldungen. Ich spüre täglich, dass den Menschen im Zürcher Oberland unser Spital ein Anliegen ist.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Barbara Tudor