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Kanton
07.05.2024

Trachten, so weit das Auge reicht

Bald werden unzählige Trachtenleute durch Zürich spazieren, wie schon am letzten Eidgenössischen Trachtenfest 2010 in Schwyz. Bild: zvg
Jodeln auf dem Lindenhof und Volkstanz im Hauptbahnhof: Wer an Schweizer Brauchtum und Trachten denkt, dem fällt nicht sofort Zürich ein. Trotzdem findet das Eidgenössische Trachtenfest hier statt – schon zum dritten Mal.

Pascal Turin

Von Arbeitstrachten über Werktagstrachten bis zu Sonntags- zu Festtagstrachten – eigentlich wäre für jeden Anlass was dabei. Wer aber im urbanen Raum lebt und an Trachten denkt, dem fällt wohl als Allererstes die Werbung für Appenzeller Käse ein. Trachten kennt man hier höchstens noch vom Schwingfest aus dem Fernsehen oder aus der Ausstellung im Landesmuseum Zürich.

Doch Trachtenfeste haben in Zürich Tradition. So fand das erste Schweizer Trachtenfest 1896 in der Tonhalle statt. Und jetzt gastiert schon bald zum dritten Mal – nach 1939 und 1974 – das Eidgenössische Trachtenfest (ETF) in der Limmat­stadt. «In der Bedeutung der Stadt Zürich für das schweizerische Trachtenwesen kann man sich täuschen», sagt Johannes Schmid-Kunz.  «Das Gegenteil ist der Fall – Zürich ist die Trachtenstadt in der Schweiz», erklärt er weiter. Schmid-Kunz ist Geschäftsführer des Vereins ETF 2024, der den Anlass für die Schweizerische Trachtenvereinigung organisiert.

1898 wurde zum Beispiel das Landesmuseum mit einem grossen Trachten- und Kostümumzug vom Bellevue über den Limmatquai bis zum Platzspitz eingeweiht. «Viele Trachten blieben dann in Zürich und begründeten die stattliche Trachtensammlung des Landesmuseums», erzählt der Geschäftsführer. Diese seien von Julie Heierli kuratiert worden, einer Hutmacherin aus Zürich, die 1922 bis 1932 das fünfbändige Standardwerk der schweizerischen Trachtengeschichte geschrieben habe: «Die Volkstrachten der Schweiz».

Schon 1974 fand in Zürich ein Trachtenfest statt. Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Comet Photo AG (Zürich)

QR-Code scannen und rätseln

Um die Geschichte der Schweizer Trachten zu erklären, hat das Organisations­komitee (OK) des Trachtenfestes einen sogenannten Trachtentrail durch die Innenstadt eingerichtet. In zehn verschiedenen Vitrinen oder Schaufenstern sind Trachten aus- und dargestellt. Wer den QR-Code vor Ort scannt, lernt mehr über die Trachten und kann Rätsel lösen. Auf www.trachtentrail.ch gibt es weitere Informationen dazu.

Von 28. bis 30. Juni stehen dann in der Limmatstadt  Brauchtum, Trachten, Tanz und Musik im Mittelpunkt. Es werden neben Trachtenleuten auch Tänzer, Jodelformationen, Volksmusikgruppen, Alphornspielerinnen und Fahnenschwinger erwartet. Festorte sind unter anderem die Halle des Hauptbahnhofs, der Lindenhof, der Münsterhof, die Stadthausanlage beim Bürkliplatz und der Sechseläutenplatz.

Ein Besuch des Festes lohnt schon ­alleine deshalb, weil Eidgenössische Trachtenfeste seltene Ereignisse sind. Sie finden in der Regel – wenn nicht eine Pandemie dazwischenfunkt – alle zehn bis zwölf Jahre statt. «Für die Initiative, die Planung und die Durchführung braucht es einen so durchgeknallten Typ wie mich, und die sind wirklich selten», sagt Schmid-Kunz.

Die erste Sitzung für das Trachtenfest 2024 hat schon im August 2015 stattgefunden. Schmid-Kunz war bereits am Trachtenfest 1974 mit einer Kindertanzgruppe als Aktiver dabei, beim Trachtenfest 1998 in Bern half er am Rande bei der Organisation und 2010 in Schwyz sass er im OK. Das Fest in diesem Jahr hat Schmid-Kunz initiiert: «Ich weiss nicht, wo und wann das nächste Eidgenössische Trachtenfest sein wird. Ich weiss nur, dass ich sicher nichts mit dem OK zu tun haben werde.»

28. bis 30. Juni, Eidgenössisches Trachtenfest 2024: www.trachtenfestzuerich.ch

Gut zu wissen

Ausser den Chorkonzerten und der bereits ausgebuchten Volkstanzgala im Kongresshaus Zürich sind alle Teilveranstaltungen, auch die Abendprogramme auf den vier Hauptfestplätzen, gratis zu besuchen. Es wird allerdings von den Besucherinnen und Besuchern erwartet, dass sie sich einen Festpin kaufen (15 Franken) und sich so an den Kosten des Fests beteiligen.

Johannes Schmid-Kunz ist Geschäftsführer des Vereins ETF 2024 und organisiert das Eidgenössische Trachtenfest in Zürich. Bild: zvg

«Die Trachtenszene ist enorm föde­ra­listisch geprägt»

Johannes Schmid-Kunz, was ist aus Ihrer Sicht der Höhepunkt des Eidgenössischen Trachtenfestes?

Der Höhepunkt des Trachtenfestes für das allgemeine Publikum ist bestimmt der Festumzug am Sonntagnachmittag, 30. Juni, durch die Bahnhofstrasse, die Uraniastrasse, den Limmatquai und über die Quaibrücke. So viele verschiedene Schweizer Trachten gibt es sonst nirgends zu sehen. Für das Volkstanzfest, welches am Samstag tagsüber auf dem Sechseläutenplatz stattfindet, werden über 3000 Leute erwartet. Die viersprachige Chorgala am Samstagabend in der Kirche St. Peter ist sicher das Highlight für Chorliebhaber.

Was müssen sich alle unbedingt ansehen, die bisher wenig mit Trachten anfangen konnten?

Im Vorfeld des Festes empfehle ich den Besuch des Trachtentrails, bei dem man übrigens auch attraktive Preise gewinnen kann. Während des Festes empfehle ich einen Besuch der Trachtenausstellung auf dem Lindenhof. Trachten sind urtypisch für die Schweiz. Die Trachtenszene ist enorm föderalistisch geprägt, so gibt es beispielsweise keine Schweizer Tracht. Die Tracht ist ein Kleid, das sowohl von der Materialwahl wie auch von der Verarbeitung her hochklassig ist. Trachtenleute sind die einzige gesellschaftliche Gruppe, welche ausnahmslos massgeschneidert gekleidet ist.

Welche Tracht gefällt Ihnen persönlich am besten?

Bei über 700 verschiedenen Trachten in der Schweiz eine ziemlich schwierige Frage: Bei den Frauen ist es die Festtracht aus der Bündner Herrschaft, weil mich meine Frau in dieser geheiratet hat, und bei den Männern die alte Wehntaler Tracht … Ja, weil ich in dieser einst meine Frau heiratete.

Pascal Turin/Zürich24