Pascal Turin
Die Schaufelräder stehen noch eine Weile still: Die Dampfschiffe «Stadt Rapperswil» und «Stadt Zürich» pflügen im Winter nicht durch den See, sondern liegen gut vertäut in der Werft in Wollishofen. Erst mit dem Sommerfahrplan sind die zwei Oldtimer wieder im Einsatz.
Doch die Idylle trügt. Wie die «Zürichsee-Zeitung» zuerst berichtete, muss die Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft (ZSG) den Fahrplan diesen Sommer ausdünnen. «Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, und Gleiches gilt für kompetente Schiffsführerinnen und -führer», schrieb die Tageszeitung. Schon 2023 habe die ZSG mit einem Mangel an erfahrenem Personal gekämpft, und die Situation bleibe künftig angespannt.
Die durchaus einschneidende Konsequenz: Die grosse Seerundfahrt von Zürich nach Rapperswil und retour wird nur noch fünf- statt siebenmal täglich durchgeführt. Ausserdem entfallen bei der kleinen Seerundfahrt vom Bürkliplatz über Herrliberg und zurück die letzten beiden Zusatzfahrten im Juli und August.
Personal fehlt auch auf anderen Seen
Der ZSG fehlt es an routinierten Schiffsführerinnen und Schiffsführern für die mittleren und grösseren Schiffe. «Uns trifft der Fachkräftemangel», sagt Pascal Wieders, Leiter Nautik bei der ZSG. Mit ein Grund: Einige Schiffsführerinnen und Schiffsführer – in der Schweiz gibt es offiziell keine Kapitäne – sind in Pension gegangen, andere haben unter anderem wegen der unregelmässigen Arbeitszeiten in die Privatwirtschaft gewechselt. Und den frisch ausgebildeten Schiffsführern fehlt die nötig Erfahrung für grössere Schiffe.
Damit stehen die Zürcher nicht alleine da: An der Schifftagung der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV – kurz für Schweizerischer Eisenbahn- und Verkehrspersonal-Verband – im Januar war der Fachkräftemangel ebenfalls Thema. «Die Genfersee-Schifffahrtsgesellschaft (CGN) verlangt von Mitarbeitenden weiterhin mindestens zwei Jahre Matrosenerfahrung vor der Schiffsführerprüfung und neun Jahre Erfahrung vor der Dampfschiffprüfung, wobei es früher 15 Jahre waren», heisst es in der «SEV-Zeitung».
Auch auf dem Zürichsee dauert es, bis man von der Matrosin zur Schiffsführerin aufgestiegen ist – und zum Beispiel ein Limmatboot steuern darf. Wer einmal am Steuerstand eines Dampfschiffs stehen möchte, muss sich seine Sporen auf den kleineren Schiffen abverdienen. «Es ist schon ein grosser Unterschied, ob man ein Limmatboot steuert oder ein grosses Motorschiff wie die Helvetia», so Wieders. Es brauche viel Erfahrung und die baue man sich über die Jahre als Mitglied einer Schiffscrew auf. Wieders muss es wissen, ist er doch schon seit 33 Jahren bei der ZSG. Heute arbeitet er als Leiter Nautik und ist der Chef über das gesamte nautische Personal – die Kapitäne, die Maschinistinnen und die Kassierer – rund 80 Leute. Insgesamt hat die ZSG 130 Angestellte.
Nachwuchs für Job begeistern
Von 2016 bis Ende 2023 war der 52-Jährige Chefkapitän und kann dadurch mit allen Schiffstypen bei der ZSG fahren. Ursprünglich wurde er aber an der Schweizerischen Schifffahrtsschule in Basel zum Matrosen ausgebildet. Sein Traum: einmal als Maschinist auf einem grossen Tanker arbeiten. Auf dem Rhein kam er als Matrose zumindest bis Rotterdam, aus der grossen Hochsee-Karriere wurde allerdings nichts. «Ich blieb in der Schweiz stecken und begann 1991 als Matrose auf dem Zürichsee», erzählt Wieders. Bereut hat er seine Entscheidung nicht. «Für mich ist es wirklich ein Traumjob.»
Seine Aufgabe ist es nun, die Schiffsführerinnen und Schiffsführer der kleinen Schiffe, wie des Motorschiffs Bachtel mit 200 Plätzen, dazu zu motivieren, sich für die mittleren Schiffe mit zwei Decks und bis zu 300 Plätzen fortzubilden. «Gewisse haben Bedenken, dass sie dieser Aufgabe nicht gewachsen sind», sagt Wieders. Darum hat er Schnupperfahrten eingeführt: «Mit Schnupperfahrten ohne Passagiere konnten wir mittlerweile schon einige Mitarbeitende vom Gegenteil überzeugen.» Zu einer Fortbildung gezwungen werde aber niemand.
Wieders Begeisterung ist ansteckend. «Natürlich können wir keinen Lohn wie in der Informatikbranche anbieten», sagt der Leiter Nautik (siehe Kasten). Der Job sei abwechslungsreich, man habe sechs Wochen Ferien und arbeite in einem zusammengeschweissten Team. «Unser Ziel ist es, dass das Arbeiten Spass macht», sagt Wieders. Weil es die Schweizerische Schifffahrtsschule in Basel nicht mehr gibt, kann man hierzulande keine Matrosenlehre mehr absolvieren. Wer Nautische Fachfrau mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis werden will, muss an die Berufsfachschule Schiffer-Berufskolleg Rhein in Duisburg gehen. Die Schifffahrtsgesellschaften bieten interne Ausbildungen an, die vom Bundesamt für Verkehr anerkannt sind. «Es wäre sicher ideal, wenn es das Angebot einer Lehre für Binnenschifffahrt wieder geben würde», sagt der erfahrene Kapitän. Dann würde der Job für Junge wieder interessanter.
«Wer schon einmal sein Schiff durch einen Sturm auf dem Zürichsee gesteuert hat und dann sieht, wie die Sonne langsam hinter den Wolken hervorkommt, weiss, warum er bei der ZSG arbeitet», sagt Wieders. Man glaubt es ihm sofort.