Lorenz Steinmann, Pascal Turin
Es war eine veritable Bombe, welche die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) im vergangenen Dezember platzen liessen. Die Ankündigung sorgte für Erstaunen und Diskussionen unter Nutzerinnen und Nutzern des öffentlichen Verkehrs in Zürich, wie ein Blick in die Kommentare auf der Facebook-Seite unseres Onlineportals «Zürich24» beweist. «Ich als Kreis-4-Bewohner sehe nur Nachteile», schrieb ein Nutzer. «Was bringt es???», fragt ein anderer. Der Mensch sei halt ein Gewohnheitstier.
Doch von Anfang an: Die VBZ krempeln das Zürcher Tramnetz unter dem Namen «Tramnetz Süd» um. Das Ziel: Das Spitalquartier Lengg am östlichen Stadtrand von Zürich soll besser erschlossen werden. Dort befinden sich unter anderem die Universitätsklinik Balgrist, die Klinik Hirslanden oder die Psychiatrische Uni-Klinik Zürich. Ausserdem wird voraussichtlich gegen Ende Jahr der grosse Neubau des Kinderspitals Zürich eröffnet.
«Ein Ausbau des ÖV-Angebotes für das Wachstumsgebiet Lengg ist notwendig, weil sich immer mehr Menschen in diesem Gebiet bewegen. Mit dem ‹Tramnetz Süd› können wir die Kapazität zwischen Stadelhofen und Rehalp in den Stosszeiten verdoppeln», lässt sich der verantwortliche Stadtrat Michael Baumer (FDP) dazu in einer Mitteilung zitieren.
Geht es nach den VBZ, sollen sieben Tramlinien ab Fahrplanjahr 2026 (auf den Fahrplanwechsel im Dezember 2025) zum Teil völlig anders fahren. «Wir sind uns bewusst, dass mit dem ‹Tramnetz Süd› grosse Veränderungen auf unsere Fahrgäste zukommen. Wir werden sie darum frühzeitig mit umfassenden Kundeninformationen auf die Umstellung vorbereiten», so VBZ-Direktor Marco Lüthi, der früher Direktor der Sihltal-Zürich-Uetliberg-Bahn war.
Ganz fix sind die Pläne allerdings noch nicht: In einem nächsten Schritt prüft nun der Zürcher Verkehrsverbund das Vorhaben «Tramnetz Süd». Ab März werden die Pläne öffentlich aufgelegt. Dann können alle Interessierten die geplanten Angebotsänderungen studieren, applaudieren oder reklamieren.
Diese sieben Linien sind betroffen
2 Der 2er in den Tiefenbrunnen soll bald Geschichte sein: Die Linie verbindet ab 2026 nicht mehr den Kreis 8 mit Altstetten und Schlieren. Das Tram 2 wird ab Bellevue neu zum Klusplatz im Quartier Hirslanden fahren und übernimmt auf diesem Teil der Strecke die Route der heutigen Linie 8.
4 Der Kreis 8 verliert neben dem 2er seine direkte Verbindung in das ehemalige Industriequartier Zürich-West und den heute als Wohnquartier beliebten Kreis 5. Statt vom Bahnhof Altstetten via Toni-Areal und Bellevue zum Tiefenbrunnen zu verkehren, fährt die Linie 4 ab 2026 über Balgrist nach Rehalp weiter. Sie ersetzt somit die Route der heutigen Linie 11 nach Rehalp.
5 Die VBZ wollen die Linie 5 aufwerten und «attraktive Direktverbindungen» zwischen Bahnhof Enge bis zum Spitalcluster an der Haltestelle Balgrist und vom Bahnhof Stadelhofen bis zum Albisgütli ermöglichen. Bonus: Die Linie 5, die den Stadelhofen mit dem Balgrist und der Rehalp verbindet, ist neu an allen Haltestellen Flexity-tauglich. Will heissen: Die modernen, langen Flexity-Trams können viel mehr Passagiere transportieren. Der Wermutstropfen: Die Linie 5 fährt am Sonntag nicht mehr zum Zoo – sie fährt sonntags überhaupt nicht mehr – und in der Nebenverkehrszeit (frühmorgens und abends von Montag bis Samstag) nur von der Laubegg bis zum Bahnhof Stadelhofen.
8 Die Linie 8 ist hauptsächlich für all jene im Kreis 4 interessant, die ohne Umsteigen zum Bahnhof Stadelhofen möchten. Doch damit ist ab 2026 Schluss. Das Tram 8 soll zwar wie bis anhin über die Hardbrücke ins Brachland beim Hardturm fahren, wo vielleicht nie ein neues Fussballstadion gebaut wird. In die andere Richtung geht es aber nicht mehr über die Stockerstrasse zum Paradeplatz, sondern zum Bahnhof Enge. Von dort fährt der 8er dann zur Kirche Fluntern – und am Sonntag bis zum Zoo. Der 8er ersetzt somit ab Bahnhof Enge die Strecke der bisherigen Linie 5, die nicht mehr zum Zoo fährt. Nachteil: Vom Kreis 4 gibt es dann keine direkte Verbindung zum Paradeplatz beziehungsweise zur Bahnhofstrasse mehr.
11 Auch die Fahrgäste aus dem Norden von Zürich müssen sich umgewöhnen. Sie können nicht mehr direkt zur Uni-Klinik Balgrist oder zur Klinik Hirslanden fahren. Das Tram 11 fährt neu zum Bahnhof Tiefenbrunnen und ersetzt ab Bellevue die bisherigen Linien 2 und 4. Eine weitere Änderung steht ausserdem ab etwa 2028 an: Mit dem geplanten Tram Affoltern soll der 11er von der Haltestelle Brunnenhof (vorher Radiostudio) entlang der Wehntalerstrasse bis Holzerhurd verlängert werden und nicht mehr nach Auzelg fahren. Der Start der Bauarbeiten für das Tram Affoltern ist im Jahr 2026 vorgesehen.
15 Die von den VBZ oft verschmähte Linie 15 – die Linie war zum Beispiel während der Pandemie ganz aus dem Programm gestrichen worden – erhält eine wichtigere Rolle zugeteilt: Sie soll zukünftig vom Bucheggplatz via Bellevue zum Bahnhof Tiefenbrunnen fahren. Ab Bellevue ersetzt sie die bisherigen Linien 2 und 4. Sobald das Tram Affoltern in einigen Jahren rollt, übernimmt die Linie 15 (mit längeren Fahrzeugen) zudem die bisher von der Tramlinie 11 bediente Strecke nach Auzelg.
17 Auch die Linie 17 wird angepasst. Der 17er soll neu in der Hauptverkehrszeit – wenn alle ins Büro oder in die Schule müssen oder umgekehrt nach Hause wollen – vom Werdhölzli via Bahnhofquai und Paradeplatz über den Bahnhof Selnau und den Stauffacher zum Bahnhof Wiedikon fahren. Ausserhalb der Hauptverkehrszeit fährt das Tram 17 nur von Werdhölzli bis Bahnhofplatz. Die Linie ersetzt somit teilweise die Linie 8 zwischen Stauffacher und Paradeplatz.