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Kanton
01.08.2023

«Pandemiekatzen» werden zuviel

Katzen wurden in der Pandemiezeit angeschafft und möchten die Besitzer sie wieder loswerden, doch gibt es keinen Platz für diese Tiere. (Symbolbild) Bild: Net
Das Katzenelend in der Schweiz erlebt einen neuen Höhepunkt: Es gibt keine Plätze mehr für Katzenfamilien in Not. Wenn der Tierschutz nicht hilft, dann wird mit Tötung gedroht.

Baustellen, Kellerräume, Estriche, Gartenhäuser, Scheunen, Holzbeigen in Wäldern, Heustöcke, Industriedächer – kaum ein Ort, an dem die Tierschutzorganisation NetAP nicht schon Katzenmütter mit Babys hat einfangen müssen.

Im Notfall hatte es immer irgendwo Platz für Tiere in Not. Doch dieses Jahr hat NetAp über 100 Tierheime und Tierschutzorganisationen angefragt, ob sie Platz für wilde Katzenmütter mit Nachwuchs haben. Sie sagten alle ab, wie Esther, Geisser, Präsidentin der Tierschutzorganisation NetAP feststellt.

Einzige Organisation an der Front

NetAP ist die einzige Organisation in der Schweiz, die mittlerweile fast in allen Kantonen direkt an der Front im Einsatz ist und täglich aktiv gegen das Katzenelend vorgeht. Meldungen über Katzenmütter, die irgendwo Nachwuchs bekommen haben und verschwinden sollen, gehen bei NetAP praktisch täglich ein. Doch inzwischen können keine neuen Fälle mehr angenommen werden. «Wir wissen wirklich nicht mehr, wohin mit all den Tieren», so Geisser.

Neben den fehlenden Plätzen kommt dazu, dass verwilderte Katzenmütter nicht ganz einfach im Handling seien und aus diesem Grund nicht irgendjemandem anvertraut werden könnten. Die Räumlichkeiten müssen ausbruchsicher sein. Selbst katzenerfahrene Menschen würden solche Katzenmütter oft unterschätzen. Denn diese Katzenmütter trotzdem trauen den Menschen nicht und ergreifen bei der erstbesten Gelegenheit gerne die Flucht, wenn sie die Möglichkeit sehen.

«Die Behörden machen es sich sehr leicht», meint Geisser. «Regelmässig werden wir – auch von amtlicher Seite – gebeten, Katzenkolonien auf Höfen oder an anderen kritischen Orten zu kastrieren. Es gibt jedoch keine neue Regeln und auch keine staatlichen Gelder. Die Meldungen über vernachlässigte Katzen werden in den Kantonen zur Kenntnis genommen, doch unternommen wird kaum etwas. Die Tierschutzorganisation bemerkt kein Handeln von Behörden. Den Veterinärämtern sind die besorgniserregenden Zustände bekannt, trotzdem handeln sie nicht.

Ein Gesetz muss her, um das Elend der Katzen in der Schweiz zu lindern. (Symbolbild) Bild: NetAP

Nur erklärt – trotzdem keine Handlung

NetAP hätte in diesem Sommer bereits ein Dutzend Mal für Dritte ausrücken müssen, weil verwilderte Katzen aus Pflegestellen geflohen seien. In zwei Fällen sind die Tiere sogar aus dem zweiten Stock gesprungen. Sie wieder einzufangen kostet sehr viel Zeit und ist nicht immer von Erfolg gekrönt.

Deshalb ist NetAP darauf angewiesen, Katzenfamilien in erfahrene Hände geben zu können, wo man mit den speziellen Bedürfnissen der Tiere umgehen kann. Sind die Katzenkinder alt genug, kann die Mutter in der Regel kastriert zurück in ihr Revier, sofern das möglich ist, oder es wird ein Platz auf einem Landwirtschaftsbetrieb oder Reiterhof gesucht, falls es einen solchen noch gibt.

Die regelmässigen Aufrufe von NetAP, Plätze für solche Tiere zu schaffen, lösten bei den Bauernverbänden keinen wirklichen Rücklauf aus. Dass es keine Plätze mehr gibt, ist für die Einsatzkräfte von NetAP sehr belastend. Sowohl Landwirte als auch Privatleute erklären regelmässig deutlich, für eine definitive Lösung zu sorgen, würden die Tiere nicht umgehend abgeholt. Tierschützer hören stattdessen, dass die Tiere eben einfach an einer Bleivergiftung sterben, oder der Hofhund das mit den Katzenbabys regelt.

«Pandemiekatzen» nicht mehr erwünscht

Aber es sind nicht nur verwilderte Katzenfamilien, die Hilfe benötigen. In der NetAP-Zentrale häufen sich auch die Anrufe bezüglich Abgabetiere. «Jeden Tag will irgendjemand seine Katze oder auch ein anderes Tier loswerden», so Geisser. Die erklärten Gründe seien vielfältig, oft werde eine angebliche Allergie oder ein Umzug vorgeschoben.

Ein Grossteil dieser Tiere wurden während der Pandemie angeschafft und nun werden sie zur Belastung, so dass man sie wieder loswerden möchte. Auch für diese Tiere hat es kaum mehr Platz, deswegen geht Geisser davon aus, dass auch viele Tiere unkastriert ausgesetzt werden, um sie schnell loszuwerden. Das Aussetzen und/oder Quälen ist zwar eine Straftat, doch die Täter werden selten gefunden und die Strafen sind mild. Nach der Meinung der Juristin Geisser herrscht in der Schweiz bei Tierschutzdelikten eine Kuscheljustiz.

Nachdem das Parlament die deutliche Forderung nach einer Kastrationspflicht diskussionslos abgelehnt hat, ist von Bundesbern nichts mehr zu hören. In einer Stellungnahme vom September 2022 schrieb das Bundesamt für Landwirtschaft und Veterinärwesen BLV, dass Vorschriften zur Kastration von Katzen neben den Tierschutzanliegen auch die Anliegen der Katzenhalterinnen und Katzenhalter sowie der Vollzugsbehörden berücksichtigen müssen, und betonte, dass keine weiteren Auskünfte mehr erteilt würden. So geht das Leiden der Tiere weiter.

Ein Gesetz muss her

So kann es nicht weitergehen, davon ist Geisser überzeugt. Immer mehr Tierschützer würden das Handtuch werfen, weil die Belastung zu gross werde. «Die Gleichgültigkeit gegenüber dem Katzenelend in der Schweiz ist eine Schande für unser Land», betont auch Tierarzt Enrico Clavadetscher. In seiner Rolle als medizinischer Leiter von NetAP sieht er viel zu viel Leid.

Aufklärung fruchtet bei vielen Haltern nicht und so breitet sich das Elend ohne Kastrationspflicht weiter aus, und es gibt weiterhin immer mehr Katzen. Damit nicht die gleichen Zustände wie in Süd- und Osteuropa in die Schweiz kommen, ist ein Gesetz von Nöten.

Kontakt

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NetAP, Network for Animal Protection, Esther Geisser, Präsidentin und Gründerin / Goldküste24