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Region
30.07.2023

Neue Heimat für viele Lebewesen

Das linksseitige Ufer wird mit Holz befestigt und gesichert, am rechtsseitigen Ufer kann sich die Natur frei entfalten. Bild: Karin Steiner
Bisher floss die Glatt kanalisiert durch das Gebiet Altried am Stadtrand von Schwamendingen, jetzt hat sie ihren natürlichen Schwung zurückbekommen. Damit werden frühere «Natursünden» getilgt.

Karin Steiner

«Man hatte durchaus gute Absichten, als man die Glatt vor vielen Jahren kanalisierte», sagt Wolfgang Bollack, Mediensprecher der Baudirektion des Kantons Zürich. «Einerseits wollte man dadurch Kulturland gewinnen, andererseits die Bevölkerung vor Hochwasser schützen. Die Natur stand damals nicht im Fokus. Erst später realisierte man, dass diese Massnahmen zu einem dramatischen Biodiversitätsverlust geführt haben, denn die Lebensräume in und an natürlichen Gewässern zählen zu den artenreichsten in unseren Breitengraden.» Ein Umdenken fand nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf kantonaler Ebene statt, und es wurde gesetzlich verankert, dass man die Gewässer wieder in einen naturnaheren Zustand bringt. Es wurden prioritäre Strecken für die Aufwertung festgelegt. Der Abschnitt Alt­ried an der Glatt ist einer davon.

Neuer Verlauf des Flusses

Derzeit sind die Arbeiten im Fluss voll im Gang. Die Glatt fliesst nun nicht mehr schnurgerade dem linksufrigen Weg entlang, sondern hat einen kurvigen Verlauf bekommen. Im Bereich ARA Neugut wurden die Steine, die bisher die Uferwände befestigt haben, abgetragen. «In diesen befestigten Steinufern finden Fische kaum einen geeigneten Lebensraum», erklärt Benjamin Leimgruber, Projektleiter des kantonalen Amts für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel). «Deshalb hat man bisher sehr wenige Fische gefunden. Je nach Art und Grösse haben sie sehr unterschiedliche Ansprüche. Manche brauchen tiefe Bereiche, andere starke Strömungen oder eher langsam fliessendes Gewässer. Durch dieses Projekt entstehen wieder solche Lebensräume.»

Die Natur arbeitet selber

Weiter steht die Schaffung von Lebensraum für Zielarten wie zum Beispiel den Eisvogel im Zentrum des Projekts. «Der Eisvogel baut Bruthöhlen in die Ufer. Deshalb wurden rechtsufrig steile, natürliche Uferwände geschaffen. Diese Ufer wurden nicht befestigt, sodass sich der Fluss in diesem Bereich frei bewegen kann. Es sei wichtig, der Natur die Möglichkeit zu bieten, sich selber auszubreiten, so Wolfgang Bollack.

Linksufrig wurden die Stämme und Strünke der Bäume, die im Vorfeld gefällt worden waren, zur Befestigung in die Ufer eingebaut. «In diesem Bereich darf sich die Glatt nicht weiter ausbreiten. Später, wenn das eingebaute Holz langsam fault, werden die Pflanzen und Bäume, die hier wachsen, mit ihren Wurzeln die Ufer weiter stabilisieren», so Benjamin Leimgruber. «Die ins Wasser eingebauten Bäume und Äste bieten wiederum für die Fische geeignete Unterschlüpfe.»

Auch dem Hochwasserschutz wurde Rechnung getragen. «Es wurde eine Linie definiert, die nicht überschritten werden darf. Ansonsten werden gemeinsam mit den Gemeinden und verschiedenen Fachleuten stabilisierende Massnahmen besprochen und eingeleitet.» Ursprünglich war die ganze Region ein Feuchtgebiet. «Das können wir nicht wieder rückgängig machen, aber wir leiten aus dem Kanal Wasser in den Wald, um den Boden feucht zu halten. Das gibt einen leichten Auenwaldcharakter.»

Des Weiteren wird bei der Überführung Neue Winterthurerstrasse ein Teich gebaut, der Libellen eine Heimat bietet, und im Sand darum herum fühlen sich Wildbienen wohl. Für viele Lebe­wesen verbessern sich nun die Lebensbedingungen. Der Sagentobelbach und der Hirzenbach wurden im Mündungsbereich so umgestaltet, dass insbe­sondere Jung­fische und Kleinfischarten einen geeigneten Lebensraum finden.

Attraktives Naherholungsgebiet

Der rechtsufrige Spazierweg wird auf­gehoben, dafür wird der linksufrige ­verbreitert, damit Velofahrende und Zufussgehende gut aneinander vorbeikommen. Nahe dem Naturschutzgebiet Grindel soll auch für die Menschen ein attraktives Naherholungsgebiet entstehen mit einer Plattform und Sitzgelegenheiten nach dem «Fil bleu»-Prinzip.

  • Der alte Picknickplatz Wallisellen wurde bereits abgebaut. Bild: Karin Steiner
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  • Wolfgang Bollack (links) und Benjamin Leimgruber erläutern das Projekt anhand von Karten. Bild: Karin Steiner
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Mehr Picknickplätze

An mehreren Stellen wird der Zugang zur Glatt verbessert. So gibt es beim Picknickplatz Wallisellen zusätzlich eine Treppe mit Holzbrettern bis ans Wasser. Dieser Platz wird von der Stadt Wallisellen finanziert. Der ehemalige Tisch und die Bänke wurden bereits abgebaut. «Wann der neue Platz gebaut wird, steht noch nicht fest», so Benjamin Leimgruber. «Je nach Verlauf der Bauarbeiten werden wir diese Arbeiten kurzfristig einplanen.» Das Holz für den Tisch und die Bänke stammt aus dem Hardwald.

Die Brücke weiter flussabwärts wurde inzwischen erneuert, damit sie stabil genug ist für die Fahrzeuge für den Gewässerunterhalt. Rechtsufrig, im unteren Bereich des Gebiets, entsteht anstelle des heutigen Weges neu ein Trampelpfad durch den Wald.

Die Ufer werden nach Abschluss der Bauarbeiten mit standorttypischen Bäumen und Sträuchern bepflanzt. An offenen Stellen werden bunte Blumenwiesen angesät. Die Revitalisierungsmassnahmen betreffen in erster Linie die Stadt Zürich, aber auch die Stadt Wallisellen. Obwohl diese nur am Rande beteiligt ist, wurde sie in die Projektierungsmassnahmen mit einbezogen.

Der Fabrikkanal bleibt bestehen. «Er speist das Naturschutzgebiet Grindel und hält die Herzogenmühle in Gang», sagt Benjamin Leimgruber. Der Kanal wird weiter oben aus der Glatt ausgeleitet. Der Weg entlang dem Kanal wird nicht verändert. Er steht im Zuständigkeitsbereich der Stadt Wallisellen und wird von ihr unterhalten.

Bauarbeiten bis Herbst 2023

Das ganze Projekt kostet rund 4,5 Millionen Franken, wovon das Awel und die Stadt Zürich den grössten Teil tragen. Die Stadt Wallisellen finanziert den neuen Erholungsstandort beim Picknickplatz. Die naturfördernden Massnahmen werden zudem durch den «naturemade star»-Fonds des EWZ finanziell unterstützt. Bis Ende September müssen die Arbeiten im Wasser fertiggestellt sein, danach folgen die Umgebungs­arbeiten. Bis Ende Jahr sollte das Projekt umgesetzt sein.

Karin Steiner / Goldküste24