Karin Steiner
«Man hatte durchaus gute Absichten, als man die Glatt vor vielen Jahren kanalisierte», sagt Wolfgang Bollack, Mediensprecher der Baudirektion des Kantons Zürich. «Einerseits wollte man dadurch Kulturland gewinnen, andererseits die Bevölkerung vor Hochwasser schützen. Die Natur stand damals nicht im Fokus. Erst später realisierte man, dass diese Massnahmen zu einem dramatischen Biodiversitätsverlust geführt haben, denn die Lebensräume in und an natürlichen Gewässern zählen zu den artenreichsten in unseren Breitengraden.» Ein Umdenken fand nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf kantonaler Ebene statt, und es wurde gesetzlich verankert, dass man die Gewässer wieder in einen naturnaheren Zustand bringt. Es wurden prioritäre Strecken für die Aufwertung festgelegt. Der Abschnitt Altried an der Glatt ist einer davon.
Neuer Verlauf des Flusses
Derzeit sind die Arbeiten im Fluss voll im Gang. Die Glatt fliesst nun nicht mehr schnurgerade dem linksufrigen Weg entlang, sondern hat einen kurvigen Verlauf bekommen. Im Bereich ARA Neugut wurden die Steine, die bisher die Uferwände befestigt haben, abgetragen. «In diesen befestigten Steinufern finden Fische kaum einen geeigneten Lebensraum», erklärt Benjamin Leimgruber, Projektleiter des kantonalen Amts für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel). «Deshalb hat man bisher sehr wenige Fische gefunden. Je nach Art und Grösse haben sie sehr unterschiedliche Ansprüche. Manche brauchen tiefe Bereiche, andere starke Strömungen oder eher langsam fliessendes Gewässer. Durch dieses Projekt entstehen wieder solche Lebensräume.»
Die Natur arbeitet selber
Weiter steht die Schaffung von Lebensraum für Zielarten wie zum Beispiel den Eisvogel im Zentrum des Projekts. «Der Eisvogel baut Bruthöhlen in die Ufer. Deshalb wurden rechtsufrig steile, natürliche Uferwände geschaffen. Diese Ufer wurden nicht befestigt, sodass sich der Fluss in diesem Bereich frei bewegen kann. Es sei wichtig, der Natur die Möglichkeit zu bieten, sich selber auszubreiten, so Wolfgang Bollack.
Linksufrig wurden die Stämme und Strünke der Bäume, die im Vorfeld gefällt worden waren, zur Befestigung in die Ufer eingebaut. «In diesem Bereich darf sich die Glatt nicht weiter ausbreiten. Später, wenn das eingebaute Holz langsam fault, werden die Pflanzen und Bäume, die hier wachsen, mit ihren Wurzeln die Ufer weiter stabilisieren», so Benjamin Leimgruber. «Die ins Wasser eingebauten Bäume und Äste bieten wiederum für die Fische geeignete Unterschlüpfe.»
Auch dem Hochwasserschutz wurde Rechnung getragen. «Es wurde eine Linie definiert, die nicht überschritten werden darf. Ansonsten werden gemeinsam mit den Gemeinden und verschiedenen Fachleuten stabilisierende Massnahmen besprochen und eingeleitet.» Ursprünglich war die ganze Region ein Feuchtgebiet. «Das können wir nicht wieder rückgängig machen, aber wir leiten aus dem Kanal Wasser in den Wald, um den Boden feucht zu halten. Das gibt einen leichten Auenwaldcharakter.»
Des Weiteren wird bei der Überführung Neue Winterthurerstrasse ein Teich gebaut, der Libellen eine Heimat bietet, und im Sand darum herum fühlen sich Wildbienen wohl. Für viele Lebewesen verbessern sich nun die Lebensbedingungen. Der Sagentobelbach und der Hirzenbach wurden im Mündungsbereich so umgestaltet, dass insbesondere Jungfische und Kleinfischarten einen geeigneten Lebensraum finden.
Attraktives Naherholungsgebiet
Der rechtsufrige Spazierweg wird aufgehoben, dafür wird der linksufrige verbreitert, damit Velofahrende und Zufussgehende gut aneinander vorbeikommen. Nahe dem Naturschutzgebiet Grindel soll auch für die Menschen ein attraktives Naherholungsgebiet entstehen mit einer Plattform und Sitzgelegenheiten nach dem «Fil bleu»-Prinzip.