Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken Magazin Agenda
Küsnacht
27.06.2023
27.06.2023 09:18 Uhr

Stolpersteine erinnern an NS-Opfer

Es gibt inzwischen über 30 Stolpersteine in der Schweiz. (Symbolbild) Bild: pixabay
Stolpersteine vor Hauseingängen erinnern an ehemalige Bewohnende, die von Nazis ermordet wurden. In der Schweiz erinnern inzwischen 30 Stolpersteine an die Opfer der Nazizeit.

Bis heute wurden 90'000 sogenannte Stolpersteine in fast 30 Ländern verlegt. In der Schweiz sind sie Zürich, Basel, Bern und Winterthur zu finden.

Die Steine sind dort installiert, wo die Menschen ihre Wohn- oder Geburtsadresse hatten. Die mit Namen und Adresse bezeichneten Stolpersteine sind somit personifiziert, und es ist nicht irgendein Mensch, sondern einer mit einer Geschichte.

Unfassbar war, was mit den einzelnen Menschen gemacht wurde. Das darf nie vergessen werden. In den Konzentrationslagern mussten diese Menschen unter grausamen Bedingungen Unmenschliches leisten und wurden vergast.

Ein Küsnachter verbreitete die Stolpersteine

Das Konzept der Stolpersteine wurde 1992 vom deutschen Künstler Gunter Demnig entwickelt. In die Schweiz brachte die Stolpersteine unter anderem der Küsnachter Roman Rosenstein, wie die Zürichsee-Zeitung berichtet.

Über die Stolpersteine stolpert man nicht, doch der Blick auf sie löst Gedanken aus. Seit neuestem kann man mit dem Handy den QR-Code, der sich daneben befindet, scannen und gelangt so zur Biographie des Opfers.

Für Rosenstein ist wichtig, dass bei den vielen aktuellen Themen im Geschichtsunterricht diese Zeit nicht vergessen geht. Die Schweiz spielte in dieser Geschichte eine nicht ganz rühmliche Rolle. Wenn ein Stolperstein bis jetzt gesetzt wurde, war darum auch immer ein Lehrer dabei. Die Stolpersteine sind sehr wichtig, weil der Holocaust immer mehr vergessen geht. Die jüngere Generation kann durch die Biographie des Opfers einen besseren Bezug zum ganzen Nationalsozialismus herstellen.

Kein Einsatz der Schweizer Behörden

Rosenstein erinnert sich an das Schicksal der Familie von Selma Rothschild, die an der Stampfenbachstrasse in Zürich wohnte. Die drei Stolpersteine erinnern neben Selma Rothschild auch an ihre beiden Kinder, die mit ihr ins Konzentrationslager deportiert wurden. Nach der Geburt der Kinder starb ihr Mann Samuel an einer Krankheit 1928. Drei Jahre später bürgerte sich Selma mit ihren Kindern in Zürich ein und legte die deutsche Staatsbürgerschaft ab. 1934 zog die Familie nach Frankreich zum Schwager. 1942 wurden sie und ihre beiden Kinder von der Gestapo festgenommen. Das Schweizer Konsulat blieb untätig, obwohl sie informiert waren. Fünf Tage nach der Festnahme wurde die Mutter und ihre zwei Kinder nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Der älteste Sohn erfuhr davon erst drei Jahre später.

Wegen Kosten im Stich gelassen

Warum Juden in der Schweiz auch Opfer wurden, hat verschiedene Gründe. Einerseits wurden Gewerkschafter, die Flugblätter nach Deutschland transportieren wollten, verhaftet, oder es wurde ihnen ein liederlicher Lebenswandel vorgeworfen, eine labile psychische Verfassung konstatiert, die zu einer Überführung in eine psychiatrische Anstalt jenseits der Grenze führte.

Schweizer Bürger und Bürgerinnen wurden von Schweizer Behörden in psychiatrische Anstalten der Nationalsozialisten geschickt. Das war einfach billiger, doch dort wurden sie zu dieser Zeit deportiert und in einem KZ ermordet.

Die Wut ist der Betroffenheit gewichen. Die Werte dieser damaligen Behörden unterscheiden sich stark von den heutigen Werten. Heute käme es keinem Behörde-Mitglied mehr in den Sinn, so etwas für Gut zu empfinden.

Doch die Schweiz sollte sich für das damalige Verhalten, Opfern, die darum baten, nicht zu helfen, entschuldigen. Das unterscheidet die Stolperstein-Problematik in der Schweiz von jener im Ausland. Aus der Schweiz wurde nie jemand in ein KZ deportiert, doch weil die Behörden sie im Stich liessen, konnten sie aus dem Ausland nicht zurückkommen. Diese Unterlassungssünde darf betrachtet werden.

Wachsam bleiben

Der Bundesrat muss sich laut Rosenstein nicht entschuldigen, doch die eidgenössischen Behörden. Das Memorial in Bern übernimmt in einer gewissen Art die Erinnerung an diese Menschen. Doch könnte die Erinnerung noch stärker hervorgebracht werden.

Erst durch die 2019 erfolgte Publikation des Buches «Die Schweizer KZ-Häftlinge – Vergessene Opfer des Dritten Reichs» von Balz Spörri, René Staubli und Benno Tuchschmid hat man angefangen, über die Rolle der Schweiz zu sprechen.

Rosenstein hat sich schon immer für viele Projekte der Antisemitismus- und Rassismusbekämpfung engagiert und damit war er immer mit der Geschichte dieser Zeit verbunden und dann machte es Klick beim obengenannten Buch.

Er selber kennt keine Opfer direkt in seiner Familie, die unter den Massnahmen den Tod fanden.

Trotz Internet, in dem man dann und wann wieder dumme oder auch bösartige Sprüche liest, ist der Antisemitismus in der Schweiz nicht. Es gibt wenige Fälle in diesem Zusammenhang, doch soll man wachsam bleiben. Doch was für die Schweiz gilt, gilt nicht für Frankreich, Deutschland und auch in den Beneluxstaaten. Dort kommt der Antisemitismus jedoch primär aus der muslimischen Bevölkerung. Sie spürten die Besatzungspolitik und mögen deshalb keine Juden.

Patricia Rutz / Goldküste24