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21.06.2023

Gewitternächte im Holzverschlag

Roli N. und seine Hunde im Nachtlager: «Alles, was wir wollen, ist eine faire Chance». Bild: TRE
In der Stadt der Millionäre hat es keinen Platz für einen Ortsbürger. Die traurige Geschichte von Roli N. bewegt die Menschen weiterhin.

100 Millionäre leben in Rapperswil-Jona, heisst es – darunter auch einige Milliardäre. Etwa Jorge Lemann mit einem geschätzten Vermögen von 15 Milliarden Franken, der reichste Ostschweizer – und sein baldiger Nachbar Roger Federer, der als einer der ersten Sportler, dank Sponsoring, Preisgeldern und Investment die Milliardengrenze geknackt hat.

Eine Milliarde für einen Tunnel, aber keine Gnade für Roli

Auch sonst lässt man sich in Rapperswil-Jona nicht lumpen: Für den Stadttunnel will man rund eine Milliarde Franken ausgeben. Und die Avenida zwischen Cityplatz und Jona soll irgendwann für einen dreistelligen Millionenbeitrag erstellt werden.

Nur für einen hat man weder Platz noch Geld: Roli N. Der Ur-Joner, der auf ein bewegtes Leben und einen Kampf zurück aus dem Drogensumpf zurückblickt, ringt derzeit verzweifelt darum, in seiner Heimatstadt wieder Anschluss bzw. Aufnahme zu finden. Mit seinen drei Hunden nächtigt er in einem notdürftigen Holzverschlag in der Nähe des Joner Vita Parcours, die Tage verbringt er mit Wohnungs- und Arbeitssuche – oder auf der Stadtverwaltung, wo er sich schon zweimal anmelden wollte.

Doch dort wies man ihn mit bürokratischer Vehemenz vor die Tür. Und als Linth24 dem «unerwünschten Ortsbürger» eine Stimme gab, kam von der Stadtverwaltung ein geharnischtes Communiqué zurück, in dem man die administrative Trutzburg mit aller Gewalt verteidigte:

Ohne Mietvertrag kein Aufenthaltsrecht

Im Beamten-Schreiben hiess es: «Zuzügerinnen und Zuzügern mit Schweizer Staatsangehörigkeit, die sich in der Stadt anmelden wollen, müssen dem Einwohneramt einen Heimatschein, den Familienausweis, einen Mietvertrag oder die Bestätigung des Logisgebers / der Logisgeberin sowie die aktuelle Krankenversicherungskarte oder Police vorlegen. Diese Bedingungen gelten für alle schweizerischen Staatsangehörigen, unbesehen davon, ob es sich um Ortsbürgerinnen oder Ortsbürger handelt oder ob sie schon einmal in Rapperswil-Jona angemeldet waren. Diese Anforderungen sind auch auf der städtischen Website einsehbar und entsprechen der gängigen Praxis im Kanton St. Gallen.»

Roli erfüllt alle Voraussetzungen – abgesehen vom Mietvertrag. Und genau bei diesem Punkt beisst sich die Katze in den Schwanz: Wie soll sich Roli eine Wohnung leisten können, wenn er keine Arbeit hat? Und wie kommt er an Arbeit, wenn er draussen nächtigen muss?

Die Geschichte weitete sich immer mehr zum Drama aus – und jene Menschen, die das Drehbuch umschreiben könnten, blättern in ihren Dienstordnern und wälzen Paragraphen. Und Roli und seine Hunde müssen wohl schon heute die nächste stürmische Nacht in einem nassen Holzverschlag verbringen.

Thomas Renggli, Goldküste24