Der ukrainische Präsident Wolodomir Selenski wandte sich gestern ans Schweizer Parlament. Ein Viertel der Sitze im Nationalratssaal aber blieb leer: Die SVP boykottierte die Ansprache.
Rede in der Mittagspause
Und auch sonst war die Ansetzung des Auftritts von Zwiespalt umweht. Anstatt Selenski während der regulären Sitzung sprechen zu lassen, wurde seine Rede in die Mittagspause verlegt, um ihr den allzu offiziellen Charakter zu nehmen.
Dass Selenski jede Möglichkeit nutzt, um für Unterstützung im ukrainischen Widerstandskampf zu werben, ist absolut verständlich und in keiner Weise zu kritisieren. Seine Rede am Donnerstag war denn auch eindringlich. Eine andere legitime Frage wird von der NZZ aufgeworfen - ob es aus Sicht der Schweiz klug war, den ukranischen Präsidenten im Parlament sprechen zu lassen. Dabei geht es nicht um das, was Selenski sagte, sondern um die Symbolik, um die Bilder, um die Aussenwahrnehmung, dass Kiew einen direkten Draht nach Bern hat.
Neutralität gefährdet?
So oder so war es ein beeindruckender Auftritt. Und es hat zweifellos niemandem geschadet, dem ukrainischen Präsidenten zuzuhören. Dies hätte auch für den scheidenden Nationalrat Roger Köppel gegolten, der noch vor einigen Wochen unter grossem Tamtam nach Moskau gereist war und das russische Narrativ unwidersprochen übernommen hatte. Nun aber sieht er wegen Selenskis Auftritt die Schweizer Neutralität gefährdet.
Wie pflegt Köppel nicht bei jeder Gelegenheit zu sagen? Man muss beiden Seiten zuhören. Im Fall von Selenski gilt dies für ihn und seine Partei offenbar nicht.