CO2 ist zu einem Ungeheuer mutiert. Wenn jemand eine gute Lösung präsentiert und sich für eine Netto-Null Strategie einsetzt, dann gibt es Menschen, die ergriffen zuhören und Tränen in den Augen haben.
Netto-Null bedeutet, dass wir bis 2050 unseren Energiebedarf möglichst ohne zusätzlichen Treibhausgas-Emissionen stillen können. Wir dürfen also nur so viele Treibhausgase in die Atmosphäre freisetzen, wie wir in der Lage sind, wieder zu entfernen. Sogenannte Treibhausgase erwärmen das Klima. Verschiedene Gase können dafür verantwortlich sein, z.B. Kohlendioxid (CO2), Methan oder Lachgas.
Fossile Brennstoffe vermindern
Doch es ist das CO2, das die Klimawissenschaftler beschäftigt. Seit Beginn der Industriellen Revolution im 18. Jahrhundert wurden, um einen immer grösseren Teil der Energie zu gewinnen, fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl oder Erdgas verbrannt. Und so wurde immer mehr CO2 während gut 200 Jahren ausgestossen. Das wiederum lässt die Temperaturen wegen des Treibhauseffektes steigen.
Es scheint eine logische Konsequenz zu sein, dass man die fossile Brennstoffe vermindert oder gar auf sie verzichtet. Wenn die Menschen das zustande bringen, so sagt insbesondere der Weltklimarat der UNO (IPCC), besteht die Aussicht, dass die unerwünschte, gefährlich angesehene Klimaerwärmung etwas abgebremst werden kann.
Das Problem ist, dass auch wenn man aufhört, neues CO2 abzusondern, es nicht einfach aus der Luft verschwindet, sondern noch da ist. Das heisst, dass man rasch aus den fossilen Brennstoffen aussteigen muss, so kann man neues CO2 verhindern.
Es ist ein monumentale Unterfangen, bis 2050 Netto-Null als Ziel für die ganze Welt festzuschreiben. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die weltweite Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts nicht mehr als um 2 Grad Celsius erhöht.
Für dieses Ziel haben sich 195 Staaten im Pariser Abkommen von 2015 geeinigt. Darunter auch die Schweiz.
Für 85 Prozent in 27 Jahren Ersatz finden
Das Ziel ist ehrgeizig, aber auch Fantasie. Es ist kaum erreichbar, wie der Professor für Umweltwissenschaft in den USA unlängst vorgerechnet hat, denn es ist eine simple Frage der Mathematik. Es gibt eine BP Statistical Review of World Energy, Datenmaterial, das allgemein anerkannt wird, wenn es darum geht, die Entwicklung der Energiemärkte und Energiepolitik abzuschätzen.
Was wäre denn zu tun, wenn man in knapp 30 Jahren ganz ohne fossile Brennstoffe auskommen wollte? Was braucht es, um sie zu ersetzen?
Im Jahr 2019 verbrauchte die gesamte Welt Energie in der Höhe von rund 14000 Millionen Tonnen von Öläquivalenten. Das ist eine gängige Einheit für Energie, die davon ausgeht, wieviel Energie wir erhalten, wenn wir eine Tonne Erdöl verbrennen. So kann man die Energie messen, die aus Gas oder Kohle stammt, oder die man aus Windturbinen, Solaranlagen und Atomkraftwerken gewinnt.
Von diesen 14000 Millionen Tonnen Öläquivalenten stammten 12000 Öläquivalenten aus fossilen Brennstoffen, also aus Erdöl, Erdgas und Kohle, das sind etwa 85 Prozent. Wenn man das mathematisch rechnet, so müssen wir für 85 Prozent unserer Energiequellen in 27 Jahren Ersatz finden. Das scheint fast unmöglich.
Corona-Ersparnis kein Massstab
Das Stichjahr 2019 war das letzte Jahr vor der Pandemie. Das gab Sinn, zumal Corona den Energieverbrauch um vier Prozent reduzierte. Das war erfreulich, jedoch nicht nachhaltig. Lockdown, Home Office, Zerrüttung von Lieferketten – das ist jedoch keine Realität, denn die Welt kehrt irgendwann wieder zur Tagesordnung zurückkehren. Und bis 2050 würde mit diesem Energieverbrauch bis heute zusätzlich 5800 Öläquivalenten gerechnet werden. Bis 2050 bleibt nicht mehr viel Zeit, denn es sind nur noch 9713 Tage bis zum 1. Januar 2050. Die Zeit rennt also davon. Ab morgen müsste man jeden Tag etwa 1,8 Öläquivalenten Energie aus fossilen Brennstoffen aufgeben und mit unverdächtigen Energien ersetzen, wie Wind, Sonne oder Atomkraft.
Oder noch anders:
- Fast alle zwei Tage müssten drei neue Kernkraftwerke in Betrieb genommen werden.
- In der Schweiz müssten alle zwei Tage etwa vier neue Atomkraftwerke mit der Leistung von Leibstadt da sein.
- Oder jeden Tag 1000 bis 1500 neue Windräder, je nach Leistungskraft einer Turbine.
- Da es nicht andauernd windet, müsste man für ein Backup sorgen.
- Also müsste man auf Stauseen ausweichen und zwar so viele, dass bald keine Täler mehr sichtbar wären.
Die Politiker sagen, dass wir das schaffen, yes we can, wie es Obama einst sagte, oder man hält sich an Zarah Leander, die einst noch für die Nazis sang, als draussen die deutschen Städte in Trümmer gelegt wurden:
«Ich weiss, es wird einmal ein Wunder gescheh'n und dann werden tausend Märchen wahr.»
Es scheint, als könne das Klima nicht beeinflusst werden, solange der Mensch egoistisch seine Bedürfnisse stillt. Doch das CO2 ist nicht als Übeltäter allein schuld. Es wäre weit sinnvoller, differenzierte über die komplizierten Zusammenhänge der Klimaveränderungen und um die damit verbundenen Machbarkeiten nachzudenken. Vieles ist überhaupt noch nicht bekannt, auch nicht erforscht.