Rockikone Tina Turner (83) ist tot – diese kurze Nachricht traf die Welt am Mittwochabend vergangener Woche wie ein Schlag. In Küsnacht lebte der Star über 20 Jahre lang gerne, an der Seestrasse in der Villa Algonquin; die Bewohnerinnen und Bewohner respektierten ihre Privatsphäre. Und dennoch bewegte sie sich frei im Dorf, man sah sie im Küsnachter Wald, bei «Rico’s» oder im örtlichen Jumbo Hobbymarkt. Die letzten Jahre hatte sie sich aber wegen ihrer Krankheit immer mehr zurückgezogen.
Tina Turners Küsnachter Momente

Lämpchen und «Tina»
Die Gemeinde Küsnacht reagierte sofort und verschickte noch am Abend der Todesnachricht um 23.20 Uhr eine Pressemitteilung mit folgenden Worten: «Der Küsnachter Gemeinderat ist tief betroffen von der Nachricht vom Hinschied von Tina Turner. Sie hat Menschen auf der ganzen Welt mit ihrer einzigartigen Stimme begeistert und viele Küsnachterinnen und Küsnachter durch ihre Herzlichkeit und Bescheidenheit berührt.»
Ihre Verbundenheit mit ihrer Heimatgemeinde hat der Weltstar auf verschiedene Weise gezeigt: Als Taufpatin des Seerettungsbootes «Tina» oder als Spenderin der Weihnachtsbeleuchtung engagierte sie sich – laut Pressemitteilung – «als stolze Küsnachter Bürgerin».
Blumenmeer vor der Villa
Zur Zeit legen immer noch viele Fans und Anhänger aus dem In- und Ausland Blumen und Kerzen vor ihrer Villa am See nieder. Viele Fragen um die Art ihrer Beisetzung und/oder ob eine Strasse oder ein Platz nach ihr benannt werden wird, sind noch offen. Was aber feststeht: Küsnacht erlebte eine aussergewöhnliche Woche und stand im Fokus der Weltpresse.
Gemeindepräsident Markus Ernst gab Dutzende von Interviews. Und für diese Zeitung hat Martin Bachmann, alt Gemeinderat und passionierter Fotograf, sein persönliches Tina-Turner-Album für uns geöffnet. Ein Gespräch mit Tina Turner hat er nie geführt und sie lediglich hier und da beim Einkaufen erblickt. Dafür war er immer da mit seiner Kamera, wenn der Weltstar an öffentlichen Anlässen der Gemeinde auftrat.
Und Küsnachts Pfarrer erinnert sich in seinem Kommentar (siehe Kasten) an den Weltstar, eine bekennende Buddhistin, auf seine Weise. Man könnte sagen: über alle Religionen hinweg.
Küsnacht als Pilgerort? Warum nicht
Tina Turner war unsere Nachbarin. Ihr Tod traf mich mitten in der Vorbereitung meiner Pfingstpredigt.
Noch nie sah ich so viele Menschen vor dem Pfarrhaus die Seestrasse entlanglaufen. Küsnacht als Pilgerort?
Vor Jahrhunderten war das so. Da galt die Kirche am Dorfplatz als Kraftort. Und heute? Die Pilgernden lassen die Kirche links liegen, gehen zielstrebig zur Villa von Tina.
Ich fragte mich: Verändert die weltweite Trauer um Tina die Wahrnehmung des Pfingstgeistes? Die Frage liess mich nicht los.
Ich weiss, sie war Buddhistin. Doch ihre Gesangskarriere begann sie im Kirchenchor, aufgewachsen war sie als Baptistin. Was war die Spiritualität von Tina Turner?
Ich lud mir ihr Buch «Happiness: Mein spiritueller Weg» auf meinen Reader. Und begann zu lesen: «Spiritualität ist nicht an eine bestimmte Religion oder Philosophie gebunden», schreibt sie. Diese Einsicht faszinierte mich. Mir wurde klar: Ich muss meine Pfingstpredigt neu schreiben. Ich will die Worte zum Geist in der Bibel mit den Worten zum Spirit von Tina in Beziehung setzen.
Ich lese weiter: Der heiligste Ort sei nicht die Kirche, die Moschee oder der Tempel, sondern unser Körper: Dort wohne der Geist. Ich bin beglückt. Ja, das brauchen wir: Einen Geist, den wir immer bei uns haben. «Das Reich Gottes ist in uns», zitiert Tina dafür sogar die Bibel.
Ja, das ist Pfingsten. Gerade jetzt, in diesen unsicheren Zeiten. Doch wie bekommen wir einen solchen Geist?
Ich blättere weiter in der Bibel und im Buch von Tina.
Da springt mir ein Satz von Tina in die Augen. «Ich möchte, dass du dein Herz und deinen Verstand öffnest, deinen Geist erneuerst mit Hoffnung, Mut und Mitgefühl und dass du die Welt veränderst, indem du dein Leben änderst.» Das ist es.
Im Gottesdienst mache ich ihren Aufruf zur Geisterneuerung zu meinem: «Ich erneuere meinen Geist mit Hoffnung, Mut und Mitgefühl. Indem ich mich verändere, kann ich die Welt verändern.»
Das wird mir zum Pfingst-Mantra.
Küsnacht als Pilgerort? Warum nicht.
Danke, Tina.
Andrea Marco Bianca
Pfarrer reformierte Kirche Küsnacht