Lieferketten normalisieren sich, hohe Lagerhaltung
Positive Signale gibt es bei den Lieferketten. Diese haben sich zuletzt weiter normalisiert, wie die Rückmeldungen unter anderem aus der Industrie und dem Grosshandel aufzeigen. Die Transport- und Logistikprozesse funktionieren wieder und der Mangel an Vorprodukten hat sich deutlich reduziert. Branchenübergreifend haben die Unternehmen die Lagerhaltung ausgebaut. Beat Schiffhauer, Konjunktur- und Finanzexperte bei der St.Galler Kantonalbank: «Mittlerweile berichtet die Mehrheit der Industrie- und Grosshandelsunternehmen von einer zu grossen Lagerhaltung, sowohl bei den Vor- als auch bei den Endprodukten. Einerseits fahren viele Unternehmen nach wie vor eine defensive Lagerstrategie», so Schiffhauer. «Andererseits zeigen Rückmeldungen aus dem Maschinen- und Fahrzeugbau, dass Bestellungen bisweilen spät oder gar nicht abgerufen werden.»
Preisdynamik flacht ab
Die Preisdynamik flacht ab. Branchenübergreifend gehen die Unternehmen davon aus, dass der Preisauftrieb abnimmt. Die Ostschweizer Grosshandelsunternehmen erwarten gar erstmals seit zwei Jahren sinkende Einkaufspreise. Am häufigsten sind Preiserhöhungen im Gastgewerbe geplant, allerdings auch hier von weniger Unternehmen als in den Vorquartalen.
Schweizweit erreichte die Inflation mit 2.6% gegenüber dem Vorjahresmonat zuletzt den tiefsten Stand seit einem Jahr. Sie ist aber in der Breite angekommen. Anfänglich wirkten primär Energie und Rohstoffe teuerungstreibend, nun verharrt die Kerninflation (ohne Energie, Treibstoffe und frische Produkte) auf über 2%. Auch verteuerten sich im April die Inlandgüter erstmals seit Anfang 2020 stärker als die importierten Güter. Während die Teuerungsraten bei den Waren insgesamt rückläufig sind, ist dies bei den Dienstleistungen (noch) nicht der Fall. Die Nationalbank dürfte die geldpolitischen Zügel daher weiter straffen, um so eine allgemein akzeptierte Inflation zu verhindern.
Arbeits-/Fachkräftemangel stabilisiert auf hohem Niveau
Auch die Löhne erweisen sich zunehmend als Inflationstreiber. Steigende Löhne und Lohnnebenleistungen sind unter anderem das Resultat von nahezu Vollbeschäftigung.
Die hohe Arbeitsplatzsicherheit stützt zwar den Konsum. Auf der anderen Seite beurteilen die Ostschweizer Unternehmen den Arbeits- und Fachkräftemangel mittelfristig aber als grösste Herausforderung. Dieser hat sich seit Anfang Jahr auf hohem Niveau stabilisiert. «Die Arbeitslosenquote hat sich in den Ostschweizer Kantonen St.Gallen, Thurgau und beide Appenzell insgesamt auf sehr tiefen 1.6% eingependelt», erklärt Karin Jung, Leiterin des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons St.Gallen. Rund 60% der Baufirmen, 40% der Industriebetriebe und ein Drittel der Grosshandelsunternehmen würden derzeit von einem Mangel an Arbeitskräften berichten. «Die Unternehmen zeigen sich überdies weniger zuversichtlich, ihren Personalbestand ausbauen zu können.»
Verhalten optimistischer Ausblick
Insgesamt zeigen sich die Ostschweizer Unternehmen aktuell verhalten optimistisch. Für die Geschäftslage erwarten sie mehrheitlich eine Stabilisierung oder gar eine positive Entwicklung. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass sich die Abkühlung akzentuiert und in einen wirtschaftlichen Einbruch mündet.
Die Industrieunternehmen rechnen – mit Ausnahme der Teilbranche Elektronik und Optik – nicht mit einer weiteren Verschlechterung der Geschäftslage. Die Exporte und die Bestellungen dürften wieder leicht anziehen.
Besonders zuversichtlich für die nächsten sechs Monate äussern sich die Unternehmen aus dem Baunebengewerbe und dem Gastgewerbe.