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28.03.2023

Kleinklassen werden wieder gefordert

Kein Kind soll schon im Kindesalter aussortiert und als Sonderfall abgestempelt werden. (Symbolbild) Bild: pixabay
Die Schulen sehen wohl Handlungsbedarf, wehren sich jedoch bei der Wiedereinführung von Kleinklassen. Das Volksschulgesetz von 2005 verlangt, dass alle Kinder in einer Regelklasse integriert werden sollen.

Integrative Schule – Abkürzungen und ihre Bedeutung

  • IF (Integrative Förderung): Ist die ergänzende Unterstützung von allen Schülerinnen und Schülern in der Regelklasse durch eine Fachperson in schulischer Heilpädagogik. Der Einsatz der IF-Ressourcen orientiert sich an den kantonalen Vorgaben und wird anhand der Anzahl Vollzeiteinheiten pro 100 Schülerinnen und Schüler berechnet. Auf der Kindergarten- und Primarstufe stehen pro Klasse durchschnittlich rund drei Lektionen IF pro Woche zur Verfügung.
  • ISR (Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule): Eine Heilpädagogin oder ein Heilpädagoge begleitet ein bestimmtes Kind während des Schuljahres und unterstützt das Kind, die Eltern und die Klassenlehrpersonen. Ziel ist, dass das Kind überall teilnehmen kann. Die Zahl der ISR-Lektionen wird je nach Bedürfnis des Kindes gesprochen.
  • ISS (Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Sonderschule): Das Kind besucht die Regelschule, wird aber durch Fachpersonen einer Sonderschule in der Regelschule begleitet.

Quelle: fse

Das System ist am Anschlag

Vor 18 Jahren war das System der integrativen Sonderschulung eine grosse Errungenschaft. Heute häufen sich die Forderungen nach einer drastischen Reformation. Laut der Zürichsee-Zeitung, Marijana Minger, Präsidentin der Schulpsychologen im Kanton Zürich, sind die Lehrpersonen mit dem System am Anschlag.

Ein Lehrperson hat einen interessanten Alltag, jedoch auch einen anspruchsvollen, da es immer eine Gratwanderung ist. Das kommt auch von der Elternschaft, deren Ansprüche gestiegen sind. Am Zürichsee ist das besonders spürbar, da es eine sehr gebildete Elternschaft gibt, die klare Vorstellungen darüber haben, wie ihre Kinder ausgebildet werden sollen. Der Beruf der Lehrpersonen ist in den letzten 20 Jahren anspruchsvoller geworden, auch administrativ fällt mehr Arbeit an. Neben der Lehrfunktion ist auch die Arbeit in diversen Arbeitsgruppen gefragt oder auch in Schulentwicklungsprojekten.

Bedürfnisorientiert, nie vergleichbar

Manchmal kann es sein, dass ein Kind, das in einem ISR-Setting ist, ein Trigger ist und das Fass zum Überlaufen bringt. In Zollikon kommen auf 1300 Schülerinnen und Schüler knapp 50 Kinder im ISR-Setting, wie Leiter Bildung, Urs Rechsteiner erklärt. Diese 50 Kinder haben ganz verschiedene Bedürfnisse und Einschränkungen. Die Ressourceneinteilung erfolgt immer bedürfnisorientiert und ist nie vergleichbar.

Die integrative Schule krankt am überlasteten Schulsystem. Somit sind wirkungsvolle Verbesserungen gefragt. Doch was soll anders werden?

Die Volksschulverordnung braucht eine Reform. Die maximale Klassengrösse liegt zwischen 21 (im Kindergarten) und 25 (Primarschule und Sekundarstufe A). Sie kann sogar nach oben noch korrigiert werden mit drei weiteren Schülern.

Die Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in einzelne Klassen müssen die Schulgemeinden vom kantonalen Volksschulamt absegnen lassen. Diese teilen 50 Kinder in zwei Regelklassen von 25 Kindern auf, nicht zwei Klassen mit 20 und eine mit 10 Kindern, wie es den Ansprüchen dienen würde. Für die Schulgemeinden wäre eine Reduktion der Klassengrössen auf maximal 18 bis 20 Kinder eine wirksame Massnahme, um die Lehrpersonen zu entlasten.

Adäquater Unterricht für alle

Alle Kinder haben Anspruch auf eine adäquate Beschulung, ganz gleich, wo eines steht. Finanzielle Ressourcen sollen kein Hindernis sein. Die Kosten für die beteiligten Lehr­-, Fach­-, Betreuungs-­, Beratungs-­ und Hilfspersonen gehen zulasten der Gemeinde. Beim IF-Unterricht, der zugunsten aller Schülerinnen und Schüler geht, schreibt das Volksschulamt auf Kindergarten- und Primarstufe ein Minimum an personellen Ressourcen vor (siehe Informationsbox). Auch hier steht es den Schulgemeinden frei, mehr Ressourcen einzusetzen. Da stehen finanzstarke Gemeinden besser da.

Die ISR-Settings stehen im Kontext der im Bundesgesetz deklarierten Inklusion. Die ISR-Lektionen wie die IF-Lektionen sollen vom Kanton anhand der Anzahl Vollzeiteinheiten pro 100 Schülerinnen und Schüler berechnet respektive erhöht werden. Jede Schule soll unabhängig der finanziellen Lage, die ISR-Setting so gestalten können, dass adäquater Unterricht für alle möglich ist.

Die Ausbildung der Lehrkräfte soll besser auf die neuen Herausforderungen im Berufsalltag abgestimmt sein. Sie soll auf die verschiedenen heutigen Probleme eingehen, umfassend und praxisorientiert orientieren.

Schulinseln als Erholung

Knapp 20 Jahre nach der Einführung des integrativen Unterrichts herrscht in den Klassenzimmern am Zürichsee also mehr Überforderung statt Förderung. Die früheren Kleinklassen vor 2005 möchte jedoch niemand zurückhaben. Die Kinder hatten damals nicht die gleiche Ausgangslage.

In Basel-Stadt möchte man heilpädagogisch geführte Förderklassen wieder einführen. Auch im Kanton Bern sollen wieder Kleinklassen eröffnet werden, wenn die integrative Schule an ihre Grenzen stösst.

Die Forderung nach kleineren Klassen ist politisch nicht mehrheitsfähig, so Bildungsdirektorin Silvia Steiner (Mitte), Kanton Zürich. Sie schlägt stattdessen Schulinseln vor. Dort könnten verhaltensauffällige Kinder aus verschiedenen Klassen innerhalb des Schulhauses eine stundenweise Auszeit nehmen. Einige Gemeinden am Zürichsee haben mit diesem Modell bereits Erfahrungen gemacht.

Patricia Rutz / Goldküste24