Michael Liniger ist eine der Grössen im Schweizer Eishockey. Er war Teamstütze und Kapitän in Langnau, danach bildete er bei Kloten ein legendäres Sturmtrio mit Marcel Jenni und Roman Wick. Nahtlos nach seiner Spielerkarriere wurde er 2017 Cheftrainer bei den GCK Lions in der zweithöchsten Eishockeyliga der Schweiz. Das Nachwuchsteam der ZSC Lions zeichnet sich dadurch aus, dass es junge Spieler auf Höheres vorbereitet.
Die GCK Lions überzeugen immer wieder mit ausgezeichneten Resultaten. Die Qualifikation beendeten die Junglöwen auf dem dritten Rang. Momentan laufen die Playoffs gegen den EHC Basel. Der Stand am Donnerstag, 3:2 nach Siegen, die Halbfinalquali ist in Greifnähe. Wir treffen Michael Liniger auf der frisch renovierten KEK in Küsnacht. Die Halle ist die Homebase der GCK Lions. Beim Betreten des Stadions begegnen wir zufällig Victor Ignatiev. Der Trainer des U17-Elite-Teams der ZSC Lions lobt Liniger in den höchsten Tönen. Er gestalte strukturierte und fordernde Trainings, vergesse dabei aber den Spass am Sport nicht. Dies sei das Geheimnis, weshalb Liniger als Coach bei den Spielern so beliebt sei.
Michael Liniger, eben haben wir Ihren Trainerkollegen Victor Ignatiev getroffen. Er hat Ihre Arbeit sehr gelobt. Sie scheinen hoch im Kurs zu sein.
Mich freuen solche Aussagen natürlich. Wir haben hier oben einfach ein sehr gutes Arbeitsklima. Mir war immer wichtig, dass wir uns als grosse Familie fühlen. Wir tauschen uns aus, zwischen allen Ligen. Von Victor habe ich schon viele wertvolle Inputs für meine Arbeit erhalten.
Warum ist die Stimmung auf der KEK so gut?
Wenn wir hier arbeiten, wollen wir Spass haben. Hockey entwickelt sich in die Richtung, dass Daten und Statistiken immer wichtiger werden. Aber ebenso wichtig sind Euphorie und Leidenschaft der Jungs. Eishockey ist oft Chaos. Es ist nicht immer alles planbar. Also darf es im Training auch mal etwas chaotisch sein.
Haben Sie das irgendwo gelernt, so zu coachen?
Ich habe schon die Berufstrainerausbildung, aber das ist in der Tat meine eigene Erfahrung, die ich auch als Spieler sammelte. Die Spieler sollten immer mit einem Lachen vom Eis gehen. Das ist die Grundlage meiner Arbeit als Trainer.
Beim EV Zug werden Sie allerdings nur noch Assistenztrainer sein. Besteht nun nicht die Gefahr, dass Sie Ihre Trainingsmethoden anpassen müssen?
Ich hatte gute Gespräche in Zug und ich glaube, dass ich meine Ideen durchaus einbringen kann. Der neue Job wird mir zeigen, ob meine Arbeit eine Stufe höher auch funktioniert. Ich bin aber überzeugt, dass es funktioniert. Ich kann und darf meine Persönlichkeit bei Zug reinbringen. Das ist aus den Gesprächen mit Trainer Dan Tangnes und dem Sportchef klar herausgekommen.
Was macht ein Assistenztrainer eigentlich?
Je länger, je mehr hat man Einfluss aufs Ganze, also auf die Team- und Spielerführung. Dazu kommen Einzelgespräche und der taktische Bereich. Es kommt darauf an, wie der Staff aufgebaut ist. Jeder hat seine Spezialgebiete, die er in die Mannschaft einbringt.
2018 wurden Sie als Assistent von Hans Kossmann Schweizer Meister mit den ZSC Lions. Wie war es damals?
Wir waren eine zusammengewürfelte Truppe und hatten wenig Zeit, uns zu finden. Wir gaben alles, was wir hatten. Es war eine fantastische Zeit! Stephan Siegfried übrigens ist nach wie vor Goalietrainer beim ZSC. Dabei war auch der mittlerweile leider verstorbene Leo Schuhmacher.
Ist Ihr neuer Trainerjob in Zug nicht auch ein Sprungbrett, um dereinst als Cheftrainer zu den ZSC Lions zurückzukommen?
Die Erfahrungen, die ich beim EVZ machen werde, sollen mich allgemein auf dem Trainermarkt interessanter machen. Ich habe Zug klar gesagt, dass ich Headcoach in der National League werden will. Das hat sie nicht abgeschreckt. Im Gegenteil, sie fanden meine Ambitionen sogar gut.
Das heisst, in spätestens fünf Jahren stehen Sie irgendwo als Cheftrainer an der Bande.
Das Trainerbusiness ist schwierig planbar. Das macht es mir manchmal auch ein wenig schwierig, weil ich ein sehr
loyaler Typ bin. Ich bin jeweils länger an einem Ort geblieben und wollte etwas aufbauen. Ich will nicht einfach wechseln. Die ZSC-Organisation ist wohl einer der besten Eishockey-Arbeitgeber der Schweiz. Ich verlasse die Organisation mit Stolz, Dankbarkeit und ein wenig Wehmut. Aber ich will raus aus der Komfortzone. Aus meiner Sicht ist der gegenseitige Respekt immer noch gross, was eine allfällige Rückkehr durchaus zulassen würde. Letztes Jahr hätte ich Trainer in Langnau bei den SCL Tigers werden können. Es passte aber aus verschiedenen Gründen nicht. Kloten hatte dieses Jahr auch wieder Interesse signalisiert, aber eine konkrete Offerte lag nie auf dem Tisch.
Bleiben Sie also weiter in Wallisellen wohnen und pendeln nach Zug?
Ja, genau. Meine beiden Kinder (Elia, 14 Jahre, Lynn, 12 Jahre, die Red.) sind in einem Alter, wo wir uns noch gerne sehen (lacht). Ich möchte eine Balance finden zwischen meiner Familie und den Anforderungen als Coach. Es geht mir besser, wenn ich nah bei meiner Familie bin. Darum ist der Wechsel nach Zug ideal.
Aber so eine Ausbildungspyramide wie beim ZSC, das gibt es in Zug nicht?
Tatsächlich gibt es in Zug kein Nachwuchsteam mehr in der Swiss League. Umso mehr habe ich grössten Respekt für das, was hier und auch dank der Familie Frey für den Nachwuchs investiert wird. Das ist schweizweit einzigartig. Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass die GCK Lions zu wenig Ansehen haben nach aussen. Wir arbeiten hart und professionell. Das wird zu wenig wahrgenommen, das finde ich manchmal schade.
Wie schaffen Sie es denn, die Spieler zu motivieren? Die Kulisse in Küsnacht mit den wenigen Fans wird allgemein als trostlos bezeichnet. Färbt das nie auf die Spieler ab?
Klar wäre es cool, wenn uns mehr Fans pushen könnten. Denn wir spielen gutes Hockey hier. Aber: Alle, die hier sind bei den GCK Lions, sind aus einem Grund hier. Nämlich um besser zu werden. So ist es also eine intrinsische Motivation (also das Mittel, um Zufriedenheit in sich selbst zu finden, die Red.) und der Teamspirit, die uns weiterbringen. Mit den leeren Zuschauerrängen kann man leben lernen.
Immerhin durften die GCK Lions im Oktober in der grossen Swiss Life Arena in Zürich spielen – vor 6000 Fans.
Das war schon geil (lacht) und etwas anderes. Andererseits können wir hier in Küsnacht in aller Ruhe arbeiten und werden weniger von Emotionen gesteuert. Das wäre der positive Aspekt an der Situation. Der Druck ist in Küsnacht deutlich tiefer als in Zürich.
Die Lust ging bei Ihnen also wegen der wenigen Zuschauer nie verloren?
(Überlegt.) Nein. Aber klar, wir erhofften uns gerade vom Umbau der Halle mehr. Als wieder nur 70 Fans kamen, war eine Art Enttäuschung da. Der Funke ist einfach noch nicht gesprungen.
Fehlen vielleicht Altstars, die Zuschauermagnete sind? Sie haben Ihre Spielerkarriere ja auch hier beendet.
Wir haben durchaus gute ältere Spieler, Yannick Blaser ist ein super Eishockeyspieler, oder Robin Leone, Roman Schlagenhauf und Xeno Büsser.
Das sind aber nicht Liniger-Kaliber, einverstanden?
Dazu kann ich nur sagen, dass wir meinetwegen auch nicht mehr Zuschauer hatten.
Es könnte auch eher ein grundlegendes Problem der Swiss League sein. Man wirft euch, den Ticino Rockets und letzte Saison der EVZ Academy öfters vor, die Liga schlechter zu machen und keine Zuschauermagnete zu sein.
Riesigen Einfluss hatte sicher, dass Kloten und Ajoie heute in der National League spielen. Es ist aber heuchlerisch, wenn sich Clubs über uns beklagen und gleichzeitig günstig Spieler von unseren Teams verpflichten. Dass wir keine Zuschauer bringen, stimmt, aber sportlich können wir auf alle Fälle mithalten.
Ist Ihr Lieblingsclub in der National League jetzt eigentlich der EV Zug?
Ich gebe alles für die ZSC-Organisation, solange ich hier arbeite. Froh bin ich, dass ich alles vor der heissen Playoff-Phase regeln konnte. Was nachher kommt, das schaue ich dann an.
Der NLB-Meistertitel ist immer noch möglich.
(Lacht.) Mal schauen. Hoffentlich können wir in der ersten Runde etwas reissen
(Stand Donnerstag führen die GCK Lions mit 3:2 gegen den EHC Basel. Ein Sieg und man steht im Halbfinal gegen den EHC Olten, die Red.)
Haben Sie noch Kontakt nach Kloten?
Den grössten Kontakt habe ich dadurch, dass mein Sohn bei den U15-Junioren spielt. Da gehe ich manchmal ein Spiel schauen. Dann ist da Kimmo Rintanen, der heutige Assistenztrainer. Kimmo ist ein langjähriger Weggefährte von mir. Mit den Coaches habe ich ebenfalls Kontakt, es sind interessante Typen. Ich schätze den offenen Austausch.
Und wie gefällt es Ihnen in Wallisellen, wo Sie schon 16 Jahre wohnen?
Uns ist dort mega wohl. Wir haben es gut getroffen mit Wallisellen. Auch mit der Schule und den Hobbys ist es perfekt.
Welches Team in der NHL in Kanada oder den USA möchten Sie am liebsten coachen?
(Überlegt länger.) Gut, Tampa Bay Lightning in Florida ist sicher eine sehr interessante Mannschaft. Auch die Nashville Predators finde ich spannend, ebenso die New Jersey Devils mit den Jungstars. Das Entwickeln von jungen Spielern finde ich mega interessant, das liegt mir.
Zurück in die Schweiz. Holt der ZSC den Kübel oder wird es wieder Zug sein?
Ich hoffe sehr, der «Zett» machts. Die Qualität ist da.
Und Kloten, fiebern Sie mit, damit sie zumindest die Pre-Playoffs schaffen?
Eigentlich muss man ja fast für die ganze Liga mitfiebern. Die Teams sind in der Tabelle so eng beieinander. Aber ja, ich verfolge auch Kloten sehr interessiert. Die Liga hat sich sicher verändert, auch, weil sechs Ausländer spielen dürfen. Wenn sie gut sind wie in Kloten oder in Langnau, können sie die Spiele entscheiden. Die Erwartungshaltung der anderen Clubs muss sich eher anpassen. Das Mittelfeld wurde viel enger. Aber nochmals, mein Fokus liegt aktuell auf den GCK Lions und nachher bei den ZSC Lions.
Michael Liniger, vielen Dank für das Gespräch.