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Kultur
15.02.2023

Auch Zürich verdiente ihr Brot mit Musik dort

Stars wie Teddy Stauffer traten ebenso auf in der Hochblüte der Engadiner Salonorchester. Bild: Dokumentationsbibliothek St. Moritz, Album Palace, 1938
Das Museum Alpin in Pontresina präsentiert aktuell die Sonderschau «Höhenmusik. Orchester der Hotels und Kurvereine im Engadin».

Zu diesem Kapitel der Engadiner Kulturgeschichte trugen auch Musikerinnen und Musiker aus Zürich bei.

Heute haben mehr oder weniger DJs oder die Musik von Spotify ihre Funktion übernommen. Aber etwa ab 1860 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und darüber hinaus unterhielten im Engadin Hotel- und Kurorchester die Gäste musikalisch. Das Höhenklima, die Natur und die Hotels des Engadins zogen und ziehen zahlreiche Urlauber an. Im Engadin fanden sie eine passende Gegend für Kuraufenthalte vor, mehr noch für die Ausübung von Sport­arten, für luxuriöse Erholung sowie gedankliche und ästhetische Anregung – und für eine musikalische Unterhaltung durch Höhenmusik. 

Zuerst die Kurhäuser, wenig später auch weitere grössere Hotels und Kurvereine unterhielten je eigene Orchester. Sie spielten am frühen Morgen in Trinkhallen oder bei Promenaden für Mineralwassertrinkende, am Nachmittag in Konfiserien und Hotelhallen bei Kuchen und Tee und am Abend in den Hotelsälen für Tänze und Bälle. Ausserdem traten Orchester regelmässig im Freien auf, selbst im Winter bei frostigen Temperaturen: so etwa bei den Bob- und Skeletonbahnen, auf Schlitten und Schnee oder auf Eisfeldern. Wohin man auch hörte, überall waren Orchester zu vernehmen.

Zwei Kurorchester haben überlebt

Anders als sonst wo in der Schweiz führte im Engadin die technische Entwicklung und Verbreitung der akustischen Wiedergabegeräte im 20. Jahrhundert nicht zum gänzlichen Verschwinden der Kur- und Hotelorchester. So pflegen die Gemeinden von Pontresina und St. Moritz ihre Kur­orchester bis heute. Und grössere Hotels engagieren noch gegenwärtig, im Zeichen von Noblesse und Klangschönheit, eigene Musikerinnen und Musiker. 

Erstmals Geschichte aufgearbeitet

Der Musikeralltag war vor gut hundert Jahren überaus hart, die Vertragsmusikerinnen und -musiker teilten ihr Schlafzimmer teils mit Ratten oder durch Ritzen fallenden Schnee oder bekamen viermal täglich durchgekochte Kartoffeln vorgesetzt, wie es in einem Artikel in der «Engadiner Post» heisst. Solche und viele andere Details aus dem Alltag früherer Hotelmusiker sind in der Sonderausstellung im Museum Alpin zu erfahren. 

«Höhenmusik» präsentiert erstmals und umfassend die faszinierende und tra­ditionsreiche Geschichte der Kur- und ­Hotelorchester im Engadin. Anhand von Bild- und Textdokumenten zahlreicher Engadiner Archive erklärt die Ausstellung das Phänomen aus unterschiedlichen Blickwinkeln: Vorgestellt werden Entstehungsgeschichten sowie wechselnde Aufführungsorte, Besetzungen, Funktionen und Musikstile der Orchester, ferner die rauschenden Kostümbälle, das teils beschwerliche Leben und Wirken der Musiker in den Hotels, die Beziehungen zwischen den Musikern und den Gästen wie Einheimischen, die Verflechtungen von Orchestern mit den Wintersportarten oder die Vermischungen von Hotel- und Umweltklängen. Seltene Objekte, Videodokumentationen, eine Hörstation, ein spezielles Pontresina-Modell sowie anschauliche Kulissen bereichern die kurzweilig gestaltete Ausstellung. Wer sich vertieft damit auseinandersetzt, findet auch Dokumente, welche die Brücke nach Zürich schlagen. Verträge mit handschriftlichen, meist den Künstler benachteiligenden Anpassungen, schräge Korrespondenzen über unerwünschte Notenkisten und vieles mehr. 

Noch bis 13. April 

Öffnungszeiten des Museums Alpin: Montag bis Samstag, jeweils 15.30 bis 18 Uhr, Museumsführung, jeweils donnerstags, 10 Uhr, Kosten: CHF 13.–, inkl. Führung und Eintritt. Für Führungen (ab 4 Personen) ist eine Anmeldung erforderlich (Vortag bis 18 Uhr) online oder über 081 838 83 49. 

 

«Höhenmusik», Museum Alpin, Via Maistra 199, 7504 Pontresina. Kuration und Texte: Mathias Gredig und Matthias Schmidt, Grafik und Gestaltung: Hug & Eberlein, Technik und Aufbau: Dominik Steinmann und Lea Gredig, Kulissen: Flavia Somalvico. (u.a.m.).

pd./red. / Goldküste24