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05.02.2023

Pura Verdura bekommt den Züri Award

Mitglieder bringen Kompost auf dem Acker bei der Wynegg aus. Bild: Pura Verdura
Die solidarische Landwirtschaftsgenossenschaft Pura Verdura aus dem Kreis 7 kann auf ein erfolgreiches Jahr mit dem zweiten Acker auf der Wynegg und einer neuen Gärtnerin zurückschauen.

Noe Schlatter

Glücklich und stolz steht die Betriebsgruppe zusammen mit den Gärtnern und Gärtnerinnen auf der Bühne. Das ganze Jahr über engagiert sie sich für die Genossenschaft – auf dem Acker, aber auch hinter den Kulissen, zum Beispiel in der Buchhaltung, der IT oder der Verwaltung. An jenem Tag, dem 6. Dezember 2022, darf sie den von tsüri.ch in Zusammenarbeit mit SENS Suisse und der HWZ verliehenen Züri Award für Innovation und Nachhaltigkeit entgegennehmen. Die Community konnte aus zehn nominierten Unternehmen in Zürich dasjenige auswählen, das sie besonders überzeugte. Aber was genau macht Pura Verdura besonders innovativ und nachhaltig? Inwiefern unterscheidet sich ein Gemüseabo bei Pura Verdura von einem Einkauf auf dem Markt oder im Bioladen? Und was gab es im dritten Betriebsjahr für Neuerungen?

Topregional und saisonal

Das Gemüse, das die Mitglieder von Pura Verdura erhalten, stammt zu hundert Prozent aus der Stadt Zürich. Die Genossenschaft bewirtschaftet circa zwei Hektaren Landwirtschaftsland (fast 3 Fussballfelder) und 3 ungeheizte Gewächshäuser im Kreis 7. Das Gemüse wird wöchentlich frisch geerntet, in wiederverwendbare Taschen gepackt und dann in Depotkisten in den Kreisen 1, 7 und 8 verteilt. Die Depots befinden sich maximal 5km von den Äckern entfernt. Dort können die Taschen abgeholt werden und die Mitglieder kochen mit dem Gemüse, das gerade reif ist auf dem Acker.

Das Rätseln im Laden, ob Gurken im April jetzt schon Saison haben oder nicht, entfällt. Stattdessen können Mitglieder bei Pura Verdura lernen, dass Federkohl, Nüsslisalat, Wirz oder Lauch auch mitten im Winter frisch vom Acker geerntet werden können. Dass in einem warmen Herbst noch Ende September reife Tomaten geerntet werden können. Oder dass es die ersten frischen Randen schon im Frühsommer gibt, klein und zart, mit essbaren Blättern.

Biozertifizierung und Artenvielfalt

Nach zwei Jahren Umstellungszeit, einer Art Probezeit für Biobetriebe, ist Pura Verdura ab 2023 biozertifiziert. Dies bedeutet etwa, dass das Saatgut biozertifiziert ist und grösstenteils aus der Schweiz stammt. Dasselbe gilt für die Jungpflanzenerde. Gedüngt wird mit pflanzlichem Recyclingdünger, Schafwolle oder Kompost. Auch die verwendeten Pflanzenschutzmittel sind biozertifiziert. Damit sie so wenig wie möglich eingesetzt werden müssen, setzt Pura Verdura bei der Bekämpfung von Schädlingen in erster Linie auf Prävention: Sie werden durch Kulturschutznetze abgewehrt oder durch Mischkulturen und Blühstreifen verwirrt.

In diesen mehr- und einjährigen Blühstreifen finden viele Insekten ein Zuhause. Manche schätzen die Schädlinge als Nahrung, während andere, zum Beispiel Wildbienen, Blüten als Nahrungsquelle nutzen. Genauso gerne mögen sie die Blüten von Bohnen, Kefen und Erbsen – und ermöglichen damit das Wachstum des Gemüses. Mit Unterstützung des Vereins Natur im Siedlungsraum konnte Pura Verdura an den Rändern des Ackers Büsche und Hecken pflanzen und Stein- und Asthaufen errichten. Diese fördern die Artenvielfalt auf dem Acker und im Quartier – und erfreuen auch das Auge!

Gelebte, erfolgreiche Solidarität

Anders als bei herkömmlichen Biobetrieben funktioniert bei Pura Verdura die Finanzierung. Üblicherweise tragen Landwirtinnen und Landwirte das Risiko bei der Produktion alleine: Wenn extreme Wetterereignisse wie zum Beispiel Hagel oder Starkregen die Ernte zerstören, machen sie Verluste. Wenn die Bedingungen gut sind und sie viel produzieren können, finden sie teilweise keine Abnehmerinnen und Abnehmer – die Überschüsse bleiben auf dem Acker und verderben.

Bei Pura Verdura hingegen bezahlen alle Mitglieder ihren Beitrag Anfang April für das ganze Jahr. Mit diesem Geld wird die ganze Gemüseproduktion finanziert, also zum Beispiel Saatgut gekauft und die Löhne für die Gärtnerinnen und Gärtner sowie die Pacht für das Land bezahlt. Im Gegenzug erhalten sie wöchentlich, im Winter zweiwöchentlich, eine Tasche mit etwa 3 kg Gemüse. Haben Hagel oder Hitze dem Kopfsalat übel mitgespielt, gibt es davon weniger. Wachsen Krautstiel oder Bohnen besonders gut, gibt es davon mehr.

Verschiedene Gemüsesorten haben verschiedene Ansprüche. Manche mögen es heiss, andere kühl oder feucht. Die Gärtnerinnen und Gärtner von Pura Verdura bemühen sich, so viele verschiedene Gemüsesorten zu pflanzen und zu säen, dass immer ein breites Sortiment für die Taschen zur Verfügung steht – in der Regel 5 verschiedene Sorten.

Mitarbeit gehört dazu

Zusätzlich zum jährlichen Mitgliederbeitrag verpflichten sich die Mitglieder von Pura Verdura, 8 Halbtage im Jahr mitzuarbeiten: kleine Setzlinge pflanzen, mit der Mistgabel den Kompost wenden, Unkräuter hacken, Kefen ernten, Mulchmaterial mit der Schubkarre verteilen, Gemüse wiegen und in die Taschen packen ... Viele Arbeiten werden bei Pura Verdura von Hand gemacht. In einer grossen Gruppe geht das schnell, macht Spass, schont den Boden und verbraucht keine fossilen Treibstoffe.

Ganz ohne Maschinen kommt allerdings auch Pura Verdura nicht aus. Seit einem Jahr mietet die Genossenschaft ­einen Traktor, vor allem, um den Boden für die Gemüsebeete vorzubereiten. Dieser wird allerdings nicht von den Mitgliedern gefahren! Dafür hat Pura Verdura Gemüsegärtnerinnen und -gärtner angestellt. Gemeinsam planen sie den Anbau, berechnen Düngermengen und kümmern sich darum, dass die Bewässerung optimal eingestellt ist und die Rüebli zur richtigen Zeit, im richtigen Abstand gesät werden. Sie leiten auch die Mitglieder bei ihren Einsätzen an, erklären, was Unkraut und was frisch gekeimte Zwiebeln sind, auf welcher Höhe der Rucola geschnitten werde soll. Seit diesem Frühling geschehen diese Arbeiten nicht nur auf der Lengg, sondern auch auf dem zweiten Acker, der direkt neben dem Quartierhof Wynegg gelegen ist – mit wunderschöner Aussicht über die Stadt.

Neue Jobs, neue Leute

Im Team gab es einige Neuerungen. Rahel Fuchs, die zusammen mit Noe Schlatter seit den Anfängen von Pura Verdura als Gemüsegärtnerin arbeitete, hat Pura Verdura verlassen und übernimmt einen ­eigenen Hof. Ihre Stelle wurde ab Herbst 22 von Rose Hiquet übernommen. Sie ist Absolventin eines selbst organisieren Lehrgangs im ökologischen Gemüsebau und hat schon auf verschiedenen solidarischen Landwirtschaftsbetrieben gearbeitet.

Ab Frühling 23 wird ausserdem Silvia Bianchi das Team ergänzen. Sie hat an der ETH Agronomie studiert und im Sommer 22 ein Praktikum bei Pura Verdura absolviert. Die drei bilden ein Team mit einem breiten praktischen und theoretischen Wissen und freuen sich sehr auf die erste gemeinsame Saison. Faire Löhne, viel Mitbestimmung im Betrieb, Teilzeitarbeit und die Möglichkeit, auch in den arbeitsintensiven Sommermonaten Ferien zu nehmen: All das macht Pura Verdura zu einer attraktiven Arbeitgeberin.

Pura Verdura bei der Verleihung des Züri Award für Innovation und Nachhaltigkeit. Bild: tsüri.ch

Gemüseabos und ein Infoanlass am 4. Februar

Ab April gibt es wieder freie Gemüse­abos. Wenn Sie interessiert sind, dann melden Sie sich jetzt schon für die Warteliste an. Am 4. Februar gibt es einen Infoanlass, dort beantworten wir gerne Ihre Fragen. Weitere Infos und das Anmeldeformular sind auf der Website ww.puraverdura.ch zu finden.

Noe Schlatter / Goldküste24