Rückblickend muss man Benedikt Würth schon fast als Visionär bezeichnen. Im Juni 2021 sagte der St. Galler Ständerat im Parlament: «Im heutigen Wertekompass von modernen Demokratien rangiert die Transparenz ganz weit oben». Der Mitte-Politiker reichte eine Motion ein, die zur Aufklärung beitragen sollte, weshalb die Bundesratsentscheide in der Corona-Krise schon an den Tagen vor der Bundesratssitzung im «Blick» zu lesen waren: «Dies ist mehr als bedenklich».
Bundesrat und Nationalrat stützten Berset
Die Regierung und der Nationalrat, lehnten den Vorstoss damals ab – für Würth keine Überraschung: Dass der Bundesrat den Antrag nicht annehmen wolle, erstaune ihn nicht, sagte er. Es sei schliesslich nicht einfach, gegen Personen vorzugehen, die nicht integer seien. Bundeskanzler Walther Thurnherr gab noch einen drauf: «Es ist nicht nur kriminell, was hier passiert ist, sondern auch charakterlos». Der Bundesrat sehe aber kein «System von Indiskretionen».
Anderthalb Jahre später steht diese Einschätzung ziemlich schräg in der Landschaft. Die «Neue Zürcher Zeitung» schreibt in ihrer heutigen Ausgabe: «Die Indiskretionen waren in der Regierung ein häufiges Thema während der Pandemie. Alain Berset soll während der Sitzungen den Ahnungslosen gespielt und sich gemeinsam mit seinen Regierungskollegen über die Leaks aufgeregt haben.»
Nach den neuen Enthüllungen werde es nun spannend zu beobachten sein, wie Berset und das neu zusammengesetzte Gremium reagieren. Werden die bisherigen Bundesräte den Gesundheitsminister zur Rede stellen? Wie werden sich die neuen Erkenntnisse auf die Kollegialität auswirken?
Die GPK am Zug
Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) wird den Berset-Ringier-Komplex in der Plenarsitzung von kommender Woche diskutieren. Schon jetzt steht fest: Benedikt Würth war einer der wenigen, der im Frühling 2021 den Kopf nicht in den Sand steckte.
Linth24