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Schweiz
03.06.2025

Gletscherabbruch im Lötschental

(Symbolbild) Bild: Will Turner, Unsplash
Der Abbruch des Birchgletschers oberhalb des Walliser Dorfs Blatten bleibt ein aussergewöhnliches Ereignis im Schweizer Alpenraum. Inzwischen liegen neue Erkenntnisse der ETH vor.

Die Ursachen des Gletscherabbruchs sind zwar noch nicht vollständig geklärt, doch zeichnet sich ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren ab. Im Zentrum steht das Kleine Nesthorn, ein Berg oberhalb des Gletschers. Bereits vor dem Ereignis kam es dort zu mehreren Felsstürzen, die grosse Gesteinsmassen auf dem Gletscher ablagerten, laut Behörden insgesamt rund neun Millionen Tonnen. Diese Last erhöhte nicht nur den Druck auf das Eis, sondern begünstigte auch die Bildung von Schmelzwasser an der Gletscherbasis und im Inneren des Eiskörpers. Schätzungen zufolge sammelten sich dabei bis zu zehn Millimeter Wasser im Gletscher.

Gletscher unter Spannung

Der steigende Wasserdruck, kombiniert mit eindringendem Regen und der Instabilität des umgebenden Geländes, setzte den Gletscher zusätzlich unter Spannung. Letztlich löste das Abrutschen einer grösseren Flanke des Kleinen Nesthorns den eigentlichen Abbruch aus – ein Prozess, den Forscher und Behörden nun genauer rekonstruieren.

Auffälliges Verhalten

Die Entwicklungen kamen nicht völlig überraschend. Seit den 1990er-Jahren wird der Gletscher systematisch überwacht, insbesondere, nachdem zwei Lawinen damals die lokale Infrastruktur beeinträchtigten. Auffällig war in den letzten Jahren besonders das ungewöhnliche Vorrücken des unteren Birchgletschers. Während die Gletscher in der Schweiz generell schrumpfen, stiess dessen Front ab 2019 rund 50 Meter vor. Parallel dazu nahm die Eisdicke im unteren Bereich zwischen 2017 und 2023 um bis zu 15 Meter zu. Ebenfalls ein Effekt der aufliegenden Gesteinsmassen, die die Eisschmelze an der Oberfläche reduzierten.

Permafrost und Klimawandel

Ein Zusammenhang mit dem auftauenden Permafrost ist wahrscheinlich, jedoch wissenschaftlich noch nicht abschliessend belegt. Das aktualisierte Faktenblatt betont, dass steigende Temperaturen sowohl zur Destabilisierung des Untergrunds als auch zu einer Zunahme von Felsstürzen beitragen könnten und paradoxerweise das Vorrücken des Gletschers gefördert haben könnten.

Vergleich

Der Gletscherabbruch in Blatten erinnert an ähnliche Katastrophen der jüngeren Vergangenheit – etwa den Felssturz am Piz Scerscen im Engadin im April 2024, bei dem eine ähnlich grosse Masse abbrach, jedoch ohne gravierende Schäden. Auch der Felssturz am Pizzo Cengalo 2017, der das Dorf Bondo verwüstete und acht Menschen das Leben kostete, weist Parallelen auf. Noch drastischer war der Kollaps des Kolka-Karmadon-Gletschers im russischen Kaukasus im Jahr 2002, bei dem 125 Menschen ums Leben kamen.

ETH Zürich/ Zürich24