Fu Manchu war ein Sumatra-Orang-Utan im Henry Doorly Zoo in Omaha, Nebraska. In den 1960er-Jahren machte er mehrfach auf sich aufmerksam, als er aus seinem Gehege entkam – auf eine Weise, die zunächst niemand erklären konnte.
Die Türen waren stets verriegelt. Die Pfleger fanden keine Schäden, keine Spuren eines gewaltsamen Ausbruchs. Und doch tauchte Fu Manchu immer wieder ausserhalb seines Geheges auf – meist auf dem Aussengelände des Zoos, in der Nähe anderer Tiere.
Draht in der Lippe
Schliesslich wurde das Rätsel gelöst. Fu Manchu hatte sich ein Stück Draht aus dem Gehege beschafft, vermutlich aus einem Zaun oder einem technischen Element. Diesen Draht versteckte er geschickt zwischen Lippe und Zahnfleisch.
Mit dem Draht gelang es ihm, den Schliessmechanismus der Tür zu manipulieren. Das Schloss war einfach genug gebaut, dass er es durch das Gitter erreichen konnte. Sobald die Wärter den Bereich verliessen, öffnete er die Tür und spazierte hinaus.
Zoodirektor Dr. Lee Simmons beobachtete das Verhalten selbst. Er erkannte, dass Fu Manchu den Draht bewusst aufbewahrte und gezielt nutzte – ein Verhalten, das auf Planung, Werkzeuggebrauch und Problemlösungsfähigkeit hinweist.
Ehrenmitgliedschaft als Schlosser
Die Geschichte sprach sich schnell herum. Wissenschaftler wurden aufmerksam, weil Fu Manchus Verhalten ein frühes Beispiel für kognitives Denken bei Menschenaffen war. Dass ein Tier nicht nur ein Werkzeug benutzt, sondern dieses auch über längere Zeit versteckt aufbewahrt, galt als bemerkenswert.
Fu Manchu wurde dafür sogar mit einer Ehrenmitgliedschaft in der «American Association of Locksmiths» gewürdigt. Die Geschichte wurde mehrfach veröffentlicht und findet sich heute in Lehrbüchern, Vorträgen und zoologischen Fallstudien.
Pionier
Fu Manchus Verhalten wurde als Beleg dafür gesehen, dass Orang-Utans zu zielgerichtetem Handeln fähig sind. Er zeigte Eigeninitiative, Gedächtnisleistung und die Fähigkeit, Werkzeuge kreativ einzusetzen – Fähigkeiten, die man zu dieser Zeit nicht vielen Tierarten zuschrieb.
Sein Fall regte auch die Diskussion darüber an, wie Tiere in Gefangenschaft leben und welche kognitiven Fähigkeiten sie besitzen. Fu Manchu wurde so nicht nur zum Ausbrecher, sondern auch zum Pionier in der Verhaltensforschung.