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07.05.2025
07.05.2025 07:52 Uhr

Rolf Knie verabschiedet sich

«Das Wichtigste ist die Spielfreude»: Rolf Knie verabschiedet sich nach 70 Jahren auf der Bühne mit einem Lächeln. Bild: Linth24
Nach 70 Jahren im Rampenlicht nimmt Rolf Knie Abschied von der Bühne. Im Gespräch blickt der Universalkünstler auf bewegende Momente zurück. Und er wundert sich, weshalb man ihn in Zürich nicht will.

Herr Knie, am 10. Mai fällt der letzte Vorhang. Wie fühlen Sie sich nach so vielen Jahren im Rampenlicht?

Es sind ganze sieben Jahrzehnte, in denen ich auf der Bühne stand. Angefangen habe ich mit fünf Jahren im Zirkus. Während meiner Schulzeit war ich nur in den Ferien nicht in der Manege. Ich habe mich vor rund 16 Millionen Menschen live präsentiert – das entspricht etwa zwei Mal der Schweizer Bevölkerung. Und das Fernsehen zähle ich dabei noch nicht einmal mit.

«Das wichtigste ist die Spielfreude.»
Rolf Knie

Haben Sie heute noch Lampenfieber?

Oh ja! Gerade am Anfang hat man eher weniger Lampenfieber, da hat man nichts zu verlieren. Doch je mehr Erwartungen an dich gestellt werden, desto grösser wird die Nervosität. Heute, fünf Minuten vor Beginn, wenn ich hinter dem Vorhang stehe und das Murmeln aus dem Saal höre, sterbe ich jedes Mal den Heldentod. Es ist ein furchtbares Gefühl. Aber kaum bin ich draussen, ist alles wie weggewaschen. Dann ist es pure Spielfreude, und das ist das Wichtigste.

Was macht den Live-Moment für Sie so besonders?

Live zu spielen, ist für mich das Schönste. Auf der Bühne zu stehen, ist mit nichts zu vergleichen. Im Theater ist jeder Abend anders. Man muss innerhalb von Sekunden spüren, wie das Publikum drauf ist: Zurückhaltend? Aufgeschlossen? Reaktionsfreudig? Diese feine Abstimmung macht die Live-Kunst so besonders. Da ist volle Konzentration gefragt, aber auch Spontanität.

Gab es auch Rückschläge in Ihrer Karriere?

«Man lernt aus den schlechten Zeiten und lebt in den guten. »
Rolf Knie

Aber sicher. Gerade 1974 hatte ich einen harten Einbruch. Ich war schlecht vorbereitet, das Mikrofon funktionierte nicht, Journalisten waren im Publikum, und ich habe meine Nummer gegen die Wand gefahren. Ich bin zurück in die Garderobe und habe alles kurz und klein geschlagen. Danach hatte ich monatelang Angst vor dem Publikum, wollte nicht mehr auftreten. Mein Vater war es, der mich Schritt für Schritt wieder aufgebaut hat. Und das war wichtig. Denn als Clown muss man auch mal scheitern, um zu wachsen. Man lernt aus den schlechten Zeiten und lebt in den guten.

Und welches Erlebnis war ein Höhepunkt für Sie?

Immer wieder der Moment auf der Bühne, wenn ich realisiere: Es funktioniert. Das Publikum reagiert, es lacht, es lebt mit. Diese Spannung davor, sie löst sich in einem unglaublichen Glücksgefühl auf. Das ist unbezahlbar.

«Charleys Tante» das ist Ihr Markenzeichen. Was macht dieses Stück so erfolgreich?

Das Stück lebt vom Ensemble. Ohne gute Mitspieler würde es nicht funktionieren. Mein Regisseur sagt immer: «Ihr müsst Rolf zuspielen.» Und das stimmt. Es ist wie im Fussball: Der Goalie kann nicht aufs Tor stürmen wollen. Jeder hat seine Rolle. Neid zerstört jedes komische Duo. Deshalb zerbrechen viele Teams, weil einer mehr Lacher bekommt als der andere. Aber wahre Komik lebt vom Zusammenspiel.

Funktioniert denn ein Mann im Frauenkostüm noch immer?

«Charleys Tante» hat mir sehr viel bedeutet, schon 1988. Ich spiele dort eine Frau, die eigentlich gar keine sein will. Viele Gags stammen aus meiner Feder, inspiriert von meiner Zirkuserfahrung. Regisseur Franz Matter hat mir damals viel Raum gegeben, zu improvisieren, zu entwickeln. Diese Mischung aus Theater und Clown-Elementen ist das Salz und Pfeffer der Rolle. Und gute Komik ist zeitlos.

«Weshalb wir im Bernhard-Theater nicht spielen dürfen, ist mir ein Rätsel.»
Rolf Knie

Gab es eigentlich nie Überlegungen, «Charleys Tante» wieder am Bernhard-Theater aufzuführen?

Doch, sehr wohl. Mein grösster Erfolg mit «Charleys Tante» war zwischen 1988 und 1990 genau dort. Aber bei der Wiederaufnahme wurde mir nun eine Auftrittsmöglichkeit verweigert, und dies, obwohl das Bernhard-Theater das einzige Boulevard-Theater in Zürich ist. Weshalb wir da nicht spielen dürfen, ist mir ein Rätsel. Eines weiss ich aber: Damit wird der Bevölkerung von Zürich ein Stück Theatergeschichte vorenthalten. Darf dies eine Theaterdirektion? Ich finde: Nein! 

Warum endet die Tournee ausgerechnet in Rapperswil-Jona?

Wir haben dort vor einem Jahr angefangen und wollten dort auch enden. Der Kreis schliesst sich. Das ENTRA war sofort ausverkauft, wir haben vier Mal gespielt. Das ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr. Und das berührt mich.

Was erwartet das Publikum beim letzten Auftritt?

Etwas ganz Besonderes. Eine Überraschung, die ich alleine auf der Bühne umsetze. Mehr verrate ich nicht.

Ist das nun wirklich das Ende Ihrer Bühnenkarriere?

 

«Kreativität kennt kein Alter.»
Rolf Knie

Es ist wirklich finito. Aber ich bleibe aktiv: als Organisator beim Salonspektakel, als Künstler in meiner Galerie. Ich brauche keinen Ruhestand im klassischen Sinn. Kreativität kennt kein Alter.

Sie sind 70 Jahre alt. Wo sehen wir Sie in zehn Jahren?

Wo genau, ist nicht wichtig. Hauptsache gesund, mit Lebensfreude. Diese Welt ist so schnelllebig geworden, dass man kaum weiss, was morgen ist. Vielleicht geht diese Zeit sogar als «Zeit des Wahnsinns» in die Geschichte ein. Technologische Entwicklungen wie künstliche Intelligenz werden noch vieles auf den Kopf stellen. Aber ich bleibe neugierig. Und das ist das Entscheidende.

  • Mit schwungvoller Gestik bringt Rolf Knie das Publikum zum Lachen Bild: Rolf Knie
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  • Maja Brunner und Rolf Knie in "Charleys Tante" Bild: Rolf Knie
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  • Christoph Wettstein und Rolf Knie in "Charleys Tante" Bild: Rolf Knie
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  • Ein Blick hinter die Kulissen: Rolf Knie vor seiner Verwandlung. Bild: Rolf Knie
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  • Mit konzentriertem Blick verwandelt sich Rolf Knie vor dem Spiegel in "Charleys Tante“ Bild: Rolf Knie
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  • Alexandra Seefisch und Rolf Knie in "Charleys Tante" Bild: Rolf Knie
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  • Rolf Knie als Gottfried Knorr und als "Tante“ Bild: Rolf Knie
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  • Rolf Knie als Gottfried Knorr Bild: Rolf Knie
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  • Rolf Knie als "Charleys Tante" Bild: Rolf Knie
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  • Rolf Knie und Maja Brunner in "Charleys Tante" Bild: Rolf Knie
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  • Alexandra Seefisch und Rolf Knie in "Charleys Tante" Bild: Rolf Knie
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Xenia Langenauer, Thomas Renggli