Tobias Hoffmann
Dort, wo sich der Prime-Tower-Smaragd in den westlichen Himmel Zürichs reckt, befindet sich ein industrieller Gebäudekomplex, der aus dem denkmalgeschützten, 1941 erbauten Gebäude K (früher eine Härterei) und einer um 1970 erstellten, direkt angebauten Montagehalle samt Bürohochhaus besteht. Es sind die Reste des Firmenareals der einst weltweit operierenden Maag Zahnräder AG. Zahnradstrasse lautet denn auch die Adresse. Die industrielle Vergangenheit ist aber mit der städtebaulichen Erneuerung in Zürich West immer weiter weggerückt.
Es begann vor rund zwanzig Jahren, als eine Eventfirma die Montagehalle umbaute und damit begann, sie mit Konzerten und Shows zu bespielen und Räume (oder neudeutsch: Locations) für grössere und kleinere Anlässe zu vermieten. Eine erste grosse Transformation durchlief das Maag-Areal vor gut zehn Jahren, als mehrere Industriebauten abgerissen wurden und dem Prime Tower und anderen Bürogebäuden Platz machten.
Angebot für Hunderttausende
2017 bis 2021 baute die Tonhalle Zürich für die Jahre der Renovation ihres Stammbaus in der Enge einen vollständigen Konzertsaal in die eine der beiden Hallen ein, der für seine Akustik weit herum gerühmt wurde. Im Herbst 2021 wandelte sich dieser nach Entfernung der Balkone unter dem Namen Lichthalle Maag zum ersten ständigen Ausstellungsort für immersive Kunst in der Schweiz.
Zurzeit läuft dort die Ausstellung «Leonardo da Vinci. Uomo universale». Die als Maag-Hallen zusammengefassten Veranstaltungsorte, zu denen auch gastronomische Angebote gehören, sind schon länger überregional bekannt und ziehen laut mehreren Quellen jährlich mehr als 300 000 Besucherinnen und Besucher an.
Doch über diesem Hotspot der Zürcher Kultur- und Ausgehszene hängt schon seit Jahren das Damoklesschwert oder prosaischer gesagt: der Abbruchhammer. Die architektonisch besonders wertvolle Härterei ist zwar unantastbar, aber die Tage der benachbarten Maag Music Hall (auf dem Bild oben hell erleuchtet) schienen noch bis vor kurzem definitiv gezählt.
Die Besitzerin des Areals, Swiss Prime Site (SPS), hatte einen Wettbewerb ausgeschrieben und favorisierte das, wie die Zeitschrift «werk» schrieb, «Tabula-Rasa-Projekt» von Sauerbruch Hutton «und nicht das von der Fachjury klar favorisierte Umbauprojekt der Pritzker-Preisträger Lacaton & Vassal», das auf dem Bestand aufgebaut und somit die Industriezeugen erhalten hätte. Mit einer Petition protestierten über 10 000 Personen gegen diesen Entscheid.
Erneuern ja, aber wie?
Nachdem das Projekt dennoch die Baubewilligung erhalten hatte, legten der Zürcher Heimatschutz und die Hamasil-Stiftung vergangenen Sommer Rekurs ein, unter anderem mit dem Hinweis darauf, dass das Areal im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz aufgeführt sei. In der Tat geht es aber um ein äusserst kompliziertes Ineinandergreifen von Sonderbauvorschriften, übergeordneten städtebaulichen Strategien, Lärmvorschriften und der momentan sehr intensiv geführten Grundsatzdiskussion darüber, ob die Erneuerung durch stetiges Abreissen nicht gestoppt und ein Wechsel zum sogenannten Bauen im Bestand vollzogen werden solle.
Kurz vor Pfingsten hat das Baurekursgericht die Diskussion neu angekurbelt, indem es dem Rekurs von Heimatschutz und Hamasil-Stiftung stattgab. Ob das nun dazu führt, dass SPS zu den Plänen von Lacaton & Vassal hinüberwechselt, ist zweifelhaft.
Städtebaulich gibt es wohl für beide Varianten gute Argumente. Das angefeindete Projekt von Sauerbruch Hutton ist wohl weniger innovativ und trendy, aber es würde deutlich bessere Wegbeziehungen, einen Quartierplatz und eine starke Durchgrünung ermöglichen. Die industrielle Prägung des Areals hingegen würde beinahe unkenntlich gemacht.