- Kolumne von Dr. Philipp Gut
Als das Bundesgericht in diesen Tagen gegen eine Zürcher Kantonsrätin urteilte, die kurz nach ihrer Wahl von den Grünliberalen zur FDP übergetreten war, zeigten sich Medien empört über diese Wählertäuschung.
«Politiker dürfen nicht alles», schrieb der Tages-Anzeiger. «Sie dürfen die Wahlbevölkerung zum Beispiel nicht täuschen. Sonst haben sie ihr Amt verwirkt.»
Amt verwirkt?
Das kann man so sehen, ja. Nur: Dieser Fall ist eher harmlos, verglichen mit der permanenten Wählertäuschung durch die Politik.
Wenn das so wäre mit dem Verwirken des Amtes, dann kämen wir aus dem Verwirken ja gar nicht mehr heraus.
Bersets Impflüge
Warum las man solche Forderungen nicht, als Bundesrat Alain Berset (SP) unmittelbar vor einer Covid-Gesetz-Abstimmung wählertäuschend behauptete: «Mit dem Zertifikat kann man zeigen, dass man nicht ansteckend ist»? Hatte sein eigenes Bundesamt für Gesundheit doch zuvor öffentlich festgehalten, dass Geimpfte das Virus genauso weitergeben wie Ungeimpfte.
Zuwanderung «gering»
Warum las man solche Forderungen nicht, als der Bundesrat im Abstimmungsbüchlein zur Abstimmung über die Bilateralen I wählertäuschend behauptete: «Wie die Erfahrungen in der EU zeigen, sind die Ängste (...), die Einwanderung aus EU-Staaten in die Schweiz werde stark zunehmen, nicht begründet: In Wirklichkeit sind die Wanderungsbewegungen innerhalb der EU gering»? Statt der versprochenen maximal 10'000 kamen 70'000 bis 80'000 pro Jahr.
Warum las man solche Forderungen nicht, als das Parlament – Pardon – wählerverarschend die Volksinitiativen zur Masseneinwanderung und zur Ausschaffung krimineller Ausländer nicht umsetzte?
Behördenpropaganda zum Stromgesetz
Oder brandaktuell: Warum liest man solche Forderungen nicht, wenn der Bundesrat in den Erläuterungen zur Volksabstimmung über das Stromgesetz vom 9. Juni wählertäuschend behauptet: «Die Vorlage wahrt die demokratischen Mitsprachemöglichkeiten der Bevölkerung», während die direkte Demokratie auf Gemeindeebene bei Energieanlagen im «nationalen Interesse» faktisch ausgehebelt wird?
Diese Liste liesse sich fortsetzen. Nähme das Bundesgericht seine eigenen Massstäbe wahr, wäre es rund um die Uhr mit unseren Politikern beschäftigt.