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Kanton
04.04.2024

GZO-Finanzkrise: «Wegfall des Spitals wäre verkraftbar»

GZO bekommt kein Geld vom Kanton. Der Regierungsrat sieht die Eigentümerschaft des Spitals in der Pflicht. (Archivbild) Bild: GZO Wetzikon
Der Regierungsrat hat über Gesuche auf finanzielle Unterstützung des Universitäts-Kinderspitals Zürich und des Spitals Wetzikon entschieden. Dem Universitäts-Kinderspital gewährt der Regierungsrat unter Auflagen eine Erhöhung des bestehenden Kantonsdarlehens um 100 Mio. Das Gesuch des Spitals Wetzikon zur Gewährung einer finanziellen Unterstützung in Höhe von 180 Mio. Franken wurde hingegen abgewiesen.

Der Regierungsrat hat über Gesuche auf finanzielle Unterstützung des Universitäts-Kinderspitals Zürich und des Spitals Wetzikon entschieden.  Dem Universitäts-Kinderspital gewährt der Regierungsrat unter Auflagen eine Erhöhung des bestehenden Kantonsdarlehens um 100 Mio. Franken und spricht für das Jahr 2024 eine Subvention von maximal 35 Mio. Franken. Das Gesuch des Spitals Wetzikon zur Gewährung einer finanziellen Unterstützung in Höhe von 180 Mio. Franken wurde abgewiesen.

Der Kanton hat den gesetzlichen Auftrag, eine bedarfsgerechte, qualitativ hochstehende und wirtschaftliche Versorgung von stationären medizinischen Leistungen sicherzustellen. Die Sicherstellung der finanziellen Stabilität eines einzelnen Spitals ist Aufgabe der Führung und der Trägerschaft des Spitals.

Kinderspital bekommt Geld, GZO nicht

Der Regierungsrat hat beschlossen, dem Gesuch auf finanzielle Unterstützung der Eleonorenstiftung zuzustimmen und zusätzliche finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Die Begründung: Die private Trägerin des Universitäts-Kinderspitals Zürich gelte für die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen im Kanton und darüber hinaus als unverzichtbar.

Das Gesuch der GZO AG Spital Wetzikon wurde jedoch abgewiesen, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die geforderte finanzielle Unterstützung in Höhe von 180 Mio. Franken nicht erfüllt seien.

«Der Wegfall eines einzelnen Spitals in der Grössenordnung und der Versorgungskategorie des GZO ist Stand heute für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung im Kanton Zürich verkraftbar.»
Regierungsrat Kanton Zürich

Gesetzliche Anforderungen nicht erfüllt

Die GZO AG Spital Wetzikon (GZO), deren Aktionäre 12 Gemeinden des Zürcher Oberlands sind, muss im Juni 2024 eine im Jahr 2014 zur Finanzierung des Neubaus ausgegebene Obligationenanleihe in Höhe von 170 Mio. Franken ablösen.

In der eigenen Lagebeurteilung kam das GZO im Jahr 2022 zum Schluss, dass als Voraussetzung für diese Refinanzierung die Eigenkapital-Situation zu verbessern sei. Dies ist bisher nicht gelungen. Gleichzeitig hat sich die Finanzsituation des GZO in den Jahren 2022 und 2023 im Zusammenhang mit den schwierigen Marktbedingungen deutlich verschlechtert.

Zwar wäre gemäss GZO ein strategischer Investor bereit, einen namhaften 2-stelligen Millionenbetrag einzuschiessen, dies unter der Bedingung, dass die Refinanzierung der im Juni 2024 auslaufenden Obligationenanleihe gesichert sei. Aufgrund der aktuellen Bilanz- und Ertragssituation des GZO sei eine Refinanzierung dieser Anleihe über den Kapital- und Kreditmarkt nicht möglich. Das GZO hat deshalb Anfang Februar 2024 beim Regierungsrat ein Gesuch um Gewährung eines Darlehens oder einer Garantie in Höhe von 180 Mio. Franken eingereicht.

«Weder der Neubau des GZO noch die bestehenden Spitalgebäude, deren Renovation geplant ist, sind für die Spitalversorgung der Bevölkerung des Kantons Zürich notwendig.»
Regierungsrat Kanton Zürich

In 30 Minuten bei einem anderen Notfall-Spital

Das GZO steht mit einem umfassenden Leistungsangebot auf der Zürcher Spitalliste Akutsomatik. Es weise in den medizinischen Fachgebieten Urologie, Gynäkologie und Geburtshilfe sowie in der Notfallversorgung im kantonalen Vergleich relativ hohe Fallzahlen auf, während in den anderen Leistungsgruppen die Fallzahlen eher tief seien.

Nach derzeitiger Einschätzung des Regierungsrates wären die aktuell durch das GZO erbrachten Fälle bei dessen Schliessung in den meisten Leistungsgruppen bereits kurzfristig, in jedem Fall aber mittel- und langfristig, gut von anderen Spitälern zu erbringen. Bei einigen Leistungen wäre kurzfristig mit leicht erhöhten Wartezeiten und teilweise mit einer weiteren Anreise zu rechnen.

Nach aktuellen Analysen wäre aber gewährleistet, dass Einwohnerinnen und Einwohner im Einzugsgebiet des GZO auch bei einem allfälligen Wegfall des Spitals innerhalb von 30 Minuten Fahrzeit mit dem Privatverkehr ein Spital mit Notfallstation erreichen könnten. Der Wegfall eines einzelnen Spitals in der Grössenordnung und der Versorgungskategorie des GZO sei Stand heute für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung im Kantons Zürich verkraftbar.

«Neubau nicht zwingend erforderlich»

Das GZO sei damit nicht als «unverzichtbar» einzustufen. Auch seien weder der Neubau des GZO noch die bestehenden Spitalgebäude, deren Renovation geplant ist, für die Spitalversorgung der Bevölkerung des Kantons Zürich notwendig. Ebenso wenig sei das sich im Bau befindliche neue Gebäude zwingend erforderlich, damit das Spital seine Leistungsaufträge gemäss Zürcher Spitalliste 2023 Akutsomatik erfüllen könne.

Der Regierungsrat hat deshalb entschieden, das Gesuch des GZO um Gewährung eines Darlehens oder einer Garantie in Höhe von 180 Mio. Franken abzuweisen. Der Regierungsrat sieht die Eigentümerschaft des Spitals in der Pflicht, die finanzielle Stabilität sicherzustellen.

Für den Fall, dass das GZO keine alternative Finanzierungslösung finde und die Einstellung des Spitalbetriebs durch das GZO unausweichlich werden sollte, werde die Gesundheitsdirektion in Zusammenarbeit mit dem GZO und den anderen Spitälern Massnahmen treffen, um für die Bevölkerung im Zürcher Oberland weiterhin eine qualitativ hochstehende und bedarfsgerechte Spitalversorgung sicherzustellen.

«Die GZO AG Spital Wetzikon ist weder überschuldet noch illiquid. Der laufende Betrieb der medizinischen Grundversorgung und die Mitarbeiterlöhne sind sichergestellt.»
Jörg Kündig, Verwaltungsratspräsident GZO Spital Wetzikon AG

Laufender Betrieb ist sichergestellt

Verwaltungsratspräsident vom GZO Spital Wetzikon, Jörg Kündig, wird in der Mitteilung des GZO Spitals wie folgt zitiert: «Die GZO AG Spital Wetzikon ist weder überschuldet noch illiquid.» Die Aktionärsgemeinden stünden voll und ganz hinter ihnen. «Wir setzen alles daran, eine Lösung für die Refinanzierung der Anleihe zu finden. Der laufende Betrieb der medizinischen Grundversorgung und die Mitarbeiterlöhne sind sichergestellt», fügt er an.

Der Verwaltungsrat, der seit längerem mit den Aktionärsgemeinden, Finanzpartnern und Drittinvestoren im Austausch sei, prüfe nun weitere Optionen, wozu auch die Möglichkeit einer Nachlass-Stundung zähle.

Es seien Änderungen im System gefragt. Zahlreiche Spitäler im Kanton Zürich und in der gesamten Schweiz seien trotz einer effizient erbrachten und qualitativ hochstehenden Leistung in einer ähnlichen Situation, die unter anderem auf steigende Kosten und durch Fallkostenpauschalen (DRG) plafonierte Erträge zurückzuführen sei. Dies lasse sich ohne Änderungen im System nicht beheben.

Die Eigenkapitalausstattung vieler Spitäler sei nach den heutigen Unternehmensfinanzierungs-Grundsätzen ungenügend, was in Verbindung mit einer sinkenden Rentabilität eine Kapitalbeschaffung erschwere, wenn nicht verhindere. Dies sei einer der Gründe gewesen, warum der Kanton Zürich beim Erlass des SPFG die Möglichkeit eines Darlehens oder einer Staatsgarantie vorgesehen hatte. Sämtliche bisher von der GZO AG Spital Wetzikon kontaktierten Finanzpartner hätten deshalb eine Staatsgarantie gefordert.

Kispi-Neubau viel teurer

Das Universitäts-Kinderspital Zürich (Kispi) bezieht im Herbst 2024 seinen Neubau. Um diesen zu realisieren, sprach der Regierungsrat in den Jahren 2013 und 2015 Darlehen im Umfang von 150 Mio. Franken.

Aufgrund erheblicher Kostensteigerungen beim Neubau, die vor allem durch Lieferengpässe und Verzögerungen während der Pandemie, die Teuerung und Projekterweiterungen verursacht worden seien, ersuchte die Eleonorenstiftung im November 2023 den Kanton Zürich um eine Erhöhung des bestehenden Darlehens um weitere 100 Mio. Franken. Darüber hinaus beantragte sie zur teilweisen Deckung der im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme des Neubaus entstehenden Zusatzkosten für das Spital eine Subvention von 70 Mio. Franken. Ohne zusätzliche finanzielle Mittel wäre angesichts der erwarteten Baurechnungen sowie der Zusatzkosten im Betrieb die Zahlungsfähigkeit ab Mitte 2024 nicht mehr gewährleistet.

Die Gesundheitsdirektion beauftragte eine externe Revisionsgesellschaft damit, die finanzielle Lage und den Businessplan der Stiftung zu prüfen und zu plausibilisieren. Aus dieser Prüfung gehe hervor, dass die Eleonorenstiftung ihr Vermögen zur Deckung der gestiegenen Baukosten und der Defizite des Spitalbetriebs aufgebraucht habe. Sie könne – abgesehen von Spendenerträgen – keine weiteren Eigenmittel zur Finanzierung des Spitalbetriebs und des Neubaus einbringen.

Aufgrund der durch die Finanzlage bedingten fehlenden Kreditwürdigkeit könne sie kurzfristig auch kein zusätzliches Fremdkapital von Dritten aufnehmen. Die im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme des Neubaus entstehenden Zusatzkosten (u.a. Parallelbetrieb, anfängliche Produktivitätsverluste, Vorleistungen) würden die Jahresrechnung zusätzlich belasten. Für die kommenden Jahre werden deshalb betriebliche Defizite erwartet. Des Weiteren muss das Spital im Jahr 2028 eine Anleihe über 200 Mio. Franken refinanzieren. Voraussetzung dafür ist eine solide Eigenkapitalbasis.

«Kispi unverzichtbar»

Mit jährlich rund 8000 stationären Fällen behandelt das Kispi rund die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen (ausgenommen Neugeborene) im Kanton Zürich. Zudem werden jährlich rund 140'000 ambulante und rund 42'000 Notfallkonsultationen durchgeführt. Auf der Zürcher Spitalliste ist das Kispi der einzige Anbieter hochspezialisierter pädiatrischer und kinderchirurgischer Behandlungen und Untersuchungen im Kanton Zürich.

Das Kispi sei auch über den Kanton Zürich hinaus von zentraler Bedeutung, schreibt der Regierungsrat in seiner Mitteilung. Es verfügt als einziges Kinderspital in der Deutschschweiz über bestimmte Versorgungsaufträge der Interkantonalen Spitalliste der hochspezialisierten Medizin (z.B. Verbrennungen, spezielle Abklärungen bei angeborenen Immunsystemstörungen, onkologische Spezialgebiete). Auch stehe das Kispi als Leistungserbringer auf verschiedenen Spitallisten anderer Kantone.

Mit seinem universitären Lehr- und Forschungsauftrag und als Klinik engagiere es sich zudem in der Aus- und Weiterbildung angehender Kinderärztinnen und -ärzte sowie bei der Erforschung von Kinderkrankheiten und ihren Therapien. «Das Kispi ist daher heute und auch inskünftig für die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen im Sinne des Spitalplanungs- und -finanzierungsgesetzes (SPFG) unverzichtbar und im Sinne der Spitalplanung versorgungsrelevant.»

Darlehen wird um 100 Mio. Franken erhöht

Aus diesem Grund habe der Regierungsrat entschieden, dem Kinderspital eine Erhöhung des bestehenden Kantonsdarlehens um 100 Mio. Franken auf 250 Mio. Franken zu gewähren. Das Darlehen werde verzinst und über eine Laufzeit von 25 Jahre amortisiert.

Zudem habe der Regierungsrat dem Kispi eine Subvention für das Jahr 2024 in Höhe von maximal 35 Mio. Franken zugesichert. Damit könne der Bau fertiggestellt und der Spitalbetrieb gewährleistet werden. Zudem werde die Basis für eine Stabilisierung der Finanzierung des Spitals gelegt.

Über eine weitere Subvention von höchstens 25 Mio. Franken entscheide der Regierungsrat auf Gesuch der Eleonorenstiftung und auf der Grundlage eines rollierenden Finanzreportings sowie unter der Berücksichtigung der Auflagen, an welche der Kanton die finanzielle Unterstützung knüpft. Die Budgetmittel für die vom Regierungsrat genehmigte Finanzierung müssen noch vom Kantonsrat bewilligt werden.

Finanzielle fürs Kispi an Auflagen gebunden

Im Rahmen einer unabhängigen Untersuchung würden die Hauptursachen für die heutige finanzielle Lage, die Governance der Eleonorenstiftung sowie die Struktur des Kinderspitals untersucht, so der Regierungsrat weiter. Allfällige Erkenntnisse würden «zeitnah umgesetzt».

Die Stiftung sei weiter verpflichtet, der Gesundheitsdirektion bis im September 2024 geeignete Massnahmen zum Umgang mit den identifizierten Risiken im Businessplan sowie zur kurzfristigen Ergebnisverbesserung vorzulegen mit dem Ziel, dass ab 2026 keine weiteren Kantonsbeiträge erforderlich sind. Die Stiftung prüfe zudem Kooperationsmöglichkeiten und Synergiepotenziale des Kispi mit dem Universitätsspital Zürich.

Zürioberland24/bt