Von Widersprüchen geprägt
Am 15. September 2022 erhielt Ital von Reding einen Anruf vom Revierförster Peter Eggli. Er müsse bis Ende Dezember den mobilen Bauwagen wieder entfernen, was so bereits mit der Gemeinde Beringen und dem Kanton abgesprochen sei. Um sich zu vergewissern, ging der Naturliebhaber am nächsten Tag auf die Gemeinde und stellte erstaunt fest, dass diese keine Kenntnis davon hatte. Inwieweit die folgenden Ereignisse in Zusammenhang stehen, kann nicht abschliessend beantwortet werden. Zwei Wochen später wurde sein Privatgrundstück unbefugt betreten und sein Bauwagen massiv beschädigt. «Ich konnte es selbst kaum fassen und frage mich ständig, was in den Köpfen der Menschen vor sich geht, um so eine niederträchtige Tat zu begehen», sagt Ital von Reding schon fast im verzweifelten Ton. Er wisse, dass er einen Fehler gemacht und versäumt hat, eine Baubewilligung einzuholen, doch hätte er auf keinen Fall mit einem solch grossen Widerstand gerechnet. Einen Monat später holte er pflichtbewusst sein Versäumnis nach und reichte ein nachträgliches Baugesuch ein. Man könnte meinen, dass jetzt alles seinen gewohnten Verlauf nehmen würde, doch Ital von Reding wartete vergeblich auf den Bescheid. Also hakte er bei der Gemeinde nach und die meinten lapidar, dass sein Baugesuch nirgends zu finden sei und er doch einfach nochmals ein Baugesuch einreichen solle. Wie dem auch war, kam der Rentner dieser Pflicht erneut nach und stellte mit Erstaunen fest, dass sich sein mobiler Bauwagen gemäss Protokollauszug des Gemeinderats vom 8. Mai 2023 in der Waldzone befinde und demnach nicht zonenkonform sei. Schliesslich hatte er sich doch vorab beim ehemaligen Neuhauser Baureferenten und guten Freund Franz Baumann abgesichert, der aufgrund des Kaufvertrags (Ackerland) zum Schluss kam, dass sein Grundstück als Landwirtschaftszone zu betrachten sei. Deshalb hat der «Bock» den Artikel 16 im Raumplanungsgesetz zu Rate gezogen, welcher besagt, dass Landwirtschaftszonen zur langfristigen Sicherung des ökologischen Ausgleichs dienen sollen. Weiterführend dazu der Artikel 16a: Bauten und Anlagen, die zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung nötig sind, gelten in der Landwirtschaftszone als zonenkonform. Wir wechselten die Quelle und erkundigten uns beim aktuellen Neuhauser Baureferenten Christian Di Ronco, der eine neutrale und unvoreingenommene Sichtweise vertrat. «Es kann sein, dass, wenn sich ein Grundstück in Waldnähe befindet und nicht entsprechend unterhalten wird, der Wald sich auf das angrenzende Grundstück erweitert. Dadurch könnte diese Teilfläche des Grundstücks zu Wald werden. Dies aber nur, wenn es der Förster oder sonst jemand feststellt. Wenn nicht, bleibt es Landwirtschaftsland. Dem Besitzer muss eine allfällige Umzonung angezeigt werden». Also hakte der «Bock» bei Ital von Reding nach und dieser entgegnete entschlossen, dass er bis vor kurzem davon ausgegangen sei, landwirtschaftlichen Boden erworben zu haben und nie eine Verfügung oder eine Information erhalten habe, welche die Umzonung bestätigt. Nun wollten wir es genau wissen und fragten beim Kantonsforstmeister Urban Brütsch nach. «Ich habe es abgeklärt und sein Grundstück befindet sich schon seit über 40 Jahren in einer Waldzone». Wie kann es also sein, dass er 1993 gemäss Grundbuchamt Landwirtschaftszone erworben hat? «In diesem Fall müsste man den Eintrag im Grundbuchamt korrigieren». Ein Auszug aus dem Grundbuchamt vom 2. Februar 2023 belegt nun, dass der Käufer 7,34 Aren Land besitzt, welche in 11 Quadratmetern Strasse und Weg sowie in 723 Quadratmetern geschlossenem Wald aufgeteilt sind. Wieso jetzt hier wieder eine Diskrepanz von 2 Quadratmetern (Kaufvertrag mit 7,36 Aren gekennzeichnet) herrscht, ist auch nicht ganz nachzuvollziehen. Ital von Reding stellt ganz klar fest: «Unter diesen Voraussetzungen hätte ich wohl kaum das Grundstück gekauft. In erster Linie war es mir wichtig, die Artenvielfalt zu fördern, was in der Waldzone mit erheblichen Beeinträchtigungen kaum realisierbar gewesen wäre». Wiederum bei der Zentralverwaltung der Gemeinde Beringen zahlt er seit dem Kauf Gütersteuern auf 7,36 Aren Feld.
Ist Willkür im Spiel?
Wie dem auch sei, wurde sein Gesuch am 3. März dieses Jahres im Amtsblatt ausgeschrieben und ab diesem Datum während 30 Tagen öffentlich ausgelegt. Während dieser Frist meldete sich lediglich Thomas Wetter von der Jagdgesellschaft Beringen Nord-West, der bei Ital von Reding buchstäblich für Unwetter sorgte. Zitat aus dem Protokoll: «Wir Jäger stellen eine ständig zunehmende Beunruhigung der Lebewesen im Walde fest. Die Argumentation pro Projekt ist lächerlich. Um Vögel und Wildbienen beobachten zu können, braucht es diese Baute nicht». Diese Argumentation stiess bei Ital von Reding auf Zorn. «Mein wohlwollendes Projekt als lächerlich abzustempeln, obwohl verschiedene Empfehlungsschreiben von Naturschutzvereinen das Gegenteil belegen und mein mobiler Bauwagen einen wertvollen Beitrag zur schulischen Bildung leistet, lasse ich nicht auf mir sitzen». Dazu schrieb Florian Wohlwend, Mitglied der Beringer Schulleitung: «Es würde mich freuen, wenn dieses Projekt längerfristig bestehen bleibt und dadurch die Schüler:innen die Möglichkeit erhalten, Wildtiere in nächster Nähe beobachten zu können». Ebenso schrieb Clemens Gnädinger vom Vogel- und Naturschutzverein turdus aus Schaffhausen: «Es hat mich ausserordentlich gefreut, zu sehen, was sie auf ihrem Grundstück mit so viel Herzblut in stundenlanger Arbeit für die Biodiversität geleistet haben. Gefährdete Wildbienen oder auch Vögel wie der Steinkauz sind auf solche Lebensräume angewiesen». Auch die Gemeinde Beringen fand positive Aspekte wie die Förderung der Biodiversität sowie gefährdeter Wildbienen- und Vogelarten, Aufwertung der Qualität von Natur und Landschaft und die Sensibilisierung von Schulklassen für die aufgezählten Punkte. Dagegen spreche, dass die Anlage nicht zonenkonform sei. Die Gemeinde stellte zusätzlich klar, dass Anträge auf Ausnahmebewilligungen im Waldgebiet immer mehr zunehmen und sie deshalb auf ein Minimalmass reduziert werden müssen. Und weil der Gemeinderat den Schutz des Waldes und die Gleichbehandlung der Gesuche höher gewichtet, riet sie dem Baudepartement des Kantons Schaffhausen, keine Ausnahmebewilligung zu erteilen. Ein Schlag ins Gesicht für Ital von Reding. «Noch im Jahr 2012 habe ich auf meinem Privatgrundstück abgeholzt, um durch das erneute Aufforsten mit diversen Bäumen eine Blütenvielfalt zu schaffen. Dabei wurde mir vom Forstamt der Gemeinde Beringen Kahlschlag vorgeworfen und zur Anzeige gebracht, da gemäss geltendem Waldgesetz der Kahlschlag verboten ist. Erstaunlicherweise wurde die Anzeige aus unbekannten Gründen zurückgezogen». Aus der Verfügung vom kantonalen Baudepartement geht zudem hervor, dass bei der Kantonalen Natur- und Heimatschutzkommission die Rede von Rodung war, und es wurde bezweifelt, dass Wildbienen diese Förderung benötigen oder seltene Vogelarten diese Anlage überhaupt beanspruchen. Das Grundstück mit der Nummer 1084 sorgt auf jeden Fall für Diskussionsstoff. «Es wäre zumindest nicht das erste Mal, dass es im Kanton nicht mit rechten Dingen zu und her geht», ergänzt René Lauchenauer, der sich während dieser Aussage durch die Dokumente wühlt, um dem «Bock» den Schandfleck in Siblingen zu präsentieren. «Während man in Beringen einen Rentner quält, drückt man in Siblingen, ebenfalls auf einem Privatgrundstück, beide Augen zu und lässt die Umweltverschmutzung ihren Lauf nehmen». Um sich selbst ein Bild von der Situation zu machen, wird der «Bock» von den Herren gebeten, mal vorbeizuschauen.
Vom Blickwinkel des «Bocks»
An einem Samstagmorgen kommt der «Bock» dieser Bitte nach und trifft Ital von Reding und René Lauchenauer auf dem Parkplatz der evangelischen Kirche in Beringen. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zum Grundstück mit der Nummer 1084, welches sich nahe des Waldrandgebiets befindet. Schnell wird klar, wieso die Naturschutzvereine sowie die Gemeinde-schule dieses Projekt so sehr loben. Während wir gerade eine Wildbiene dabei beobachten, wie sie von einer Blume zur anderen fliegt und sich am Nektar erfreut, blickt der Naturliebhaber immer wieder ins Leere. Er ist sichtlich gezeichnet von dem ganzen Hürdenlauf, was paradoxerweise überhaupt nicht dem Konsens «tue Gutes und Gutes wird dir begegnen» entspricht. Als sich Ital von Reding wieder gefangen hat, präsentiert er uns voller Stolz seinen mobilen Bauwagen, den er zur schulischen Weiterbildung umfunktioniert hat. Regelmässig kommen Schulklassen, welche einen eigenen Schlüssel besitzen, um sich selbständig mit der biologischen Vielfalt zu befassen. Nachdem wir noch eine Weile die malerische Landschaft bewundert und die ruhige Atmosphäre auf uns wirken gelassen haben, geht es weiter nach Siblingen, an eine Stelle, welche im krassen Kontrast zu diesem Projekt steht. «Natürlich kann man diese Fälle nicht vergleichen, aber ich bekomme immer mehr das Gefühl, dass gleiches Recht nun mal nicht für alle gilt. Vorschriften werden willkürlich gebeugt und wer nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügt, um sich zu wehren, kann sogleich den Bettel hinwerfen – ein ewiges David gegen Goliath-Spiel», lässt René Lauchenauer nochmals seinem Frust freien Lauf. Nach einer kurzen Autofahrt machen wir uns auf eine kleine Wanderung Richtung Tatort. Dabei kann beobachtet werden, wie sehr Ital von Reding die Natur am Herzen liegt. Er nimmt seine Umgebung wahr und räumt immer mal wieder Äste vom Wanderweg auf. Auch als wir ein Geräusch vernehmen, erklärt er uns voller Enthusiasmus, dass es sich um einen Specht handelt, der mit erheblichem Kraftaufwand und Ausdauer mit seinem Schnabel gegen einen Baumstamm klopft. Schliesslich verkündet uns ein Graffitischriftzug auf einem Wellblech: «Bitte wegräumen!», dass wir am Ziel angekommen sind. Zugegeben, mit einem solchen Ausmass hat selbst der «Bock» nicht gerechnet. Auf dem Privatgrundstück häufen sich Sachen, welche in einem schützenswerten Wald definitiv nichts zu suchen haben. Nicht identifizierbare Stoffe in Kanistern mit dem Hinweis auf Brandgefahr, herumliegende scharfe Gegenstände, Fässer, Geschirr aus diversen Materialien und die Liste scheint endlos weiterzugehen. «Ich habe bereits im Jahr 2021 die Polizeistation Klettgau mit dieser Verunreinigung konfrontiert und lediglich die Antwort erhalten, dass man da nichts machen könne, weil es Privatgrundstück ist. Zwei Jahre später stehen wir nun da und es hat sich immer noch nichts getan», sagte René Lauchenauer. Also hat der «Bock» die Gemeindepräsidentin aus Siblingen um eine Stellungnahme gebeten. «Ich muss gestehen, dass uns der Zustand sehr wohl bekannt ist und wir nun die nötigen Schritte unternommen haben, um diesen Müll zu beseitigen», stellte Karin Spengler klar. Damit meint sie, dass ein Auftrag mit einer gesetzten Frist zur Räumung an die für die Vermietung verantwortliche Person erteilt wurde. «Solche Fälle gestalten sich immer als langwierige Prozesse, wenn es sich um ein Privatgrundstück und um den privaten Besitz eines Mietenden handelt». Hätte die Gemeinde aber nicht viel früher intervenieren sollen? «Die Angelegenheit wurde schon früher diskutiert, aber bedauerlicherweise wurde zu wenig aktiv gehandelt». Unter der Federführung von Karin Spengler, welche seit 2023 als Gemeindepräsidentin im Amt ist, soll sich das nun ändern. «Bis Ende nächsten Jahres sollte die Situation bereinigt sein», verspricht sie. Fälle wie dieser sind keine Seltenheit. Flucht, Schicksalsschläge sowie Überalterung machen vielen Gemeinden zu schaffen. Sanierungsbedürftige und verwahrloste Gebäude werden ihrem Schicksal überlassen und das Grundstück, wie im vorliegenden Fall, wird zum Sicherheitsrisiko. In der Zwischenzeit haben wir uns auf den Rückweg aufgemacht und führen eine tiefsinnige Diskussion nach der Frage der Gerechtigkeit. Für René Lauchenauer steht fest, dass den Förstern und Jägern in der Gegend dieser Schandfleck sicherlich auch bekannt ist, aber sie befassten sich lieber mit Zonenkonformität als der offensichtlichen Verschmutzung der Natur. «Wo bleibt also hier die Gerechtigkeit?», echauffiert er sich.