Roger Suter
Im Hangar gab es elektrisch betriebene Flugzeuge mit Batterien statt Tanks, Brennstoffzellen oder das Projekt, aus Sonnenlicht, Methan und Kohlendioxid Treibstoff herzustellen.
Seit 75 Jahren wird in Kloten geflogen. Aber wie wird die Fliegerei in 75 Jahren aussehen? Anders, so viel ist sicher. Im grossen Hangar zeigten verschiedene Aussteller am vergangenen Wochenende, in welche Richtung es geht.
Anders als beim Bodenverkehr ist beim Fliegen elektrischer Strom als Energiequelle mit einem grossen Handicap behaftet: Die heutigen Batterien sind schwer und werden im Gegensatz zu einem Treibstofftank auch nicht leichter, wenn sie geleert werden. Dieser Antriebsart sind also technische Grenzen gesetzt. Dennoch tüftelt eine Gruppe von angehenden Maschineningenieuren der ETH zusammen mit Partnerfirmen seit 2020 an elektrisch betriebenen Klein- beziehungsweise Sportflugzeugen. Ein erstes Resultat des Vereins «Cellsius» ist die «e-Sling», welche 2022 seinen Erstflug absolvierte. Die 20 Studenten entwickelten den kompletten Antriebsstrang neu, von den 19 Batteriemodulen mit 224 Kilo Gewicht in den Flügeln über den Wechselrichter und den 104-kW-Elektromotor bis zum Kühlsystem. Das Ganze bauten sie in den selbst montierten Flugzeugbausatz vom Typ «Sling» ein. Er fasst vier Personen und vermag eineinviertel Stunden zu fliegen.
Einen Schritt weiter gehen die Kollegen von «Cellsius H2» nebenan: Sie tüfteln im selben Hangar im Flugplatz Dübendorf an einer Brennstoffzelle, welche aus gasförmigem Wasserstoff (chemisch H2) Strom gewinnen und die Reichweite des «e-Sling» von 180 Kilometern entscheidend erweitern soll. Die bisher erreichte 65-kW-Leistung reicht noch knapp nicht, den «e-Sling» abheben zu lassen.
Greifbarer als die elektrische ist die herkömmliche Energiequelle aus flüssigem Treibstoff. Erprobt werden derzeit verschiedene «Sustainable Aviation Fuels», nachhaltige Flugzeugtreibstoffe oder kurz SAF. Diese werden aber nicht mehr aus fossilem Erdöl, sondern beispielsweise aus Kohlendioxid und Sonnenlicht gewonnen werden. Philipp Furler, CEO und Gründer der Firma Synhelion, vertritt den Ansatz, mit Hitze aus Sonnenenergie die Verbrennung sozusagen umzukehren. Dazu werden in einer ersten, kleineren Industrieanlage in Deutschland 1500 Quadratmeter Spiegel bei jedem Sonnenstand so ausgerichtet, dass sie das Licht in einem Reaktor bündeln und so über 1000 Grad Hitze erzeugen. Unter diesen Bedingungen lässt sich aus Methan und CO2 aus einer nahen Papiermühle sowie Wasser zuerst ein Synthesegas aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid und danach wieder flüssiger Treibstoff herstellen – Kerosin genauso wie Benzin oder Diesel. «Der Kreislauf ist geschlossen», so Furler, «es gelangt kein zusätzliches CO2 in die Atmosphäre.»
Von der ETH-Theorie zur Praxis
Der Vorteil von herkömmlichen wie auch SAF-Treibstoffen sei eine grosse Energiemenge, welche sie speichern würden. Entsprechend benötigt man auch für ihre Herstellung viel Energie, die bestenfalls nachhaltig und günstig sein muss. «Die Luftfahrt verbraucht global jährlich etwa 300 Millionen Tonnen Kerosin», so Furler, «das wir in den nächsten Jahrzehnten zumindest teilweise ersetzen müssen.»
Entstanden ist die Firma Synhelion aus der ETH Zürich, wo die ersten kleinen Labor-Experimente zur Umkehr des Verbrennungsprozesses durchgeführt wurden. Inzwischen ist die bereits erwähnte Anlage im deutschen Jülich unweit von Köln im Bau und soll nächstes Jahr in Betrieb gehen. Sie wird nicht kommerziell betrieben, sondern dient dazu, Erfahrungen zu sammeln. «Wir werden pro Jahr einige tausend Liter SAF herstellen und mit unseren Pionier-Schlüsselkunden – wie der Swiss und dem Flughafen Zürich – verwenden», so Philipp Furler.
Eine grössere Anlage im sonnenreichen Spanien ist in Planung. Sie soll zehnmal grösser werden, 1000 Tonnen SAF herstellen können und Ende 2025 in Betrieb gehen. Die übernächste Anlage soll dann wiederum 30- bis 50-mal grösser und auch wirtschaftlich interessant werden. In etwa 10 Jahren will man so rund 1 Million Tonnen SAF produzieren – mehr als die Hälfte des Schweizer Verbrauchs, bis 2040 die Hälfte des europäischen.
Weil dafür grosse Investitionen nötig sind, sei Sicherheit wichtig, betont CEO Furler: etwa die Beimischungsquote von vorerst 2 Prozent SAF zu herkömmlichem Kerosin, wie sie die EU-Kommission vorschlägt und welche bis 2050 auf 70 Prozent steigen soll.
Eine Hürde ist dabei die noch mangelnde Transparenz bei der Herstellung von SAF: Es wäre kontraproduktiv, wenn etwa aus billigem Palmöl teurer Treibstoff gewonnen würde. «Nur mit dem Nachweis der Nachhaltigkeit lässt sich der höhere Preis beim Kunden rechtfertigen», so Furler.
Swiss leistet Starthilfe
Die Swiss sei dabei ein wichtiger Partner, indem sie als eine der ersten Abnehmerin die Bewilligung für die Anlagen überhaupt ermögliche, so Furler. Melanie Heiniger, verantwortlich für Corporate Responsibility bei der Swiss, stellte die weiteren Hebel vor, mit denen man die CO2-Emissionen bis 2030 halbieren und bis 2050 auf Netto Null senken will – mit modernen Flugzeugen, sparsamen Flugrouten und -verfahren, die auch international Anwendung finden sollen, sowie der «Aero-Shark»-Technologie: Eine dünne Plastikfolie, welche der leicht rauen Haihaut nachempfunden ist, optimiert die Aerodynamik und senkt den CO2-Ausstoss der 12 Boeing 777 bereits um 15 000 Tonnen pro Jahr.
Emanuel Fleuti leitet am Flughafen das Team «Nachhaltigkeit und Umwelt». Obwohl der Flughafen selber keine Flugzeuge betreibt und nur ein halbes Prozent der CO2-Emissionen vor Ort verursacht (98 Prozent stammen aus dem Flugverkehr), kümmert er sich aber um sämtliche Voraussetzungen wie beispielsweise um die Zollbestimmungen, um solche SAF überhaupt einführen zu können, was vor drei Jahren noch gar nicht möglich war. «Wasserstoffantriebe sind unter anderem bei Airbus in der Entwicklung», so Fleuti. Bis zur Serienreife in vielleicht 15 oder 20 Jahren will man die Chancen nutzen, mit bestehender Infrastruktur beigemischte SAF in vorhandenen Flugzeugen zu verwenden. «Das ist entscheidend, um die Kosten von Anfang an möglichst tief zu halten.» Denn noch kosten biogene SAF 4- bis 6-mal mehr als herkömmliches Kerosin, synthetische sind noch etwas teurer.