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Schweiz
12.08.2023

Doppelspurrigkeiten bei Meteo

Schlechtes Wetter am Flughafen im Jahr 1995. Seither hat sich die Wetterabteilung von SRF zur grossen Konkurrenz des staatlichen Wetterdienstes Meteo Schweiz (Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie) entwickelt. Bild: Bild ETH Fotoarchiv/ Comet
«Wir machen es lieber selbst», sagt Thomas Bucheli, Leiter von SRF Meteo zur Kritik an Doppelspurigkeiten von «SRF Meteo» und dem staatlichen «Meteo Schweiz».

Thomas Bucheli, Leiter von SRF Meteo, wehrt sich dagegen, dass es für den Gebührenzahler teure Doppelspurigkeiten gebe mit dem staatlichen Wetterdienst von Meteo Schweiz. «Das ist der Markt», findet der Meteorologe. Meteo Schweiz hingegen wäre bereit, Prognosen auch für SRF bereitzustellen.

Für den Laien wichtig ist, wie das Wetter heute und morgen wird. Vielleicht noch, wie die Aussichten fürs Wochenende sind. Waren früher die Wetterprognosen im Radio und Fernsehen entscheidend, kann man sich heute online immer und überall informieren.
Speziell ist, dass sich die zwei schweizweit wichtigsten Anbieter von Wetter­informationen keine sechs Kilometer voneinander entfernt befinden. Wie bei Coop und Migros läuft hinter den Kulissen ein erbitterter Konkurrenzkampf, bei dem noch weitere Player mitfighten. Hauptakteure sind die staatliche Institution von Meteo Schweiz (Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie, ehemals Schweizerische Meteorologische Zentralanstalt) beim Flughafen Kloten und SRF Meteo, also die Wetterabteilung vom Schweizer Radio und Fernsehen in Seebach. Meteo Schweiz finanziert sich durch Steuergelder und den Verkauf von Wetterdaten. SRF Meteo kann sich im Gebührentopf bedienen, liefert aber ebenfalls Wetterdaten an Private. SRF Meteo gräbt damit privaten Wetterdiensten das Wasser ab.

Thomas Bucheli reagiert leicht irritiert

Doch die zentrale Frage ist: Sind die Wetterprognosen von Meteo Schweiz und von SRF Meteo nicht Doppelspurigkeiten auf dem Buckel der Steuer- und Gebührenzahler? Thomas Bucheli reagiert leicht irritiert auf die Anfrage. «Die von Ihnen zitierte Kritik zeugt leider von einer falschen Annahme.» Richtig sei, dass die privaten Wetterbüros Meteonews, Meteotest, Meteomatics, Meteoblue, Meteodat, DTN – ehem. MeteoGroup, wie auch SRF Meteo nicht das Gleiche wie Meteo Schweiz machten. Und zwar, «weil Meteo Schweiz gar keine ‹Datenerarbeitung› und keine Wetterberichte erstellt, die von diesen sechs privaten Wetter­büros und eben auch von SRF Meteo
irgendwie prognostisch verwendet, genutzt und kopiert werden könnten».

Kernaufgabe von SRF?

Allein aus diesem Grund betreibe jedes einzelne dieser Wetterbüros einen eigenen Prognose-Wetterdienst, beschäftige eigene Meteorologinnen und Meteorologen, mache eigene Analysen und Wetter­vorhersagen gemäss den Vorgaben ihrer Kundschaft.
Für Thomas Bucheli ist klar, dass Wetter­prognosen, wie sie SRF liefere, nicht zum gesetzlichen Auftrag von Meteo Schweiz gehören. Aber gehört, als Gegenfrage gestellt, die Fokussierung aufs Wetter zum Kernauftrag von SRF? Bucheli zählt auf, wie umfassend seine Abteilung fachlichen Fakten, Infos, Einschätzungen und Karten für täglich vier «Meteo»-Sendungen auf SRF 1 bereitstelle. Dazu komme die fachliche Betreuung des SRF-Wetterkanals (morgens 7.30 bis 8.45 Uhr) und die rund 20 Wetterberichte und 35 Live-Interviews und Beiträge, die auf allen Kanälen von SRF verbreitet würden. Nicht vorgesehen habe der Gesetzgeber für Meteo Schweiz laut Thomas Bucheli zudem die Unwetterwarnungen auf der App «Wetter-Alarm» der kantonalen Gebäudeversicherungen, die deshalb ebenfalls von «SRF Meteo» herausgegeben werden.

««Meteo Schweiz erstellt keine Wetterberichte, die prognostisch verwendet werden könnten.» Thomas Bucheli, Leiter SRF Meteo»

Auch von den Twitter- und Insta­gram-Kanälen von «SRF Meteo» stehe im Auftrag von Meteo Schweiz nichts geschrieben, und auch nichts von den täglich neu recherchierten Wetter-Artikeln in der SRF-News-App und überhaupt von den situativen und oftmals sehr kurz­fristig umgesetzten Live-Auftritten in der Tagesschau und in «10vor10» – «nicht nur, wenn das Wetter ‹blöd» tut›, wie Bucheli (62) erklärt. Er zählt neben der sicher anspruchsvollen Moderationstätigkeit Wetter­fakten auf, die auf www.meteoschweiz.admin.ch mehrheitlich auch zu finden sind. Tut Meteo Schweiz da nun Unrechtmässiges oder sind das nicht vielleicht Schutz­behauptungen von Thomas Bucheli? Der ausgebildete Meteorologe nimmt die Antwort von Meteo Schweiz zum Thema vorweg: «Müsste Meteo Schweiz diese ganze Palette an speziellen Produkten, Analysen, Prognosen, Karten, Grafiken etc. für SRF und unsere Kunden selbst erstellen – rund um die Uhr –, dann würden ihre operativen Möglichkeiten wie auch ihr Budget mehr als gesprengt.» Und als Fazit zu den Wetterdaten und Prognosen sagt Bucheli: «Wir machen es lieber selbst. Es ist tatsächlich billiger.»

«Breiter und nicht vergleichbar»

Trotzdem die Anfrage bei Meteo Schweiz, seit einigen Jahren mit Hauptsitz am Flughafen Kloten, vorher und seit 1947 an bester Lage unterhalb des Zoo Zürich gelegen. Barbara Galliker, Kommunikations­chefin des 400-köpfigen Bundesamtes, freut sich spürbar über das Interesse. Ja. Man wäre durchaus in der Lage, Wetterprognosen zu liefern. Und: «Falls Meteo Schweiz zusätzlich zu den aktuellen Datenlieferungen auch Prognosen für SRF Meteo erstellen sollte, wäre mit entsprechenden zusätzlichen Kosten zu rechnen.» Sprich, man liefere schon heute ein umfangreiches Datenset von Meteo Schweiz. Dafür entrichte SRF Meteo der Meteo Schweiz jährliche Gebühren.

Sicherstellen des Flugbetriebs

Barbara Galliker erklärt, das Aufgabenspektrum von Meteo Schweiz sei generell bedeutend breiter und nicht vergleichbar mit jenem von SRF Meteo. Man erbringe verschiedene Wetter- und Klimadienstleistungen zum Schutz und zum Nutzen der Schweiz. Zusätzlich zu den War­nungen vor den Gefahren des Wetters und des Wetterberichtes erledige Meteo Schweiz zahlreiche zusätzliche Aufgaben wie beispielsweise: Erfassung von meteorologischen und klimatologischen Daten in der ganzen Schweiz und Austausch dieser Daten auf internationaler Ebene. Dazu kommen die Entwicklung und Betrieb eines Wettermodelles, meteorologische Informationen für den Flug­betrieb und die Flugsicherheit auf schweizerischem Gebiet.

Keine Antworten

So stehen Aussage gegen Aussage. Interessant: Unbeantwortet blieben unsere Anfragen an Wetterpapst Jörg Kachelmann, der mit seinen lockeren Wetterprognosen auf ARD bekannt wurde, und an Peter Wick, dessen Wetterberichte man von Tele Zürich, Tele Top und Radio 1 her kennt. Hängt das vielleicht damit zusammen, dass die Wettergärtchen in der Schweiz schön abgesteckt sind?

Open Government Data

Bewegung bringen könnte das Embag. Embag, das heisst Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Er­füllung von Behördenaufgaben. Was sperrig tönt, könnte für die Wetterbüros ein Segen sein. Nochmals Barbara Galliker von Meteo Schweiz: «Sobald Open Government Data (OGD) eingeführt wird, wird SRF Meteo (wie auch die anderen Büros, die Red.) die Daten kostenlos erhalten.»

««Falls Meteo Schweiz zusätzlich zu den aktuellen Daten­lieferungen auch Prognosen für SRF Meteo erstellen sollte, wäre mit zusätzlichen Kosten zu rechnen.» Barbara Galliker, Kommunikationsleiterin Meteo Schweiz»
Lang ist's her. In den 1990er Jahren präsentierten noch vornehmlich Nicht-Meteorologinnen wie Bettina Walch das Wetter. Bild: SRF./ zvg.

SRF Meteo: Vom Moderationsteam zur Expertentruppe

«Wouchä» und «En Gutsch». Sandra Boner steht an einem der vergangenen Samstagabende wie so oft auf dem Dach eines der SRF-Gebäude in Seebach. Hier nimmt SRF seine Wettersendung auf, wenn es nicht gerade Katzen hagelt. Boner erzählt im charakteristischen Solothurner Dialekt vieles übers mögliche kommende Wetter. Mehr noch aber über den Begriff der Hundstage, die im Juli und August jeweils aktuell sind. Die Erklärung von Begrifflichkeiten rund ums Wetter hat bei SRF Tradition.

Seit Thomas Bucheli das Ruder 1995 übernommen hat, entwickelte sich die Wetterinformation von SRF immer mehr zum Entertainment. Das war vor gut 30 Jahren durchaus wegbereitend. Auch heute noch sind die Einschaltquoten oft höher als bei der vorher ausgestrahlten Tagesschau. «SRF Meteo» ist das eigentliche Einschaltquotenflaggschiff von SRF. Dazu verhilft der Erfolgssendung auch der Kniff, dass die Sendung seit Jahren einen eigenen Sendeplatz nach der «Tagesschau» hat. Deshalb darf zwischen der «Tagesschau» und «SRF Meteo» auch ein minutenlanger Werbeblock ausgestrahlt werden. Für Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer, die Sendungen zeitversetzt schauen, ein durchaus grosser Vorteil. Denn so lassen sich bekanntlich Sendeanfänge besser finden.

Rasche Sturmwarnungen

Trotzdem hat auch Meteo Schweiz mit den geänderten Informationsgewohnheiten des Publikums zu kämpfen. Gab es in den 90er-Jahren noch kaum verlässliche Online-­Wetterprognosen und nur ruckelnde Wetter-Radarbilder, ist das heute komplett anders. Immer und überall sind Wetterprognosen verfügbar inklusive perfektem Niederschlagsradar. Und wenn die Prognosen daneben liegen, dann fast übers Band von allen Anbietern. Das schwere Unwetter über La Chaux de Fonds etwa passierte ohne Vorwarnung. Dies ist aber eher die Ausnahme von der Regel. Grundsätzlich ist spürbar, dass heute Sturmwarnungen öfters und früher herausgegeben werden. Das hat mit den Wetterkapriolen rund um den Klima­wandel zu tun, aber auch mit rechtlichen Dingen. Gerade Meteo Schweiz, der staatliche Wetterdienst, will sich nicht zu oft mit dem Vorwurf konfrontieren lassen, man habe vor einem Unwetter nicht genügend gewarnt. Dass wegen solchen Präventivvorhersagen Feuerwehren landauf, landab viel häufiger Pikettdienst leisten müssen, ist die Kehrseite der Entwicklung.

Wenn der Vergleich hinkt

Bei den Wetter-Onlineangeboten gibt es viele. War eine Zeit lang Landi mit ihrer Wetterapp vorne dabei, ist heute eigentlich jene von Meteo Schweiz sehr bediener­freundlich, regional detailliert und wohl­tuend schnörkellos. Laut Thomas Bucheli gibt es heute in der Schweiz neben

«seinem» SRF Meteo noch sechs weitere kleinere, grössere und grosse Wetter­büros (Meteonews, Meteotest, Meteo­matics, Meteoblue, Meteodat, DTN – ehem. MeteoGroup). «Alle diese Wetterbüros ­arbeiten selbstständig und vollkommen unabhängig von den Prognosen und Wetterberichten von Meteo Schweiz», ist Bucheli überzeugt. Der Vergleich hinkt aber: Denn es besteht ein wesentlicher Unterschied. «SRF Meteo» profitiert von Gebührengeldern, hat also viele längere Spiesse als die (private) Wetter-Konkurrenz. Ähnlich, wie das auch mit der Online- Informations­abteilung von SRF geschieht. Jene Kritik: SRF habe sich aufs Radio und Fernsehen zu konzentrieren und nicht den Online­auftritt zu forcieren.

Doch zurück zur Wetterprognose. Was auffällt: Die Abteilung von «SRF Meteo» unter Thomas Bucheli hat sich in den letzten Jahren zum Experten-Gremium entwickelt. Vor 20 Jahren waren es noch primär kameraaffine Menschen, auffällig viele Leute ohne Fachausbildung, welche die Wetterprognosen vermittelten. In damaligen Medienmitteilungen verkündete SRF stolz, wenn etwa «Model» Cécile Bähler oder «Wetterfee» Bettina Walch zum Team gestossen seien.

Sandra Boner ist die letzte

Heute ist das anders. Sandra Boner gehört als einzige Angestellte der aussterbenden Spezies der «Learning by Doing»-­Moderatorinnen und Moderatoren bei «SRF Meteo» an. «SRF Meteo» versucht, diese personellen Mehrkosten zu kompensieren, indem die inhouse-produzierten Wetterprognosen auch an externe Abnehmer vermittelt werden. Etwa an die Kantonalen Gebäude­versicherungen. Eine 2012 von «SRF Meteo» eingegangene Kooperation mit Tourismus Graubünden stiess auf grosse Kritik, etwa von Peter Wick. (ls.)

Wie ist Ihre Meinung? 

Beleben Doppelspurigkeiten bei den Wetterberichten und Wetterinforma­tionen den Wettbewerb? Oder werden Steuer- und Gebührengelder ver­pulvert? Ihre Meinung interessiert uns. Schreiben Sie an lorenz.steinmann@lokalinfo.ch. Prägnante und eher kurze Antworten haben wir am liebsten.

Lorenz Steinmann, Zuerich24