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Schweiz
27.06.2023

Abschiedstanz einer Ballettikone

Franziska Looser-Weilenmann begleitete während 52 Jahren Hunderte von Tänzer:innen auf dem Weg zu ihren persönlichen Ballettzielen. Nun ist es für die 75-Jährige Zeit, Adieu zu sagen: Am 1. Juli gibt Franziska Looser-Weilenmann ihre Ballettschule offiziell ab. Bild: Lara Gansser, Schaffhausen24
Eine Ära geht zu Ende: Nach 52 Jahren übergibt Franziska Looser-Weilenmann ihre renommierte Ballettschule, welche sich seit zehn Jahren an der Vordergasse in der Schaffhauser Altstadt befindet.

Die 75-Jährige darf auf einen eindrücklichen Werdegang zurückblicken: Mit Begeisterung begleitete sie Tänzer:innen von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter – und hat mit diesen wohl jede Bühne des Kantons gesehen.

Wer abends die Vordergasse in der Schaffhauser Altstadt entlangschlendert, ist auf Höhe des Tellenbrunnens gewiss auch schon in den Genuss der Ballettmusik von Franziska Looser-Weilenmanns Studio gekommen. Während insgesamt 52 Jahren begleitete die diplomierte Ballettlehrerin Hunderte von Schüler:innen auf dem Weg zu ihren tänzerischen Zielen. Nun ist es für sie an der Zeit, das nächste Lebenskapitel aufzuschlagen. «Ich wollte das eigentlich machen, bis ich im Ballettsaal tot umfalle», schmunzelt Franziska Looser-Weilenmann. «Aber so viel Stress brauche ich nun doch nicht mehr. Ich freue mich jetzt darauf, mich im Wissen um eine gute Nachfolge zurückzuziehen.» Am 1. Juli übergibt sie ihre etablierte Ballettschule offiziell in die Hände ihrer ehemaligen Schülerin Andrina Schaber. Im Gespräch mit dem «Bock» gewährt die selbstbewusste Tanzleiterin einen Einblick in ihr jahrelanges Schaffen und erzählt, wie sie mit ihren Ensembles die Bühnen des Kantons eroberte.

Mehr als ein halbes Jahrhundert

Schon als Vierjährige verfiel «Klein Franziska» dem Ballett. «Ich betrieb den Tanz immer sehr intensiv, jedoch nie professionell», erzählt sie. Nach Matur, Primarlehrerinnendiplom und zwei Semestern Uni gründete sie mit Eduard Looser eine Familie und wurde fünffache Mutter. «Aber das Balletttanzen blieb immer ein wichtiger Teil und sprang auch auf alle meine Kinder und Enkelkinder über.» So liess sie sich 1976 zum Registered Teacher der Royal Academy of Dance London (RAD®) schulen, welcher die Ballettschule seitdem angegliedert ist. 

Die ersten Ballettstunden gab Franziska Looser-Weilenmann in einem Studio in Thayngen, wo sie 30 Jahre lang unterrichtete. «Schon ein paar Jahre nach der Eröffnung kam ein zweiter Standort im Chläggi dazu, zuerst in Neunkirch, dann in Gächlingen.» Etwa zehn Jahre später zügelte sie den Klettgauer Teil in die Stadt Schaffhausen – zuerst an die Krebsbachstrasse und vor zehn Jahren ins Herz der Altstadt. Zusammengefasst heisst das: Während 52 Jahren prägte Franziska Looser-Weilenmann die Schaffhauser Ballettszene. «In dieser Zeit durfte ich so auch eigene Lehrerinnen, die an der RAD studierten, bei mir im Praktikum ausbilden.» 

  • Eine tolle Ballettposition einnehmen und schön lächeln können schon die jüngsten Tänzerinnen. Bild: Lara Gansser, Schaffhausen24
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  • Die Ballettlehrerin begleitete Tänzerinnen von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Bild: Lara Gansser, Schaffhausen24
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«Ballett ist für alle»

«Wir sind eine Ballettschule und kein Leistungszentrum», führt die in Stetten wohnhafte Pädagogin aus. «Mein Hauptauftrag war immer der Breitensport, denn Ballett ist etwas für alle.» Doch gleichzeitig sei es ein grosses Ziel gewesen, die begabten Tänzer:innen auf dem Weg an eine professionelle Schule zu begleiten. «Ich habe die Basis dafür gelegt, dass ein Kind, welches den Wunsch und das Potenzial hat weiterzumachen, auch die Chance bekommt.» 

Elf Gruppen mit durchschnittlich acht Tänzer:innen kommen bis zu fünfmal wöchentlich ins Training. «In einer Gruppe sind es aktuell sogar 18 Kinder, was das absolute Maximum ist». Früher waren es bis zu fünf Lektionen, welche die Ballettlehrerin täglich selbst gegeben hat. Kurz vor ihrer offiziellen Pensionierung sind es noch zwei bis maximal drei Stunden pro Tag. «Ich habe sicherlich den Ruf, dass ich streng, aber auch lieb und lustig bin.»  

«Ballett ist Teamwork», sagt Franziska Looser-Weilenmann. «Beim gemeinsamen Tanzen muss man einander spüren und aufeinander schauen.» Es sind sowohl die pädagogischen als auch die kreativen Aspekte, welche der Tanzlehrerin besonders gefallen. «Dazu kommen die Ästhetik und die Körperschulung.» Denn neben einem guten Rhythmusgefühl und einem gesunden Mass an Disziplin sind Kraft und Koordination beim Ballett sehr wichtig. «Auch für Männer ist es wirklich eine tolle Disziplin », führt sie aus. «Leider ist das hier in der Schweiz noch kaum verbreitet.» Aktuell lässt sich ein Tänzer in der Ballettschule Looser-Weilenmann ausbilden.

Franziska Looser-Weilenmann ist bekannt als strenge, aber liebe und lustige Lehrerin. Bild: Lara Gansser, Schaffhausen24

Die Highlights

Die Liste an erinnernswerten Ereignissen nach 52 Jahren ist lang. «In meiner Laufbahn haben wir bestimmt auf jeder Bühne im Kanton mindestens einmal getanzt», so die Ballettlehrerin mit einem stolzen Lächeln im Gesicht. «Die Höhepunkte waren aber ganz klar die Aufführungen im Stadttheater alle drei Jahre.» 1992 das erste Mal – Ende April dieses Jahres zum letzten Mal unter der Leitung von Franziska Looser-Weilenmann. «Einen Abschluss im zweimal ausverkauften Stadttheater, das war unglaublich.» Denn solch grosse Aufführungen bringen monatelange Vorbereitungen mit sich – oder wie die abtretende Leiterin sagt: «Das war jedes Mal ein Riesenchrampf.» Was ihr neben den tänzerischen Höhepunkten bleiben wird, seien vor allem die Begegnungen und Freundschaften, welche in den vielen Jahren entstanden sind. 

Keine kaputten Füsse

«Beim Ballett ist es wie bei anderen Sportarten – hobbymässig ist es sehr gesund», führt die Pädagogin aus. «Meine Füsse sind nach 70 Jahren nicht kaputt und ich habe keinen krummen Rücken wie andere in meinem Alter.» Franziska Looser-Weilenmann ist sehr dankbar dafür, dass sie ihrer grossen Passion so lange nachgehen durfte: «Mir wird in Zukunft ganz vieles fehlen. Von der ständigen Bewegung bis zum täglichen Kontakt mit den Schüler:innen.» Und so ganz wird sie dem Studio noch nicht den Rücken kehren: Alle 14 Tage kommt sie für einzelne Lektionen zum Unterrichten vorbei. «Und auch zuhause werde ich weitertanzen – solange es eben geht.»

Der «Bock» besuchte ein Ballett-Training der jüngsten Tänzerinnen. Bild: Lara Gansser, Schaffhausen24
Lara Gansser, Schaffhausen24 / Goldküste24