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Hombrechtikon
09.06.2023

«Wir müssen jetzt etwas für die Biodiversität tun»

Marco Pollastri züchtet in seinem Hombrechtiker Zuhause unzählige Wildblumensetzlinge. Bild: mg
Mit seinem Wildblumendienst setzt sich Marco Pollastri für Biodiversität und Artenvielfalt ein, und das vor allem in Gärten. Der gebürtige Hombrechtiker hat aber noch mehr Talente – und einen bekannten Vater

Es ist ein steiler und versteckter Weg hinauf zum Hotwiel in Hombrechtikon, und er führt in ein kleines Paradies. Schon am Wegrand stehen hohe Wiesen mit vereinzelten blühenden Farbtupfern und Trockenrabatten. Rund um sein Elternhaus, das «Maibrunnen» mit Blick auf den Zürichsee, welches er mit seiner Frau bewohnt, hat Marco Pollastri einen wilden, blühenden Garten angelegt und vermehrt Pflanzen für seinen Wildblumendienst.

Artenverlust entgegenwirken

Den Wildblumendienst habe er gegründet, um mit Entschlossenheit und Tatkraft dem Artenverlust entgegenzuwirken und neue Lebensräume zu schaffen, erklärt der ruhig wirkende Spezialist für biodynamische Gärten und Landschaften. Es sei ein Massensterben gigantischen Ausmasses, das sich global abspiele. 90% der bunten Wiesen seien verschwunden und mit ihnen 75% der Insekten. «Wildblumen bilden ein zentrales Glied in der Kette unserer Ökosysteme. Von ihnen profitieren nicht nur Böden, Insekten, Pflanzen und Vögel, sondern auch wir. Das Zirpen der Grillen, der Gesang der Vögel, der Duft und die Farben von Blumen, blühende Hecken – all das erhellt unser Gemüt und schenkt uns Lebensfreude.» 

Gemeinsame Leidenschaft von Vater und Sohn

Pollastri weiss, wovon er spricht. Als Kind streifte er auf seinem Weg in den Kindergarten durch damals noch artenreiche, blühende Wiesen und sammelte Blumen und Samen. «Ich habe mich richtiggehend in den Feldern verloren», erinnert sich Pollastri. Während seine Mutter mässig von seinen Streifzügen begeistert war, wenn er zu spät vom «Chindsgi» nach Hause kam, traf der Junge beim Vater auf mehr Verständnis.

Vom Verdingbub zum Künstler

Vater Constantin Pollastri, ein ehemaliges Verdingkind, war ein bekannter Kunstmaler und nutzte unter anderem Blumensträusse, um sich auszudrücken. Das Haus «Maibrunnen», welches während des Zweiten Weltkriegs jüdischen Flüchtlingskindern ein Heim bot, war mit seinen grossen Fenstern mit Blick auf Berge und See ein Ort der Inspiration für ihn. Gemeinsam mit seinem Vater habe er oft gegärtnert und auch einen kleinen Teich angelegt. Dessen aussergewöhnliche Biografie hat auch den Sohn inspiriert, vieles zu machen, was er sich gar nicht zugetraut hätte. Neben der Liebe zu den Blumen wuchs auch Marcos Interesse für Heilpflanzen. Er stellte erste Salben und Tinkturen für Freunde und Bekannte her und pflanzte mit 20 Jahren seine erste Wildstaudenrabatte.

Im eigenen Garten hat Pollastri auch Strukturen für Kleinstlebewesen geschaffen. Bild: mg

Vom Träumer zum Macher

Pollastri absolvierte eine Mechanikerlehre, was ihm allerdings gar nicht entsprach. Er sei ein Träumer, beschied man ihm, und wohl eher der soziale Typ. Der Jugendliche wandte sich der Musik zu, gab Konzerte und nahm CDs auf, immer mit politischen und kritischen Texten. Er begann ein Praktikum im Asyldurchgangsheim Adliswil, wurde stellvertretender Leiter der Notunterkünfte in Zollikon und Erlenbach, kam schliesslich als Asylkoordinator nach Hombrechtikon und arbeitete als eidg. Migrationsfachmann auf dem Appisberg. Doch irgendwann sei der «Pfupf» draussen gewesen. Pollastri arbeitete danach bei einem Kollegen im Bereich Unterhaltsarbeiten, wurde dort aber auch nicht richtig glücklich. «Ich sammelte weiter Samen und plötzlich wurde mir klar: Das ist meine Leidenschaft, das will ich machen.»

Im Dienst der Natur

Heute arbeitet Pollastri als Selbständiger im Dienste der Natur, macht biodynamische Garten- und Landschaftsgestaltung, legt Wildblumenwiesen, Wildhecken und Heilkräuterrabatten an, erledigt Unterhaltsarbeiten sowie Aufwertungen von Naturschutzobjekten für Gemeinden. Im Hotwiel zieht er aus Samen von mittlerweile 300 Arten seine Setzlinge und kann über jede Pflanze etwas erzählen. «Es ist nicht einfach, die Landwirtschaft für mehr Biodiversität zu begeistern, aber unsere Gärten und die Grünflächen in den Gemeinden haben einen ebenso grossen Anteil. Dort gibt es noch viel Potenzial.»

Martina Gradmann, Redaktion Ährenpost