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27.05.2023

In 100 Tagen rund um die Welt

Oliver Heer in der Vorbereitung auf die Einhand-Weltumsegelung Vendée Globe Bild: Oliver Heer
Der Rapperswiler Oliver Heer steht vor dem grössten Abenteuer seines Lebens. Anlässlich der Vendeé Globe 2024 will er die Welt umsegeln – ganz allein, in 100 Tagen.

Im Restaurant Frohberg – hoch ob Rapperswil-Jona – scheint einem die Welt zu Füssen zu liegen. Das mächtige Schloss und der tiefblaue See geben eine fast schon kitschige Kulisse ab. Am Himmel flattert eine Möwe.

Es ist für Oliver Heer ein durchaus symbolträchtiger Ort. In Rapperswil-Jona ist Heer aufgewachsen, in der Bucht von Kempraten sass er mit fünf Jahren erstmals in einem Segelboot. Es war für ihn sofort das Gefühl der Freiheit: «Die Eltern waren an Land – und ich konnte machen, was ich wollte», sagt er lachend.

  • Der Rapperswiler Oliver Heer will 2024 in 100 Tagen die Welt umsegeln Bild: zVfg
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  • Oliver Heer will Geschichte schreiben Bild: Markus Arnitz, Linth24
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  • Oliver Heer, vom Zürisee hinaus in die Ozeane der Welt Bild: Markus Arnitz, Linth24
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  • Oliver Heer, als erster Deutschschweizer an der Vendée Globe Bild: Markus Arnitz, Linth24
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  • Oliver Heer steht vor dem grössten Abenteuer seines Lebens: der Vendée Globe Bild: Markus Arnitz, Linth24
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Ankommen ist alles

Mittlerweile segelt er in tieferen und wilderen Gewässern. Im November 2024 startet er (als erster Deutschschweizer) an der französischen Atlantikküste zu einem der letzten grossen Abenteuer auf diesem Planeten – der Vendée Globe, der Weltumseglung im Einhandsegeln.

Heer hat sich zum Ziel gesetzt, dass er in unter 100 Tagen wieder zurück ist: «Für die Premiere wäre das ein gutes Resultat. Aber Ankommen ist sowieso alles».

Die Regeln des Wettbewerbs sind simpel, aber gnadenlos: Wer fremde Hilfe in Anspruch nimmt oder einen Fuss an Land setzt, wird disqualifiziert. Noch grösser ist aber die Gefahr einer Havarie – durch meterhohe Wellen, tobende Winterstürme oder durch die Kollision mit einem Wal: «Dieses Szenario ist durchaus realistisch», sagt Heer.

So ist die Ausfallquote in diesem prestigeträchtigen Wettbewerb hoch. Seit der erstmaligen Durchführung (1989) haben erst 114 Teilnehmer das Rennen beendet. In der gleichen Zeit waren 5000 Menschen auf dem Mount Everest – und 500 im Weltall.

  • Oliver Heer Bild: Oliver Heer
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  • Oliver Heer, Hochsee-Segeln ist Spitzensport Bild: Oliver Heer
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  • Oliver Heer in der Vorbereitung auf die Einhand-Weltumsegelung Vendée Globe Bild: Oliver Heer
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  • Oliver Heer in der Vorbereitung auf die Einhand-Weltumsegelung Vendée Globe Bild: Oliver Heer
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  • Oliver Heer in der Vorbereitung auf die Einhand-Weltumsegelung Vendée Globe Bild: Oliver Heer
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  • Oliver Heer im Cockpit seiner Segelyacht Bild: Oliver Heer
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  • Oliver Heer in der Vorbereitung auf die Einhand-Weltumsegelung Vendée Globe Bild: Oliver Heer
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  • Oliver Heer in der Vorbereitung auf die Einhand-Weltumsegelung Vendée Globe Bild: Oliver Heer
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In Hongkong zum Meersegeln gekommen

Nun will Heer Geschichte schreiben. Zum Segeln auf dem Meer kam der Management-Absolvent der ZHAW Winterthur bei einem längeren Aufenthalt in Taipeh, wo er, vorwiegend in Hongkong, an zahlreichen Regatten teilnahm. 2014 absolvierte er in England den Yachtmaster und lernte auf einem Boot seine Frau Theresa kennen: «Sie weiss genau, was dieser Sport bedeutet – deshalb ist sie in jeder Beziehung eine grossartige Unterstützung.» So ist es Theresa, die Heers Kampagne managt – und ihrem Mann die bestmöglichen Bedingungen liefert.  Kürzlich ist das Paar von England nach Port-la-Forêt, nördlich von Lorient, umgezogen, einer Hochburg der französischen Rennszene.

Doch zurück nach Rapperswil-Jona, wo Heer vor rund 100 Gästen seine Kampagne lanciert und von seinen Plänen und Abenteuern erzählt. Er erntet viele bewundernde Blicke und hofft, den einen oder anderen Sponsor zu gewinnen. Was er vorhat, ist nicht nur logistisch ein aufwendiges Unternehmen – auch finanziell. Wie viel er genau ausgibt, will er nicht sagen, aber die Kosten gehen in die Millionen – schliesslich ist es ein mehrjähriges Projekt.

Permanente Extremsituation

Die Anforderungen an den Segler sind an der Vendée Globe wohl grösser als in jedem anderen Wettbewerb. Wer 100 Tage auf den Weiten der Ozeane alleine unterwegs ist, befindet sich fast permanent in einer Extremsituation. Heer will pro Tag «vier bis fünf Stunden Schlafen – aber nie länger als 30 Minuten an einem Stück». Es sei wichtig, die Segel immer wieder zu richten – sonst verliere man leicht fünf bis zehn Prozent an Tempo. Weil segeln unter diesen Extrembedingungen eine hoch physische Belastung darstellt, braucht Heer rund 6000 Kalorien pro Tag: «Das sind 13 Big Macs» wie er lachend erzählt. Weil es auf hoher See aber keine Fastfood-Restaurants gibt, verpflegt sich Heer mit gefriergetrockneten Mahlzeiten – wie Gulasch oder Kartoffelstock -, die er im Wasser aufkocht.

Das härteste sei ohnehin die psychische Belastung. Um sich darauf vorzubereiten arbeitet er mit einem Mentaltrainer zusammen. Und obwohl er ein sehr extrovertierter Mensch sei, habe er kein Problem damit, auf sich allein gestellt zu sein: «Allein zu sein – und einsam zu sein, ist nicht das gleiche». Auf dem Boot gibt es ohnehin immer etwas zu tun – dazu zählt auch die Medienarbeit. Alle Teilnehmer sind verpflichtet, über Satellitenverbindung pro Tag mindestens fünf Minuten von ihren Erlebnissen zu berichten So wollen die Veranstalter das Rennen noch besser vermarkten.

  • Oliver Heer in der Vorbereitung auf die Einhand-Weltumsegelung Vendée Globe Bild: zVfg
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  • Bis zu 6000 Kalorien pro Tag braucht Oliver Heer um die Strapazen zu bewältigen. Bild: zVfg
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Kein Adrenalin-Junkie

Auf die Frage, ob man auch ein bisschen verrückt sein muss, um ein solches Unterfangen anzugehen, sagt Heer augenzwinkernd: «Ganz normal bin ich wohl tatsächlich nicht, aber als Hochseesegler ist man auch kein waghalsiger Adrenalin-Junkie – sonst wäre es viel zu gefährlich.»

So oder so steht das Risikomanagement ganz oben auf seiner Prioritätenliste. Dies begann schon bei der Wahl des Bootes: «Ich hab mich für ein vergleichsweise robustes und schweres Modell entschieden, das reduziert die Gefahr von Materialschäden, geht aber zulasten des Tempos.» Davon abgesehen habe er 3000 Teile des Bootes einer exakten Analyse unterzogen, um die Schwachstellen zu eruieren.

Klimaneutral um die Welt

Wichtig ist ihm auch, dass er sein grosses Abenteuer klimaneutral bewältigt. Heer arbeitet mit der ETH Zürich sowie den Universitäten von Lausanne und Bern zusammen. Und er installiert einen Sensor an Bord, mit dem Meerdaten erfasst und der Forschung zur Verfügung gestellt werden können.

Der Mann, der in anderthalb Jahren um die Welt segeln will, ist beim Blick auf den Zürichsee ganz entspannt. Stellt sich die Frage: Hat die Bucht von Kempraten etwas mit dem antarktischen Eismeer gemeinsam? Heer lacht: «Eigentlich nicht – aber die grösste Herausforderung beim Segeln ist überall die gleiche: wenn der Wind nicht weht.»

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Thomas Renggli, Linth24 / Goldküste24