Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken Magazin Agenda
Region
16.05.2023

Jugendliche brauchen einen Sinn in der Arbeit

Die gesellschaftliche Wertung unterschiedlicher Berufe ist sehr hinderlich. (Symbolbild) Bild: www.sg.ch
In der Jugend sind viele Herausforderungen zu bewältigen. Diese beeinflussen zeitweise auch die berufliche Leistungsfähigkeit. Grundsätzlich sind Jugendliche motiviert.

Die Berufswelt verlangt viel von uns Menschen, so ist es sehr wichtig, dass jeder seine eigene Arbeit wertschätzt. Es ist wichtig, dass jeder Mensch einen Beruf ausübt, der ihn erfüllt und ihm auch entspricht. Denn kann er sein ganzes Potential ausschöpfen. Manchmal beginnt man mit einem Beruf, entwickelt sich weiter und möchte irgendwann den Beruf wechseln. Eine gesunde Neugier und der Drang, sich weiterzuentwickeln, bewegen dazu, die berufliche Situation zu hinterfragen.

Dabei ist es wichtig, dass jeder Mensch wertschätzt, was er bis jetzt in beruflicher Hinsicht gemacht hat. Es hat ihn mitunter zu dem gemacht, wie er jetzt gerade ist. 50 Jahre war man im gleichen Beruf und plötzlich merkt man, dass es nicht mehr stimmt. Das braucht Mut, um in diesem Alter noch eine längere Weiterbildung in Angriff zu nehmen. Eine Berufsberatung kann ermutigen und auch das Potenzial aufzeigen, dass noch schlummert. Es gibt auch Menschen, die mit dem Job überfordert sind und darin gefangen. Im persönlichen Gespräch merken sie, dass weniger manchmal mehr ist.

Ansprüche haben sich verändert

Die Zahl der Weiterbildungsmöglichkeiten hat sich in den letzten 30 Jahren vervielfacht. Dadurch gibt es mehr Chancen, sich beruflich zu verändern. Die Laufbahnberatung hat dementsprechend auch zugenommen. Viele Berufstätige kennen das kostenlose Beratungsangebot vom Bund «Viamia» für über 40-Jährige noch nicht.

Auch in der Berufsausbildung haben sich die Ansprüche verändert. Die Anforderungen an die Lernenden sowie die Entwicklungen in der Arbeitswelt sind heute anders. Jugendliche sind mit ihren Berufswünschen sehr realistisch unterwegs und wollen basierend auf ihren Stärken und Interessen eine Ausbildung finden. Was sehr nützlich ist.

Jugendliche sind in der Regel sehr motiviert. Es ist wichtig, dass man ihnen etwas zutraut, dass sie einen Sinn der Arbeit sehen und sie Neues lernen können. Sie sind überhaupt nicht fauler geworden, sondern weniger authoritätsgläubig. Es ist oft so, dass es Jugendliche gibt, die schulisch nicht zu den Starken gehörten, jedoch dann in der Lehre aufblühen und sich schnell weiterentwickeln.. Mag auch damit zu tun haben, dass sie in einem Gebiet unterwegs sind, dass sie wirklich interessiert.

Alle sind gefordert, im regelmässigen Austausch zu stehen und sich weiterzubilden, um die Attraktivität der Berufsbildung zu steigern. Wichtig ist, dass die Durchlässigkeit innerhalb und zwischen den verschiedenen Berufsausbildungen und Studiengängen gesteigert wird. Der Fachkräftemangel in den technischen Berufen könnte auch gemildert werden, indem man die Frauen, die diesen Beruf immer noch meiden, mehr animieren würde. Auch dort ist Team- und Kontaktfähigkeit gefragt. Es sind weiterhin gesellschaftliche Entwicklungen, die gewisse Lösungen verhindern.

Gesellschaftlicher Status als Hindernis

Es ist die Erfolgsgesellschaft, die definiert, je höher jemand ausgebildet ist, desto höher ist sein gesellschaftlicher Status. Dazu kommt, dass sich die Einkommensunterschiede immer noch mehr vergrössern. Das führt zu Ungleichheit und auch zu einem Auseinanderfallen. Es wäre an der Zeit, dass jede berufliche Tätigkeit und jeder Mensch endlich gleich wertgeschätzt wird.

Es ist egal, welchen Beruf man ausübt. Es ist die Passion, die dahinter steht, der Drang sich in diesem Berufsfeld immer weiter zu entwickeln. Der Verkauf oder auch die Pflege, noch viele andere Berufe sind in der Regel eher schlecht bezahlt. Doch was macht einen Mensch, der leidenschaftlich verkauft aus? Er erklärt das Produkt, überzeugt und kann im Detail alles erklären, was damit zusammenhängt. Warum soll er weniger wert sein als ein studierter Berufsfachmann? Dieser Mensch hat sich mit dem Verkauf auseinandergesetzt, weiss worauf es ankommt, wie er den Kauf weiterbetreuen kann. 

Quelle: Berufsberatung Meilen.

In Deutschland gibt es immer mehr junge Menschen, die nur noch in einer möglichst hohen Qualifikation eine Perspektive sehen: Die Zahl der Abiturienten hat sich in den letzten 20 Jahren beinahe verdoppelt. 2013 fingen in Deutschland zum ersten Mal mehr junge Menschen ein Studium an als eine Ausbildung.

Diese Entwicklung wird noch unterstützt, dass behauptet wird, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Landes sich nur mit mehr Akademikern sicherstellen lässt. Immer weniger werdende jungen Leute müssen immer besser und auch anders ausgebildet werden.

Jugendliche sind interessiert und motiviert, wenn man ihnen die entsprechende Plattform bietet. Bild: zVg
«Wir sehen, dass die Zahl der Berufe, die kreativer, nicht repetitiver Tätigkeiten bedarf, die steigt sehr stark. Die Zahl der Berufe, die sich wiederholende, egal ob mechanische oder kognitive Fähigkeiten bedarf, also egal ob es jetzt jemand ist, der am Fließband steht oder der als Buchhalter Zahlenkolonnen addierte früher, die nimmt dramatisch ab.»
Jörg Dräger vom Centrum für Hochschulentwicklung, Köln.
Studieren allein qualifiziert in den meisten Fällen noch nicht für einen Beruf. Für einen reibungslosen Einstieg ins Berufsleben gilt es schon während des Studiums ein berufliches Netzwerk aufzubauen. Bild: Keystone

Was heisst das für die Zukunft?

Dass jeder die Matura machen sollte und dann studieren? Was wird dann aus dem dualen Ausbildungssystem? Der deutsche Zentralverband des Handwerks klagt, dass kaum noch gute Azubis zu finden seien. Zehntausende Lehrstellen bleiben unbesetzt. Denn beim Konkurrieren um die besten Schulabgänger ziehen Handwerksbetriebe häufig den Kürzeren.

Handarbeit unterliegt Kopfarbeit – Bäcker, Installateur, Heizungsbauer: Diese Berufe klingen für Jugendliche offensichtlich wenig attraktiv. Dabei geben sich die Kammern auch auf der Messe alle Mühe. Besucher können an den Ständen Berufe ausprobieren, etwa den des Optikers. Oft drängen auch die Eltern zu einem Studium, weil sie es nicht machen konnten oder durften. Die Akademisierung der Welt wird überbewertet. Das Handwerk wird nie aussterben und gewisse Arbeiten sind ohne eine Menschenhand auf die Dauer nicht zu erledigen.

Handwerk als Ausweg aus dem Nix?

Dazu kommt sicher, dass Handwerk ein Imageproblem hat. Jahrelang hat man sich im Handwerk vor allen Dingen auch um Leistungsschwächere gekümmert. Und es wurde dann irgendwann:

«Ja, wenn du nix kannst, dann kannst du ins Handwerk gehen. Das ist dann so etwas, was du immer machen kannst. Was nicht der Realität entspricht, Handwerksberufe sind heute technisch absolut auf High-Level-Niveau, wo auch die Ansprüche, die an den Auszubildenden gestellt werden, auf sehr hohem Niveau sind.»

Junge Menschen werden auf einen falschen Bildungsweg geführt, denn viele, die heute studierten, wären eigentlich in einer Berufsausbildung besser aufgehoben. Das lasse sich an den hohen Abbrecherquoten im Studium festmachen. Bei den Ingenieurwissenschaften beispielsweise bricht tatsächlich inzwischen jeder Zweite sein Studium ab.

Verlust an Praxisbezug

Es ist ein großer Irrtum, geradezu eine akademische Bildungsarroganz, zu glauben, dass diejenigen, die bestimmte Bildungsstandards in den Tests nicht schaffen, dass die dann automatisch besonders geeignet wären für technische oder handwerkliche Berufe. Es braucht vor allem mehr Respekt für das Handwerklich-Technische, für die sozialen Berufe, die mit den Menschen direkt umgehen.

Die Vorstellung: Normalfall ist in Zukunft Studium, ist genau die falsche Botschaft.

Der dramatischere Teil des Akademisierungswahns besteht darin, zu glauben, man könne die hohe Qualität der beruflichen Bildung aufrecht erhalten, wenn man immer mehr Ausbildungen an die Hochschulen verlagert. Das wird einen Verlust an Praxisbezug mit sich bringen, das wird einen Qualitätsverlust bedeuten und nicht einen Qualitätsgewinn.

Abitur – Zutritt zur Mittelschicht

Auch Aussagen wie; nur wenn die Sprösslinge auch ein Abitur haben, gehört man wirklich zu dieser Mittelschicht dazu, und sonst ist man abstiegsbedroht, sind eine Anmassung und eine Behauptung.

Es ist an der Zeit, dass es zu einer grossen Vielfalt gekommen ist, wo unterschiedliche Ausprägungen unterschiedlicher Institutionen entstanden sind.

Eine wunderbare Lösung bietet in Deutschland das triale Studium. Es ist ein Angebot für junge Leute, die ein Abitur oder Fachabitur haben, um eine Karriere im Handwerk zu starten. Das triale Studium besteht aus drei Säulen, die erste Säule ist das Fundament, die Ausbildung, wo man den Beruf erst mal so richtig lernt, im zweiten Schritt die Qualifizierung bis zum Handwerksmeister und dann ein BWL-Studium mit Fokus auf kleinen und mittleren Unternehmen, um auch die betriebswirtschaftliche Seite, wenn man mal einen eigenen Betrieb führt oder einen übernimmt, abdecken zu können. Da ein Viertel der Handwerksunternehmen in Deutschland von jemandem geführt wird, der über 50 ist, ist es von Nöten, dass es Nachfolger gibt. Das Handwerk kann wieder wertvoll werden, indem man die Ausbildung ausdehnt und erweitert.

Quelle: teilweise Deutschlandfunk

Patricia Rutz / Goldküste24