Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken Magazin Agenda
Stäfa
12.05.2023

Gendertag – schweizweite Debatte

Die Schulleitung soll sogar entlassen werden. (Symbolbild) Bild: zukunft-ch.ch
Durch Postings des Gender-Tages in den sozialen Medien, wo der Tag als Sauerei bezeichnet wurde, zogen auch Politiker wie der Küsnachter SVP-Nationalrat Roger Köppel nach.

Goldküste24 berichtete über den Gender-Tag und seine Folgen.

Er hat die Schweiz nun schweizweit erfasst, denn auch Roger Köppel, Küsnachter SVP-Nationalrat und sein Aargauer SVP-Kollege, Andreas Glarner, äusserten sich zum Thema. Für Köppel ist es laut der Zürichsee-Zeitung eine echte Ideologisierung und Versexisierung des Schulunterrichts, was er in einem Video von Weltwoche Daily kritisiert und Glarner doppelt auf Twitter nach, indem er auffordert, dass die Schulleitung entlassen wird. Auch nationale Medien berichteten.

Mässige Stimmen wie die von Erlenbacher Grünen-Kantonsrat und Fraktionschef Thomas Forrer gingen dabei fast unter. Er meinte zum Thema, dass offenbar Jugendliche in der Sek nicht darüber reflektieren, warum Mädchen immer noch auffallen, wenn sie den Ton angeben und sich durchsetzen (= Gender)», so lautete einer seiner Sätze auf Facebook. 

Der Gender-Tag, den es schon zehn Jahre gibt, wäre dazu da, um gesellschaftliche Rollenbilder und Fragen der Gleichstellung zu klären. Dabei geht es auch um Wertschätzung, etwa dass Begriffe wie Schwuchtel und Schlampe nicht verwendet werden. So sieht Olga Demiri, Sozialarbeiterin, die für den Tag zuständig ist, das Ziel des Tages. Auch Fragen zu Beziehungen, Liebe und Sexualität, Themen die Jugendliche in diesem Alter beschäftigen, diskutiert. Unterschiedliche Meinungen sind legitim, und die Schule will niemandem eine Meinung aufzwingen.

Name wird geändert

Bis jetzt gab es nie Reklamationen zum Gendertag, weiss Demiri. Die Jugendlichen fanden den Anlass immer cool. Der Tag soll die Jugendlichen stärken und zum Schutz vor sexuellem Missbrauch beitragen.

Patrick Rüedi, Leiter Bildung aus Stäfa ist fassungslos über die ganzen Auswirkungen des Gender-Tages. Der Gender-Tag wird sicher nicht abgeschafft, denn die Inhalte sind durch den Lehrplan21 vorgegeben. Der Name wird jedoch geändert. Der Name Gender-Tag, die Sternchen und auch das Transgender-Logo haben bedauerlicherweise für Missverständnisse gesorgt.

Im Netz hat angesichts der Absage der Wind teilweise gedreht. Eine Userin meint, dass es eine Schande sei, was gelaufen ist. Als traurige Cancel-Culture live kommentiert der Stäfner SP-Kantonsrat Raphael Mörgeli. Er gibt damit denjenigen den Vorwurf zurück, die zur Eskalation beigetragen haben.

  • Kommentar

Das Thema hat sehr viele Reaktionen losgetreten. Es geht auch darum, dass viele gar nicht wissen, um was es genau geht. Der Begriff Gender-Tag ist sicher nicht ganz klug gewählt, denn der Begriff Gender hat diverse Bedeutungen, wird aber einfach generell benutzt, was problematisch werden kann.

Fakt ist, dass viele Eltern und auch andere Menschen, das Thema nicht einfach so hinnehmen. Es stösst nicht nur auf Verständnis, dass man sein Geschlecht neuerdings aussuchen kann. Kinder in der Pubertät sind auch sehr beeinflussbar und werden durch die ganze Thematik verunsichert. Ein gar medizinischer Eingriff an Kindern ist nicht zu unterschätzen.

Unterschätzte Folgen

Eine ehemalige Schulkollegin erzählte mir vor ein paar Jahren, dass ihre Anita nun ein Kevin sei. Doch nicht nur wechselte Anita ihren Namen, sondern wollte auch ihr Geschlecht umwandeln, was in dieser Familie ein grosses Thema wurde. Die Eltern mussten zu dieser Zeit ihr Einverständnis geben, verstehen, dass ihre Tochter immer wieder betonte, dass sie im falschen Körper sei. Die Operation war ein langwieriger Prozess, begleitet von der Einnahme von Hormonen, die den ganzen Menschen veränderte. Es ist kein Selbstbedienungsladen, indem man mal einfach das Geschlecht kaufen und umwandeln kann, sondern ein grosse Veränderung am Menschen selbst und auch in seinem Umfeld. Es löst bei mir Zweifel aus, dass das ein gangbarer Weg ist, um dem Problem des falschen Körpers zu begegnen. Bei mir löst es Fragen der Ethik und Schöpfung aus, bei jemandem anderen sind es andere Themen. Wo sind die Grenzen vom Möglichen?

Definition von «Gender»

Das Wort «gender» kommt aus dem Englischen und bedeutet Geschlecht. Damit sind aber nicht die Geschlechtsteile gemeint, sondern das soziale Geschlecht. Ein soziales Geschlecht ist alles, was als typisch für Frauen oder Männer angesehen wird.

Was ist mit dem Wort «gender» gemeint? Worin unterscheidet sich der englische Begriff «Gender» vom deutschen «Geschlecht»?

Während im Deutschen «Geschlecht»  ein sehr umfassender Begriff ist und sich u. a. auf das biologische, das gesellschaftliche oder gar das Adelsgeschlecht beziehen kann, benennt das englische «gender» präzise die gesellschaftliche, also die soziale Dimension von Geschlecht. Gemeint sind damit die kulturspezifisch wie historisch variablen Rollen, Erwartungen, Werte und Ordnungen, die an das jeweilige bei der Geburt zugewiesene Geschlecht geknüpft sind.

Wie sich diese soziale Dimension gestaltet, ist abhängig von der jeweiligen Kultur (wie Geschlecht mit Leben gefüllt wird, wie viele Geschlechter es gibt) und der historischen Entwicklung (z.B. Männlichkeit heute im Vergleich zum Mittelalter).

Das Verständnis von «gender» als soziales Geschlecht wurde Anfang der 1970er, besonders durch die britische Soziologin und Autorin Ann Oakley, in der Frauenforschung aufgegriffen. Oakley bezog sich überwiegend auf ein Verständnis von gender, das in der Medizin entwickelt wurde.

 
Als Pendant zum Begriff «gender» wird häufig «sex» genannt, wobei letzterer das körperliche, bei der Geburt zugewiesene, Geschlecht meint. Historische Untersuchungen zeigen hingegen wie sich die Wahrnehmung von Körpern und auch von Geschlecht in der Geschichte veränderte.

Auch «sex» lässt sich daher nicht einfach als etwas von der Biologie «gegebenes» betrachten, sondern muss als Kategorie verstanden werden, die mit vergeschlechtlichten Bedeutungen versehen wird.

Unser Blick auf den Körper ist deshalb keinesfalls objektiv, weil er nicht frei von gesellschaftlichen Vorstellungen sein kann. Wo Kultur anfängt und Natur aufhört ist nach bisherigem Erkenntnisstand dennoch nicht klar zu trennen, wird jedoch durch das vergleichsweise junge biomedizinische Feld der Epigenetik erforscht.

Quelle: Universität Duisburg/Essen/Gleichstellung

Patricia Rutz, Goldküste24