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26.04.2023

Sind alle Tassen im Schrank, herrscht Ordnung

Fehlende Tassen im Schrank sind nicht am Aufbewahrungsort zu suchen. Bild: Gabriella Coronelli, Schaffhausen24
Wer nicht alle Tassen im Schrank hat, muss nicht gleich in der Spülmaschine nach ihnen suchen. Die Redewendung hat vielmehr mit Unzurechnungsfähigkeit zu tun.

Die saloppe Redewendung «nicht alle Tassen im Schrank haben» deutet auf eine limitierte Zurechnungsfähigkeit hin. Die genaue Herkunft der Redewendung ist nicht geklärt, doch es lassen sich einige mögliche Theorien und Erklärungen dazu finden. Im Sprachgebrauch wird die Redewendung heute im übertragenen Sinn dafür verwendet, jemandem ein unvernünftiges Handeln zu attestieren oder um zu beschreiben, dass jemand den Verstand verloren hat. Wer nicht alle Tassen im Schrank hat, ist demnach nicht darauf angewiesen, das Geschirr auf Vollständigkeit zu überprüfen.

Unzureichender Wohlstand

Eine Theorie besagt, dass die Redewendung aus dem 18. Jahrhundert stamme. Zu jener Zeit galt der Besitz von Porzellan-Tassen bei der feinen Gesellschaft als Statussymbol. Die kostspieligen Güter galten als Zeichen für finanziellen Wohlstand und wurden in einem Schrank, meist mit gläsernen Türen, aufbewahrt. Damit wurden verschiedene Ziele verfolgt. Einerseits waren die Tassen bei Nichtgebrauch im Schrank vor Beschädigungen geschützt. Andererseits wurden sie Besucher:innen zur Schau gestellt. Ein Blick in den Schrank genügte, um herauszufinden, wie wohlhabend die Gastgeber-Familie war. Die fein säuberliche Platzierung der Tassen im Schrank zeigte zudem auf, dass es sich um eine ordentliche Familie handelte. War der Schrank gut gefüllt, galten die Besitzer:innen als gutbetucht. Wenn jemand «nicht alle Tassen im Schrank» hatte, bedeutete dies, dass entweder gar keine Porzellan-Tassen im Schrank aufbewahrt wurden oder nur eine geringe Stückzahl. Diese Tatsache wurde mit unzureichendem Wohlstand oder Minderwertigkeit gleichgesetzt.

Die kontrollierende Schwiegermutter

Eine andere Erklärung findet sich in der stereotypischen Vorstellung der Schwiegermutter, die klischeehaft kontrollierend oder kritisch sein kann. Nach der Heirat hätten Schwiegermütter, die dieser Vorstellung entsprachen, jeweils die Schränke ihrer Schwiegertöchter kontrolliert. Bei der Musterung konzentrierte sich die Schwiegermutter auf Vollständigkeit und Anordnung der Tassen. War das Set der Trinkgefässe nicht mehr vollzählig oder waren die Tassen nicht ordentlich eingeräumt, war das kein gutes Omen für die zukünftige Beziehung zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter. 

Kein Trinkgefäss

Keine Verbindung mit dem Trinkgefäss hat folgende Erklärung der Redewendung. Das hebräische Wort «toshia» klingt ausgesprochen ähnlich wie Tasse und wird mit dem Wort Verstand übersetzt. Wer im deutschen Sprachraum dem Hebräischen nicht mächtig war, verstand Tasse. Wer nicht alle Tassen im Schrank hat, hat demzufolge den Verstand verloren. 

Redewendungen mit dem Wort Tasse beschreiben aber nicht immer nur Negatives. Zu «nicht alle Tassen im Schrank», «eine trübe Tasse sein» oder «einen Sprung in der Tasse haben» gesellt sich auch ein heiterer Spruch. Bei einem Gläschen oder zwei soll geprostet werden: also «hoch die Tassen». Auf keinen Fall sollten die Tassen nach diesem Hoch jedoch fliegen: Sonst fehlen sie ja wieder.

Gabriella Coronelli, Schaffhausen24 / Goldküste24