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Hombrechtikon
29.03.2023
30.03.2023 15:13 Uhr

Zeichnen statt schlafen – eine Begegnung mit Rochus Waldvogel

Rochus Waldvogel zeichnet vor allem nachts, wenn er nicht schlafen kann. Bild: Martina Gradmann
Er wohnt seit 33 Jahren in Hombrechtikon und hat neben seiner Arbeit einen ungewöhnlichen Zeitvertreib. Rochus Waldvogel malt anhand von Fotos detailgetreue Bleistiftzeichnungen von Landschaften, Gebäuden und Tieren. Das Zeichnen ist für ihn allerdings keine Leidenschaft, sondern eher ein Leidensdruck.

Wenn er nicht Liegenschaften betreut, im Rebberg werkelt, seine Aufgabe als Hüttenwart im Jugendhaus Stäfa wahrnimmt, mit seinen Sängerkollegen zusammensitzt oder Salami produziert, dann zeichnet Rochus Waldvogel. Anhand von Fotos malt er vorwiegend Gebäude, Landschaften und Tiere naturgetreu nach, und das mit seiner eigenen, speziellen Methode. «Ich setze zuerst eine ganze Reihe von Orientierungspunkten, ohne die ich nicht zeichnen könnte», erklärt der 62-jährige Hombrechtiker. Das könne manchmal bis zu zwei Stunden dauern. Erst danach entstehen seine Bilder, die mit ihrer Detailtreue und Feinheit die Betrachter begeistern. Entwickelt hat er diese Methode schon als Schulbub und wurde dabei von seinem Lehrer unterstützt und gefördert.

Zeichnen gegen die Schmerzen

Heute zeichnet Rochus allerdings nicht aus Leidenschaft. Der gelernte Confiseur hat sich vor einiger Zeit den Ischiasnerv so stark eingeklemmt, dass dieser richtiggehend gestaucht wurde. «Wenn ich nachts wegen der Rückenschmerzen erwache, stehe ich auf und zeichne. Das lenkt mich ab. Dann lege ich mich für ein paar Stunden aufs Sofa, bis ich wieder aufstehen muss.» Rochus hofft, dass seine Rückenschmerzen bald vorbei sind und er mit dem Zeichnen aufhören kann.

In den schlaflosen Nächten sind mittlerweile unzählige Zeichnungen entstanden. Viele davon stammen aus seiner Heimat Graubünden, aber auch aus der näheren Umgebung.

Von Davos ins Unterland

Aufgewachsen ist Rochus in Siebnen und Davos. Dort hat er die Schule besucht und auch eine Lehre als Konditor absolviert. Dass er ins Unterland gezogen ist, hat einen traurigen Grund: Bei einem Unfall habe er seine Freundin verloren, erzählt Rochus. «Das war sehr schwer und alle haben mir geraten, den Wohn- und Arbeitsort zu wechseln.» Davos zu verlassen, sei ihm nicht leichtgefallen.

Vom Konditor zum Gärtner

Er zog an den Zürichsee und arbeitete als Konditor-Confiseur in Meilen. Bald darauf entwickelte er aber eine Mehlstaub-Allergie und musste sich umorientieren. Er liess sich zum Landschaftsgärtner umschulen und betreute während fünfzehn Jahren die Grünanlagen für das Unispital Zürich. Nach dieser Zeit hat er noch bei einem anderen Liegenschaftsservice gearbeitet und schliesslich 2002 gemeinsam mit seiner Frau eine Firma für Liegenschaftsservice und Gartenpflege gegründet. Dort arbeitet er heute noch, obwohl mittlerweile seine Söhne die Firma übernommen haben. Er sei der«Gango», wie er es nennt.

«Es Huus in Feldbach», 2022. Bild: Rochus Waldvogel

Rebberg und Salami

An der Breitlenstrasse, wo er mit seiner Frau seit 1990 wohnt, fühle er sich zu Hause. «Hier gefällt es uns und hier möchten wir bleiben», sagt Rochus. Die Einbettung zwischen dem Zürich- und dem Lützelsee und das schöne Bergpanorama seien einmalig in Hombrechtikon, schwärmt Waldvogel.

Trotz seiner Schmerzen ist Rochus ein fröhlicher und geselliger Mensch, der einen grossen Freundeskreis pflegt. Seien es die Kollegen aus dem Männerchor oder die, mit denen er einen Rebberg in Stäfa betreibt. Im Garten hat Rochus ein «Räumchen», wo er mit seinen Freunden zusammensitzt und für den Eigengebrauch Salami produziert.

Fangemeinde auf Social Media

Jeden Freitag platziert Rochus sein neustes Werk in seinen sozialen Kanälen und wird dafür von seiner Fangemeinde gefeiert. Doch er macht klar: «Wenn ich nachts wieder schlafen kann, wird es auch mit dem Zeichnen vorbei sein.»

Martina Gradmann, Redaktion Ährenpost