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03.02.2023

Drei Viertel der Parkplätze fallen weg

Diesen Parkplätzen am Stauffacherquai geht es an den Kragen. Reinhard Lutz und ruft Anwohnende dazu auf, sich zu wehren. Bild: Karin Steiner
Am Stauffacherquai und an der Schimmelstrasse sollen 104 von 136 Parkplätzen aufgehoben werden. «Eine Katastrophe», findet Quartierbewohner Reinhard Lutz.

Karin Steiner

Er ruft Anwohnende mit Flyern dazu auf, sich zu wehren und Einsprache zu erheben.

Den neusten Parkplatz-Kahlschlag plant die Stadt Zürich am Stauffacherquai zwischen Zurlinden- und Kasernenstrasse. Am Stauffacherquai sollen 52 von 57 gebührenpflichtigen Parkplätzen und 36 von 40 Parkplätzen der blauen Zone aufgehoben werden. Zudem wird am Stauffacherquai und in der Manessestrasse je eine Fahrspur weniger zur Verfügung stehen. An deren Stelle entstehen unter anderem neue und zusätzliche Velorouten, 98 neue Veloparkplätze und verbreiterte Gehwege. «Die beiden Strassenachsen Manesse­strasse und Stauffacherquai weisen im Projektperimeter einen verkehrsorientierten Charakter mit sehr geringen Aufenthaltsqualitäten auf», schreibt die Stadt in ihrem erläuternden Bericht.

Grosser Suchverkehr droht

Ganz anderer Ansicht ist Quartierbewohner Reinhard Lutz, der im angrenzenden Hallwylquartier wohnt und bereits 1985 die IG Wohnliches Hallwylquartier gegründet hat. «Schon jetzt haben die ­Bewohnerinnen und Bewohner dieses beschaulichen Quartiers unter der Woche Mühe, einen Parkplatz zu finden, weil die Pendler alles belegen», schimpft er. «Viele von ihnen haben Tageskarten, sie parkieren in den Parkhäusern und Hinterhöfen und gehen dann zur Arbeit. Wenn jetzt fast alle öffentlichen Parkplätze und die der blauen Zone aufgehoben werden, entsteht hier ein noch grösserer Suchverkehr, und die Anwohnenden werden grosse Mühe haben, einen Parkplatz für ihr Fahrzeug zu finden.»

Deshalb hat Reinhard Lutz Flyer kreiert, die er nun unermüdlich verteilt und mit denen er die Quartierbewohnenden dazu anregen will, Einsprache gegen das geplante Projekt zu erheben. Für die Parksituation erschwerend hinzu komme die Ungerechtigkeit, dass Leute, die eine Blaue-Zone-Karte für den Kreis 3 besitzen, auch hier im Kreis 4 parkieren dürfen, umgekehrt aber nicht. «Das macht die ­Situation für uns nicht besser.»

Er selber sei absolut kein Velofeind und sei in der Stadt ausschliesslich mit dem Velo unterwegs, das Auto brauche er nur, um aus der Stadt herauszufahren. «Aber der Veloverkehr in unserem Quartier ist sehr überschaubar, im Winterhalbjahr sowieso. Es sind in keinem Vergleich mehr Autos unterwegs. Und es gibt hier jetzt schon fast mehr Veloparkplätze als Einwohnende. Es dominiert der Pendlerverkehr.»

Auch das Gewerbe leidet

Vom in der ganzen Stadt grassierenden Parkplatzschwund ist auch das Gewerbe schwer getroffen. Gegen den Kahlschlag an der Zurlindenstrasse hat sich Gewerbe Zürich 3 rechtlich gewehrt, die Rekurrenten sind jedoch im November 2022 vor dem Verwaltungsgericht abgeblitzt. «Das Baurekursgericht wie auch das Verwaltungsgericht haben die Argumente nicht gehört und abgelehnt, weil die Stadt völlige Freiheit habe in der Bestimmung der Parkplätze», so Markus Rupper, Präsident Gewerbe Zürich 3. «Es gibt offenbar keinen Rechtsanspruch des Gewerbes auf Parkplätze. Der Stadtrat von Zürich kann jederzeit und uneingeschränkt Parkplätze abbauen und sich auf den vom Volk akzeptierten Richtplan berufen. Das ist ein politisches Vorgehen – ein Stadtrat in einer anderen Zusammensetzung könnte aber auch Parkplätze behalten oder sie sogar ausbauen. Die im Richtplan versprochenen vielen Parkhäuser sind weder in Planung noch in Realisation.»

Doch die Stadt Zürich hält an ihren Parkplatz-Abbauplänen fest. «Die Aufenthaltsqualität im Projektperimeter ist ­gering, und es fehlt an Grünräumen zur Hitze­minderung», so Roger Muntwyler, Projektleiter Kommunikation vom Tiefbauamt. «Zudem steht dem Fuss- und Velo­verkehr nur wenig Platz zur Verfügung. Unsere Vorgaben, etwa die Gemeindeordnung und der kommunale Richtplan Verkehr, schreiben vor, dass der Fuss- und Veloverkehr sowie der ÖV gefördert und dass Massnahmen zur Hitzeminderung ergriffen werden müssen.»

Im Rahmen der Projektierung seien unterschiedliche Varianten geprüft worden. «Die vorliegende Bestvariante ermöglicht in der Manessestrasse und am Stauffacherquai eine beidseitige und durchgängige Veloinfrastruktur. Zudem kann der Fuss- vom Veloverkehr getrennt werden.» Von der Manessestrasse bis in den Stauffacherquai würden abgetrennte und durchgängige Veloverbindungen ­geschaffen. «Neben der Einführung von Tempo 30 werden über 40 zusätzliche Bäume zur Hitzeminderung und für eine bessere Aufenthaltsqualität gepflanzt. Um Platz für diese Massnahmen zu ­gewinnen, wird ein Teil der Parkplätze abgebaut. Das Planungs- und Baugesetz schreibt vor, Parkplätze auf Privatgrund zu realisieren. So kann der Parkplatz­bedarf zusehends auf Privatgrund abgedeckt werden. In der Nähe der Manessestrasse und des Stauffacherquais entstanden und entstehen Ersatzneubauten mit privaten Parkplätzen.» Doch leider stehen diese in erster Linie den Mieterinnen und Mietern zur Verfügung und sind für Auswärtige oft preislich unerschwinglich.

Veloweg blockiert Rettungsdienst

«Der Abbau von Parkplätzen an der Schimmelstrasse und Manessestrasse steht in einer langen Reihe von städtischen Bestrebungen, die für das Gewerbe in Alt-Wiedikon sowie für die an diesen beiden Verkehrsachsen wohnenden jüdischen Familien zum Problem werden», sagt Urs Rauber, Präsident des Quartiervereins Wiedikon. «Das wissen wir aus dem Kontakt mit Anwohnerinnen und Anwohnern vor Ort. Der Einkauf mit dem Auto ist speziell für kinderreiche Familien schwieriger geworden. Dasselbe gilt für Geschäfte und Handwerksbetriebe, denen die Zufahrt zu Liegenschaften erschwert wird. Schliesslich kennen wir die Klage des jüdi­schen Rettungsdienstes Hazoloh, für den die Zufahrt zu Wohnungen in Notfällen teilweise wegen dort neugebauter Velo­routen verunmöglicht wird. Wir ­haben beim offiziellen Besuch des Stadtrates vom 9. Juni 2022 im Kreis 3 diese Frage aufgegriffen.» Leider habe eine sehr eindrückliche Schilderung der Zustände durch einen Quartierbewohner, Mitglied von Hazoloh, keine Wirkung auf die teilnehmenden Stadträtinnen und Stadträte gezeigt.

m Rahmen der öffentlichen Planauflage können Anwohnerinnen und Anwohner noch bis 6. Februar gegen das Projekt auf stadt-zuerich.ch/planauflagen Einsprache erheben.

Karin Steiner / Goldküste24