Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken Magazin Agenda
Uetikon am See
01.02.2023

Melkstühle flitzen über das Eis

Eisstockschiessen ist Volkssport und Brauchtum. (Symbolbild) Bild: Gallerie Müller Foto/ Collage Goldküste24
Neun Gemeinden kämpften in einem spannenden, freundschaftlichen Wettkampf um die erste Zürichsee Eisstock Trophy.
  • Marco Huber

Freitagabend Ende Januar im Eispark Uetikon. Es ist winterlich frisch. Auf dem Eisfeld herrscht reger Betrieb. Mehrere Gruppen stehen sich auf dem Eis gegenüber. Sie stossen Eisstocke über die glatte Fläche, begleitet von Jubel, Gelächter und Gejohle. An der Bande sitzt Eispark-Präsidentin Kiki Lanz und kommentiert die Matches mit fast so viel Pathos wie Sascha Ruefer die Länderspiele der Nationalmannschaft im Fernsehen.

Im Restaurant Schliifi sitzen die Leute um die Tische, diskutieren angeregt und prosten sich zu. Ein umtriebiger Steuerbeamter der Gemeinde Meilen erklärt, einen Kaffee Luz in der Hand haltend, dass zu viel Kraft beim Eisstockschiessen nicht förderlich sei. «Man muss mit Gefühl an die Sache gehen und möglichst präzise schiessen.» Für ihn und seine Mannschaft geht es weiter. Die nächste Partie steht auf dem Programm. Die Teams tragen vier Partien aus. Zwei Punkte gibt es für den Sieg, einen für ein Remis. Bei Punktgleichstand zählen die Anzahl der Stöcke über die vier Spiele.

Insgesamt sind 18 Teams zur Zürichsee Eisstock Trophy gemeldet. Sie kommen aus neun verschiedenen Gemeinden: Uetikon, Meilen, Männedorf, Herrliberg, Hombrechtikon, Egg, Küsnacht, Zollikon und Zumikon sind vertreten. Mit über 80 Teilnehmenden können die Organisatoren einen Teilnahmerekord verzeichnen. Entsprechend erfreut zeigt sich Kiki Lanz. «Das Gemeindeturnier ist einfach immer wieder ein cooler Event. Und mit so vielen Leuten macht es umso mehr Spass.»

Praktikabler als Hockey

Die letzten Jahre massen sich die Gemeinden bei einem Eishockeyturnier. Ins Leben gerufen hatte dies Didier Mayenzet, Gemeindeschreiben von Meilen. Wobei es zunächst nur ein Plauschmatch zwischen Meilen und Uetikon gab. Nach und nach meldeten sich dann mehr Gemeinde-Hockeyteams. Doch mit der Zeit nahmen dann wieder weniger Teams teil. kam man im Vorstand des Eispark-Vereins auf die Idee, stattdessen auf Eisstockschiessen zu setzen. Seit Jahren schon ist Eisstockschiessen im Eispark eine beliebte Aktivität – ob nun als Event für Firmen oder Vereine.

Die Abkehr vom Eishockey- zum Eisstockturnier hat vor allem praktische Gründe. Für die breite Masse sei Eisstockschiessen einfach besser geeignet, insbesondere auch für Frauen, sagt Kiki Lanz. «Und es braucht keine schwere Ausrüstung wie beim Hockey, was viel angenehmer ist.» Das sehen auch die Teilnehmenden so. «Es ist schon eher ein Seniorensport», sagt der bereits genannte Meilemer Steuerbeamte, der auch schon mehrfach beim Eishockeyturnier mitspielte. «Die Intensität ist nicht so hoch, aber so kann jeder mitmachen.» Allgemein begrüssen die Teilnehmer den Disziplinen-Wechsel, wobei einige durchblicken lassen, dass man das auch schon früher hätte erkennen können. Konfrontiert mit dieser Kritik gesteht Didier Mayenzet, dass er vielleicht etwas zu lange an der Hockey-Tradition festgehalten habe. Umso mehr freut er sich über die vielen Teilnehmenden zur Eisstock-Premiere.

Eisstockschiessen macht Spass! Bild: Gallerie Müller Foto

Festfreudige Fischotter

Eisstockschiessen ist Volkssport und Brauchtum. Der Sport wurde höchstwahrscheinlich in Skandinavien erfunden. Schon im 16. Jahrhundert war es eine beliebte Beschäftigung, der insbesondere Bauern und Handwerker nachgingen, weniger aber der Adel. Früher ausschliesslich auf gefrorenen Gewässern, kann heute das ganze Jahr hindurch auf Kunsteisbahnen gespielt werden. Die Präzisionssportart hat eine Renaissance erlebt. Vergleiche mit Curling drängen sich auf. Jedoch hat Eisstockschiessen seinen eigenen Schwerpunkt. Die Stöcke sehen aus wie umgedrehte Melkstühle. Spieler aus zwei Teams versuchen diese von der Abspielstelle aus möglichst nahe an die Daube zu schiessen, die auf dem Mittelkreuz im Zielfeld liegt. Wird die Daube weggeschossen, verbleibt sie an der neuen Position, sofern diese noch innerhalb des Zielfeldes liegt. Ansonsten muss sie wieder auf das Mittelkreuz gelegt werden.

Nicht wie geschmiert mit den Melkschemeln läuft es den Männedörflern. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, die Konkurrenten aus Meilen zu schlagen. Am Ende finden sich die Fischotter im Niemandsland der Rangliste. Das hindert die Sportskameraden aber nicht daran, beim Pasta Plausch im Anschluss an den Wettkampf im Festzelt für Hochstimmung zu sorgen. Am Männedörfler Tisch geht es mit Abstand am lautesten zu und her.

Für Rolf Baumann, Sachbearbeiter Sicherheit, ist indes klar: «Wir müssen ganz einfach mehr trainieren, um parat zu sein, wenn es zählt.» Ganz im Stile eines generösen Gastgebers würden die Uetiker die Männedörfler wohl auch auf der Anlage trainieren lassen. Auf das Eisfeld mitten im Dorf ist man in Uetikon zurecht stolz. «Es ist lässig, dass wir zusammen mit dem Eispark hier immer wieder solche gemeindeübergreifenden Anlässe auf die Beine stellen können», sagt der Uetiker Gemeindeschreiber Reto Linder, während er mit seinem Team gerade in der «Schliifi» bei Bier und Glühwein zur Match-Nachbesprechung zusammensitzt.

  • Gemütliches Beisammensein gehört auch zu einer Gemeindetrophy. Bild: Gallerie Müller Foto
    1 / 2
  • Bei schönem Wetter ein warmes Getränk geniessen. Bild: Gallerie Müller Foto
    2 / 2

Ambitionen und ein Fahnen-Fauxpas

Die Geselligkeit steht ganz eindeutig im Fokus. Das lockere Stelldichein hat den Charakter eines Klassentreffens. Das wissen die Verwaltungsangestellten aus den neun Gemeinden zu schätzen. «Mit Mitarbeitenden aus den verschiedenen Abteilungen gemeinsam an solchen Events teilzunehmen, verbindet und fördert den Kitt enorm», sagt Didier Mayenzet. Gerade zu Zeiten, in denen auch auf den Gemeindeverwaltungen Fachkräftemangel herrscht, seien soziale Aktivitäten wichtig, um gute Leute zu behalten oder um bei Stellenausschreibungen mit einem zusätzlichen Argument zu punkten.

Das weiss auch Berufskollege Markus Gossweiler. Der Zolliker Gemeindeschreiber steht selber nicht auf dem Eis im Einsatz. «Ich muss hier primär schauen, dass mir keine Leute abgeworben werden.» Dies könne durchaus vorkommen. Sportlich haben die Zolliker aber viel Grund zum Feiern. Am Ende holen sie sich den zweiten Platz. Und da wird Gossweiler kurzerhand zum Fähndrich. Euphorisch schwingt er die riesige Zolliker Fahne. Den Gewinn der silbernen Trophäe feiert die Zolliker Delegation derart ausgiebig, dass am Ende des Abends doch tatsächlich die Fahne im Eispark vergessen geht. Mit gewissen Verlusten muss man eben immer rechnen.

Apropos Fahne: Die mitgebrachte Fahne der Meilemer, die am Gitter oberhalb des Eisfeldes hängt, überragt alle anderen. Die Meilemer machen keinen Hehl daraus, dass sie angetreten sind, um zu gewinnen. Zudem schickt der Bezirkshauptort gleich sechs Teams ins Rennen. Am Ende triumphierte das Team der Meilemer Tiefbauabteilung. Der Sieg bei der ersten Zürichsee Eisstock Trophy mag man Meilen gönnen. Dieser ist nicht zuletzt auch ein bisschen ein Trost dafür, dass es Meilen damals nicht geschafft hat, ein eigenes Eisfeld zu initiieren. Der Standort etwas weg vom Zentrum und die fehlenden Helfer waren die Gründe für das Scheitern. So wagen sich die Meilemer weiterhin im nahen Uetiker Exil aufs Eis. Das sie dies gerne tun, haben sie am Eisstockturnier der Gemeinden eindrücklich bewiesen.

Verein Eispark Uetikon, Marco Huber / Goldküste24