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Schweiz
31.01.2023

Pflanzliche Dämmstoffe als CO2-Senke?

Pflanzenkohle soll im Hausbau zum Einsatz kommen und so langfristig CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Bild: EMPA
Empa-Forschende wollen ein neuartiges Dämmmaterial aus pflanzlichen Rohstoffen oder Abfällen entwickeln, das das darin enthaltene CO2 dauerhaft bindet.

Der Gebäudebereich ist der materialintensivste Sektor und einer der wichtigsten Treiber des globalen Klimawandels. Er ist verantwortlich für rund 40 Prozent des globalen Energieverbrauchs, für 30 Prozent der Treibhausgasemissionen und sorgt in der EU für 36 Prozent des anfallenden Abfalls.

Treibhausgas-Emissionen reduziert

Nachdem in den letzten Jahrzehnten erhebliche Anstrengungen unternommen wurden, damit Gebäude weniger Energie verbrauchen, und im Betrieb des Gebäudeparks vermehrt erneuerbare Energie eingesetzt wird, haben sich die Treibhausgas-Emissionen hier merklich reduziert, schreibt die Empa in ihrer Mitteilung.

Über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden spiele jedoch deren Erstellung sowie die Herstellung der Baustoffe ebenfalls eine wesentliche, im Vergleich zum Betrieb aber noch wenig beachtete Rolle. Bei modernen Gebäuden sind die «grauen» Treibhausgasemissionen, die auf die Erstellung des Gebäudes zurückgehen, ähnlich hoch wie die Emissionen aus dem Betrieb. Daher haben Baumaterialien, die der Atmosphäre langfristig CO2 entziehen, grosses Potenzial, den ökologischen Fussabdruck von Gebäuden zu senken.

CO2 langfristig binden

Ein neues Forschungsvorhaben von WissenschaftlerInnen um Jannis Wernery vom «Building Energy Materials and Components Lab» der Empa basiert auf der Idee, CO2 in neu entwickelten Dämmstoffen langfristig zu binden. Dazu sollen pflanzliche Rohstoffe – idealerweise Abfallprodukte aus der Land- und Forstwirtschaft – zu Dämmmaterialien für Gebäude verarbeitet werden.

Der grösste Teil des in der Biomasse gebundenen Kohlenstoffs, den die Pflanzen während ihres Wachstums in Form von CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen und gebunden haben, könne durch eine spezielle Hitzebehandlung dauerhaft fixiert werden; er bleibe in der so entstandenen «Pflanzenkohle» während der gesamten Lebensdauer des Gebäudes – und sogar weit darüber hinaus – gebunden. Werde dieses zurückgebaut, könne die Pflanzenkohle direkt in Äcker eingebracht werden. Dort erhöhe sie die Fruchtbarkeit des Bodens und bleibe über Jahrhunderte bis Jahrtausende stabil – im Gegensatz zu anderen pflanzlichen Baustoffen, etwa Holz oder Zellulosedämmung, die bei der Verrottung oder thermischen Verwertung das gespeicherte CO2 wieder freisetzen.

Gibt noch viel zu tun

«Bis die Idee in die Praxis umgesetzt werden kann, gibt es aber noch viel zu tun», sagt Physiker Wernery, der sich mit seiner Forschungsgruppe an der Empa auf die Erforschung und Entwicklung von Dämmstoffen spezialisiert hat und für diesen neuen Ansatz auch mit Forschenden an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zusammenarbeitet.

Dabei sei es unter anderem wichtig sicherzustellen, dass sämtliche Inhaltsstoffe der neuartigen Dämmmaterialien für eine spätere Verwendung als «Dünger» geeignet seien; ein marktfähiges Dämmmaterial müsse natürlich auch punkto thermischer Isolation mit etablierten Produkten mithalten können sowie zudem einen ausreichenden Brandschutz gewährleisten.

Könnte CO2-Bilanz deutlich verbessern

Empa-Forscher Wernery ist überzeugt, dass eine Pflanzenkohle-Dämmung die CO2-Bilanz der Schweiz künftig deutlich verbessern könnte – wenn es gelingt, dieses anspruchsvolle «Anforderungsprofil» zu erfüllen.

Eine erste Analyse habe gezeigt, dass sich durch einen realistischen Teilersatz konventioneller Dämmstoffe wie EPS oder Mineralwolle durch Pflanzenkohle gut eine halbe Million Tonnen CO2-Äquivalente jährlich einsparen liesse, einerseits durch Vermeidung von Emissionen bei der Produktion der konventionellen Materialien, andererseits durch die Langzeitspeicherung des CO2 in der Pflanzenkohle. Dies entspreche gut einem Prozent der gesamten Schweizer Treibhausgasemissionen.

Finanzielle Unterstützung – gleich aus mehreren Quellen

Ein ambitioniertes Konzept mit einem grossen Potenzial – das fanden auch diverse Förderinstitutionen und unterstützen daher Wernerys Ansatz finanziell: Nämlich die Minerva-Stiftung, die sich unter anderem für einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen einsetzt, der ETH-Rat sowie das Bundesamt für Energie (BFE).

Nicht zuletzt habe zudem erst vor kurzem der Klimafonds vom Stadtwerk Winterthur für die Erarbeitung der Grundlagen einen Förderbeitrag gesprochen, der aus freiwilligen Beiträgen von zwei Rappen pro bezogener Kilowattstunde Strom der Kundinnen und Kunden vom Stadtwerk Winterthur stamme, so die Empa.

Zürioberland24 / Goldküste24