Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken Magazin Agenda
Sport
27.01.2023

«Ich lernte die Ellbogen auszufahren»

Hoffnungsträgerin: Eleni Rittmann will mit dem FC Rapperswil-Jona durchstarten. Bild: zVg
Sie ist die defensive Lebensversicherung des FC Rapperswil-Jona. Und sie hat eine grössere Fangemeinde als alle ihre männlichen Kollegen im Klub zusammen.

So tickt FCRJ-Fussballerin Eleni Rittmann.

Eleni, wie kamst du als Mädchen zum Fussball?
Durch meine älteren Brüder Marc und Nico. Sie waren immer meine grossen Vorbilder. Ich wollte sein, wie sie sind. So ging ich zum FC Walenstadt. Dort spielte ich anfänglich mit den Buben.

War dies immer einfach?
Sportlich hat es mir sehr viel gebracht. Ich lernte, mich durchzusetzen und die Ellbogen auszufahren. Aber ich musste einige blöden Sprüche über mich ergehen lassen – vor allem auch von Eltern der gegnerischen Spieler. Die konnten es wohl schwer ertragen, dass ihre Jungs gegen ein Mädchen spielen mussten.

Du spieltest später ein erstes Mal bei Rapperswil-Jona, dann im Nachwuchs des FC Zürich. Später wechseltest du über St. Gallen zu den Grasshoppers und nun wieder zum FC Rapperswil-Jona. Weshalb diese vielen Transfers?
Dies hat mit einer kontinuierlichen Entwicklung zu tun. Es ging sukzessive aufwärts. Nach den ersten drei Jahren bei Rappi erhielt ich eine Anfrage des FCZ, wo ich es bis in die U21-Equipe schaffte. St. Gallen war mein erster Klub in der Nationalliga A. Dann kam der Wechsel zu GC. Das war damals nicht die beste Entscheidung. Dort fehlte mir das Vertrauen – ich verlor die Freude und dachte darüber nach, aufzuhören. Das war vor anderthalb Jahren. In diesem Moment nahm ich Kontakt mit der Sportchefin von Rapperswil-Jona auf – mit Dao Tran. Sie war früher meine Trainerin. Und sie ermutigte mich, nochmals einen Anlauf zu nehmen.

Wie sieht deine Rolle in der Mannschaft aus?
Ich darf schon eine grosse Verantwortung tragen und bin in der Defensive vor allem für die Absicherung zuständig. Ich spiele in der Innenverteidigung oder im defensiven Mittelfeld.

Also quasi der Granit Xhaka von Rapperswil-Jona…
(lacht) … nein, eher Sergio Ramos.

Bild: zVg

Der Frauenfussball erlebt einen beeindruckenden Boom. Wie wertest du diese Entwicklung?
Sie ist sicher auf das erhöhte Interesse von Sponsoren und der Medien zurückzuführen. Seit sich in der Schweiz die AXA dazu entschieden hat, auch die Frauen-Liga zu unterstützen, hat sich diese Entwicklung akzentuiert. Und die vermehrte Präsenz im Fernsehen macht das ganze Produkt für die Öffentlichkeit viel interessanter. Dazu kommt, dass mittlerweile fast alle grossen Klubs in den Frauenfussball eingestiegen sind. In Rapperswil-Jona spüren wir eine sehr grosse Akzeptanz. Wir spielen immer im Stadion – und praktisch immer im Anschluss an die Partie der ersten Männer-Equipe. 

Verdienst du etwas mit dem Sport?
Wir erhalten Spesen. Es ist für eine Frau in der Schweiz aber nicht möglich, vom Fussball zu leben. Praktisch alle Spielerinnen gehen zu hundert Prozent einem Job nach. Ich studiere an der ZHAW in Zürich Sozialarbeit.

Gibt es Berührungspunkte zum Fussball?
Man hat mit Menschen zu tun. Das ist mir sehr wichtig. Zunächst spielte ich mit dem Gedanken, Physiotherapie zu studieren. Aber das wäre mir fast ein bisschen zu nahe beim Sport gelegen. Ich finde es schön, dass der Sport und die Ausbildung andere Themen umfassen. Im Studium befasse ich mich auch viel mit rechtlichen, geschichtlichen und politischen Zusammenhängen. 

Möchtest du gerne mit Xherdan Shaqiri tauschen – oder als Abwehrspielerin vielleicht eher mit Ricardo Rodriguez?
Tauschen möchte ich nicht. Aber ich würde mir noch mehr Akzeptanz für den Frauenfussball wünschen. Grundsätzlich kann ich aber sagen: Ich liebe mein Leben – den Fussball, aber auch das Studium. Könnte ich nicht studieren, würde mir definitiv etwas fehlen.

Bild: zVg

Auf den sozialen Medien bist du sehr präsent und hast allein auf Instagram 154‘000 Follower. Wie schafft man das?
Das war ein kontinuierlicher Prozess. Das Instagram-Konto habe ich schon lange. Doch ich hielt es lange privat. Nur Leute, die ich mich persönlich kennen, konnten mir folgen. Als die Bedeutung der sozialen Medien aber immer mehr zunahm, entschloss ich mich, den Kreis zu öffnen. Ich realisierte, dass dies zu einem zweiten Standbein werden könnte. So begann ich mit dem Posten von Fussballfotos – und so wuchs meine Fangemeinde immer mehr. Ich bin selber erstaunt, wie schnell das anging. Und an was es liegt, kann ich nicht wirklich sagen.

Im Vergleich mit Alisha Lehmann stehst du noch am Anfang. Die Nationalspielerin knackte unlängst die 10-Millionen-Marke. Welche Strahlkraft hat eine solche Zahl?
Eine grosse – vor allem auch für potenzielle Sponsoren. Deshalb vertraue ich den Diensten meines Sozialmedia-Managers – Joe Bastiampillai, der mir hilft, meinen Auftritt zu professionalisieren und zu optimieren. Ich will Spass haben, bei meinen Aktivitäten in den sozialen Medien – aber ich will auch einen professionellen Eindruck hinterlassen. 

Bild: zVg

Erhältst du auch negative Kommentare?
Die gibt es leider immer. Im Versteck der Anonymität fallen schnell Bemerkungen wie: Frauen können nicht Fussballspielen! Oder geh doch zurück an den Herd. Aber das prallt an mir ab.

Gibt es Grenzen, was du postest?
Ja – ganz klare Grenzen. Aufgrund meiner Vorbildfunktion vermeide ich freizügige Fotos.

Bild: zVg

Hast du einen Karriereplan?
Nein. Ich nehme es, wie es kommt – zumindest sportlich. Wichtig ist mir, das Studium abzuschliessen. Und das geht nur in der Schweiz. Später könnte ich mir einen Wechsel ins Ausland aber gut vorstellen. Die Bundesliga oder die englische Premier League sind grossartige Ligen.

Oder die spanische Primera División – wo die Frauen des FC Barcelona vergangenes Jahr zweimal vor rund 100‘000 Zuschauern spielten….
…. Ich bin schon nervös, wenn ich in Rappi vor 100 Zuschauern spiele. Ja eigentlich bin ich schon nervös, wenn ich meinen Vater auf der Tribüne sehe (lacht).

Thomas Renggli / Goldküste24