Ein Jahr später erhielten die beiden Forscher für ihre Entdeckung den Physik-Nobelpreis. Nun ist K. Alex Müller 95-jährig in Zürich verstorben.
1986 spielte sich in Zürich ein spannendes Stück Wissenschaftsgeschichte ab. Alles begann mit einer verrückten Idee, die K. Alex Müller, damals IBM-Fellow und Professor an der Universität Zürich (UZH), von einer Sizilien-Reise mit nach Hause gebracht hatte.
Er weihte seinen ehemaligen Praktikanten und Doktoranden, den jungen deutschen Forscher J. Georg Bednorz, mit dem er seit einiger Zeit am IBM-Forschungslaboratorium in Rüschlikon zusammenarbeitete, in sein Vorhaben ein. Die beiden beschlossen, bestimmte Materialien – genauer: Lanthan-Barium-Kupfer-Oxide – auf ihre Supraleitfähigkeit hin zu untersuchen.
Ausgerechnet Oxide! Diese haben unter normalen Bedingungen nur geringe Leitfähigkeit. Bisher war man wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass nur metallische Verbindungen als Supraleiter in Frage kämen. Die Vermutung, Oxide könnten unter bestimmten Bedingungen supraleitend werden, hatte Müller schon früher geäussert, doch niemand nahm in ernst. «Genau das motivierte mich. Ich hatte einfach Lust, gegen den Strom zu schwimmen», gab der Physiker einmal zu Protokoll.
Ein völlig unerwarteter Wechsel der Eigenschaften
Seine Hartnäckigkeit zahlte sich aus: Gemeinsam gelang Müller und Bednorz der Nachweis der erstaunlichen, bis heute nicht vollständig erklärbaren Tatsache, dass die Eigenschaft des Lanthan-Barium-Kupfer-Oxides, Strom schlecht zu leiten, bei sehr tiefen Temperaturen ins glatte Gegenteil umschlägt – in Supraleitfähigkeit.
Doch das war noch nicht einmal das aufregendste Resultat dieser Experimente. Die eigentliche Sensation war: Die Temperatur, bei der das Kupferoxid supraleitende Fähigkeiten erhielt – die sogenannte Sprungtemperatur –, lag bei erstaunlich hohen minus 238 Grad. Das überraschte auch Bednorz und Müller selbst. Sie hatten eine neue Klasse von Supraleitern entdeckt, die Hochtemperatur-Supraleiter (HTSL), und erhielten dafür 1987 den Nobelpreis.
Seit 1962 an der Universität Zürich
K. Alex Müller wurde 1927 in Basel geboren. Von 1946 bis 1952 studierte er an der ETH Zürich Physik. Zu seinen Lehrern gehörten berühmte Physiker wie der Quantenforscher und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli und der Kernphysiker Paul Scherrer. Pauli habe sich bei aller methodischen Präzision immer das Gefühl für die Unwägbarkeit der Natur und der Erkenntnisprozesse erhalten, sagte Müller einmal. Diese Haltung, dass das Entscheidende in der Wissenschaft oft ganz unerwartet geschieht, hatte Müller verinnerlicht.
Nach seiner Promotion an der ETH 1958 wurde Müller Projektleiter am Genfer Battelle-Institut, 1963 wechselte er zu IBM in Rüschlikon, wo er als Fellow frei und unabhängig forschen konnte. Von 1971 bis 1985 leitete er bei IBM zudem die Physikabteilung. Daneben lehrte und forschte er an der UZH. 1962 wurde Müller an der UZH zum Privatdozenten, 1970 zum Titularprofessor und schliesslich 1987 – kurz vor der Auszeichnung mit dem Nobelpreis – zum ordentlichen Professor für Festkörperphysik ernannt.
1994 wurde Müller emeritiert. Auch nach seinem Altersrücktritt verfolgte der Physiker die Entwicklungen auf seinem Forschungsgebiet engagiert mit und unterhielt noch längere Zeit ein eigenes Büro auf dem Campus Irchel. Am 9. Januar ist K. Alex Müller 95-jährig in Zürich verstorben.