Sie wollen ein Konzept für die Einführung von Quartierassistenten (Quartierkümmerern) im Jahr 2024 ausarbeiten. Doch nicht alle sehen einen Nutzen.
«Wir sind hocherfreut über die Budgetierung der 50 000 Franken und werden im Januar mit dem Gesundheits- und Umweltdepartement das organisatorische Wie erarbeiten», sagt Christian Casparis (79), Präsident Seniorenrat Zürich und Projektleiter Panel für ein altersfreundliches Albisrieden, auf Anfrage. Der frühere Chef der Zürcher Gemeinschaftszentren erklärt, dass sich beide Gemeinderäte, Tanja Maag (AL) und Islam Ailija (SP), aus dem Kreis 9 nach dem Versand ihres Berichts zum Thema «Einsamkeit von älteren Menschen» bei ihm gemeldet hätten. Im Mittelpunkt dieser Expertise steht die Einrichtung von Quartierkümmerern beziehungsweise Quartierassistenten.
Tanja Maag hielt anlässlich der Budgetdebatte im Dezember fest, dass mit den geforderten 50 000 Franken ein Konzept für die Einführung von Quartierassistenten ausgearbeitet werden soll. SP, AL und Grüne votierten für den Antrag. Stadtrat Andreas Hauri bemerkte anschliessend: «Beratungsstellen sind bereits in der Altersstrategie 2035 vorgesehen.» Sie würden das Thema «Quartierassistenten» in diesem Jahr angehen. «Wir werden ein Konzept ausarbeiten, um im Jahr 2024 in einem oder mehreren Quartieren ein Pilotprojekt mit Quartierassistenten durchzuführen.» Dies sei unabhängig von den gesprochenen 50 000 Franken geplant gewesen. Das Modell Quartierassistenz eignet sich gemäss Casparis für alle Quartiere der Stadt Zürich.
Nicht schon genügend Angebote?
Nicht unterstützt wird dieses von der FDP. «Es handelt sich um Symbolpolitik der Linken», bemerkt Severin Pflüger, FDP-Gemeinderat. Es brauche zuerst ein Konzept. Zudem betont er: «Es gibt bereits einige private Angebote wie zum Beispiel von der Pro Senectute und den Landeskirchen. Es braucht deshalb kein zusätzliches staatliches Angebot.» Zuerst sollten die privaten Organisationen gestärkt werden. Erst wenn das nicht genüge, müsse der Staat eingreifen. Zudem seien kürzlich in Oerlikon und Altstetten sogenannte Drehscheiben eingerichtet worden, die sich ebenfalls um ältere Menschen kümmern.
Soziale Isolation programmiert?
Das Panel für ein altersfreundliches Albisrieden, eine Initiative des Seniorenrats Zürich, nahm sich ab Januar 2022 dem Thema «Einsamkeit im Alter» an. Aufgrund von Interviews mit Fachpersonen und Recherchen empfiehlt es die gezielte Einrichtung und Förderung von Angeboten und Aktivitäten für die Gruppe der älteren Menschen im Quartier, um dem Phänomen Einsamkeit und dem damit verbundenem Rückzug entgegenzuwirken.
Im Bericht wird festgehalten, dass folgende Aktivitäten und Angebote geeignet sind, um der Vereinsamung entgegenzuwirken: 1. Spezifische Angebote für ältere Bewohner und Bewohnerinnen oder auch altersübergreifende Angebote. 2. Bekanntmachen bzw. in Gang setzen von quartierungebundenen Angeboten mit Fokus gegen Vereinsamung wie zum Beispiel malreden.ch, zämegolaufe.ch. 3. Kulturelle Vielfalt positiv einsetzen. 4. Implementierung einer Quartierassistenz, um ein aufsuchendes Kontakt- und Beratungsangebot im Quartier einzurichten, Aktivitäten zu initiieren und ältere Einwohnerinnen und Einwohner zur Teilnahme zu motivieren.
«Durch die Einrichtung der Quartierassistenz können Informationen niedrigschwellig und unbürokratisch angeboten und Berührungsängste abgebaut werden», ist das Panel überzeugt. «Sie leistet aufsuchende Arbeit und begegnet Einsamkeitsbetroffenen in ihrem Zuhause.» Durch ihre vernetzte Arbeitsweise könne zielgerichtete Fachhilfe ermöglicht werden.
Teilhaben an öffentlichem Leben
Eine Tendenz zu sozialer Isolation bei älteren Menschen zeigt sich gemäss Studien häufiger aufgrund einer Konzentration der Sozialbeziehungen auf wenige Bezugspersonen, zum Beispiel aufgrund eines mobilitätsbedingten Rückzugs auf die Wohnung, Einbussen von Sinnesfähigkeiten oder kognitiver Defizite. Von Einsamkeit betroffen sind gemäss Untersuchungen vor allem ältere Personen ohne Familienmitglieder. Ihr Anteil liegt bei zirka 10 Prozent. Diese Personen sind besonders stark auf ausserfamiliäre Kontakte und Unterstützungsnetzwerke angewiesen.
Soziodemografische Daten deuten darauf hin, dass Zahl und Anteil alter Menschen ohne Familienangehörige ansteigen. Freundschaften können fehlende oder auch schlechte Familienbeziehungen ersetzen, greifen häufig zurück auf langjährige gegenseitige Bezüge und können im Alter auch durch den Tod verloren gehen. Andererseits können sie im Alter auch neu entstehen, sei es durch gegenseitige Hilfe und Unterstützung oder Nachbarschaftshilfe etc. Freundschaftsbeziehungen im Alter sind ein wichtiges Element der sozialen Integration und Teilhabe am öffentlichen Leben.