Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken Magazin Agenda
Sport
19.12.2022

«Ein grandioser Final, eine Top-WM aber ein textiles Foul»

«Der kleinste Spieler des WM-Finals ist ein ganz Grosser der Fussball-Geschichte» Bild: Linth24
Die WM in Katar übertraf die Erwartungen bei weitem. Das Endspiel bot grösstes Spektakel. Dennoch läuft die Entwicklung des Fussballs nicht überall in eine gute Richtung. Sepp Blatter zieht Bilanz.

Das Beste zuletzt. So könnte man die Fussball-Weltmeisterschaft in Katar umschreiben. Der 21. Final in der Geschichte der WM hat seinen Platz in der Ruhmeshalle des Fussballs auf sicher – so wechselvoll und dramatisch war das Geschehen. Ob es das beste Endspiel der Geschichte war, ist auch Ermessensache. Ganz sicher aber ist: Es war der längste Final der 92-jährigen WM-Historie. 140 Minuten (inklusive 20 Minuten Nachspielzeit), plus Pausen, plus Penaltyschiessen. Das macht rund drei Stunden Fussball. Bei aller Euphorie darf man die Frage stellen: Ist dies des Guten nicht vielleicht sogar zu viel?

Auch das Spektakel war nicht in jeder Phase des Turniers garantiert. Fünf Spiele endeten in der Gruppenphase 0:0. Der Rekord liegt bei sieben torlosen Spielen. Insgesamt fielen in den 64 Partien 172 Tore – drei mehr als vor vier Jahren in Russland und ein Treffer mehr als  vor acht Jahren in Brasilien. Dieser Durchschnitt wird aber durch die Kantersiege von England (6:2 gegen den Iran) sowie Spanien (7:0 gegen Costa Rica) «geschönt».

Organisatorisch und infrastrukturell top

So oder so: Die WM 2022 bleibt organisatorisch und infrastrukturell als Topanlass in Erinnerung. Die Katarer haben bewiesen, dass sie einen Event dieser Grössenordnung (fast) problemlos über die Bühne bringen. Dass das Heimteam sportlich den Ansprüchen nicht genügte und dass das lokale Publikum die Spiele jeweils vorzeitig verliess, waren letztlich nur Nebenaspekte.

Beim Beobachter aus der Halbdistanz bleiben vor allem die schönen Fernsehbilder, die vollen Stadien und die Begeisterung der Zuschauer haften. Die Direktinvolvierten müssen sich im Hinblick auf die Zukunft aber Gedanken machen – vor allem, was den Einsatz des Videoassistenten betrifft. Wird jedes Tor nachträglich in seine Einzelteile zerlegt und in seiner gesamten Entstehungsphase überprüft, lässt sich fast immer ein Vergehen finden. Es ist schlecht für den Fussball, wenn die Begeisterung in den Stadien nur «auf Bewährung» möglich ist – und jederzeit jede Entscheidung rückgängig gemacht werden kann. Letztlich lebt der Fussball auch von der Spontanität und den ungefilterten Emotionen.

Die waren am Sonntagabend in Doha aber förmlich greifbar – sowohl beim umjubelten Sieger Argentinien als auch beim unterlegenen Finalisten Frankreich. Eine Entscheidung im Penaltyschiessen ist immer auch von Zufälligkeiten umweht – und nie ganz befriedigend. Dennoch gibt es am Ausgang des Turniers nichts zu bemängeln. Mit Argentinien hat die richtige Mannschaft gewonnen – ohne Wenn und Aber. Ich gratuliere dieser grossen Fussball-Nation zum verdienten Erfolg – und verneige mich vor Lionel Messi. Der kleinste Mann des WM-Finals ist endgültig ein ganz Grosser der Fussballgeschichte.

Messi missbraucht

Nur etwas ist betrüblich: Im Moment des Triumphs missbrauchten die Veranstalter den Matchwinner zu ihren Zwecken und streiften ihm eine arabische Tracht über. Messi musste in einem Gewand jubeln, das er selber nie getragen hätte. Es war ein unnötiges textiles Foul am Ende eines denkwürdigen Abends.

Sepp Blatter

 

Sepp Blatter