Es ist das Duell der Ausnahmekönner Lionel Messi und Kylian Mbappé - und ein würdige Endspiel eines Turniers, das mehr hielt, als es versprochen hatte.
Gesellschaftliche Nebengeräusche, Menschrechtsdiskussionen, Korruptionsvorwürfe. Die Freude am Fussball konnte einem im Vorfeld der WM in Katar vergehen. Doch nach 62 Spielen sieht die Welt wieder etwas besser aus – aus Sicht von Franzosen und Argentiniern sogar viel besser.
Politische Sprengkraft
Frankreich – Marokko. Das war im zweiten Halbfinal auch ein Duell von politischer Sprengkraft. Erst seit dem 2. März 1956 ist Marokko von der früheren Kolonialmacht unabhängig – aber emotional, kulturell und wirtschaftlich bis heute verbunden. Schätzungen zufolge sollen 1,2 Millionen Marokkaner in Frankreich leben, die meisten in den Banlieues von Paris und Marseille.
In Doha wurde dieses zwiespältige Verhältnis im al-Bayt-Stadion von Beginn weg deutlich sichtbar – beziehungsweise hörbar. Die marokkanische Übermacht unter den 60‘000 Zuschauern begleitete jeden französischen Ballkontakt mit einem gellenden Pfeifkonzert. Es war nicht eben die feine Art und der Affiche eines WM-Halbfinals unwürdig.
Dabei hatten die Marokkaner fussballerisch einiges bieten. Zwar gingen die Franzosen bereits in der 5. Minute durch Theo Hernandez 1:0 in Führung, doch danach zeigten die Nordafrikaner immer wieder, dass sie nicht nur die Kunst des rustikalen Abräumens vorzüglich beherrschen. Diverse Male drangen sie mit Schwung und Tempo in die französische Platzhälfte ein. Einem Torerfolg am nächsten kamen sie in der 44. Minute, als Jawad El Yamiq mit einem artistischen Fallrückzieher am Pfosten scheiterte. Aber auch die Franzosen besassen diverse vorzügliche Chancen auf den zweiten Treffer – die beste durch Olivier Giroud in der 17. Minute, als dessen Geschoss ebenfalls vom Pfosten zurückprallte.
Doch das Spiel entwickelte sich trotz der Führung nicht im Sinne der Franzosen. Marokko besass nach der Pause mehr Ballbesitz und ein deutliches Übergewicht in den Zweikämpfen – allerdings oft an der Grenze der Regularität. Vor allem der französische Superstar Kylian Mbappé wurde mehr als einmal mit Brachialgewalt umgesäbelt. Gleichzeitig wirkte Frankreich gefährlich nonchalant. Doch letztlich ging die Rechnung auf. Der eingewechselte Randal Kolo Muani erhöhte auf 2:0. Marokko war geschlagen. Der Favorit gewann – und greift am Sonntag nach dem dritten WM-Titel.
Messi gegen Kroatien überragend
Am Tag zuvor hatte das argentinische Team gegen Kroatien eine beeindruckende Talentprobe abgeliefert. Gegen Kroatien war Lionel Messi die überragende Figur. Er dribbelte, tanzte und zauberte, als gäbe es kein Morgen. Angepeitscht von Zehntausenden von argentinischen Fans verwandelte er in der 34. Minute einen Penalty. In der 39. Minute legte er Julian Alvarez an der Mittellinie den Ball auf den Fuss – und dieser traf nach einem schier endlosen Solo zum 2:0. Und in der 69. Minute degradierte Messi die kroatischen Verteidiger zu Slalomstangen und spielt den perfekten Rückpass auf Alvarez: 3:0.
Würdiger Final
Nun kommt es am Sonntag in Doha zum Endspiel zweier Fussball-Grossmächte. Frankreich steht das vierte Mal in einem WM-Final, Argentinien das sechste Mal. Beide Teams gewannen bisher zwei Titel. Frankreich kann als erste Nation seit Brasilien vor 60 Jahren den Titel erfolgreich verteidigen. Wenn Sie mich fragen, wer gewinnt, ziehe ich den Joker. Schliesslich lag ich schon mit meiner Wette auf die Halbfinalqualifikation der Schweiz gehörig daneben.