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Hombrechtikon
15.12.2022
15.12.2022 02:37 Uhr

Steuerfuss-Wünsche wie am orientalischen Basar

Fast 300 Stimmberechtigte kamen zur Gemeindeversammlung. Bild: Barbara Tudor
Mit Umwegen und viel Ausdauer stimmten die Hombrechtiker:innen am Mittwochabend für einen Pump Track, genehmigten das Budget 2023 und einigten sich auf eine Steuerfuss-Senkung von 119 auf 116 %.

Gemeindepräsident Rainer Odermatt konnte am Mittwochabend, 14. Dezember 2022, in einen vollen Gemeindesaal blicken und 294 Stimmberechtigte zur Gemeindeversammlung begrüssen. Pünktlich um 20 Uhr eröffnete er die Versammlung mit dem Wort "Anpfiff" in Anspielung an das WM-Spiel zwischen Frankreich und Marokko, das zur gleichen Zeit begann.

Während ein Fussballspiel nach 90 Minuten plus etwas Nachspielzeit zu Ende ist, schien die Gemeindeversammlung von Hombrechtikon kein Ende zu nehmen. Sie dauerte 203 Minuten oder genauer gesagt von 20:00 bis um 23:23 Uhr.

Umbau der Traktandenliste

Einleitend gab Rainer Odermatt ein zusätzliches Traktandum bekannt, eine Anfrage zum Thema Steuerfuss von Manuel Bayer (Grüne). Bevor aber das erste Traktandum gemäss Einladung, die Anfrage von Manuela Tremonte (SP) betreffend "Auslagerung von Reinigungsarbeiten in gemeindeeigenen Liegenschaften" behandelt werden konnte, stellte Marion Tobler (FDP) den Antrag, die Einzelinitiative "Pumptrack mit Freizeit- und Spielplatz" am Schluss zu behandeln.

Die Worte der Dame kaum im Saal verklungen, kam schon der nächste Antrag: Stefan Sulzer, der später am Abend noch von sich reden machte, beantragte den Umbau der Traktandenliste, nämlich so, dass die zusätzliche Anfrage zum Thema Steuerfuss vor dem Budget 2023 behandelt wird.

Und als Dritte im Bunde meldete sich auch noch eine bekannte Schweizer Komikerin und Stimmberechtigte von Hombrechtikon zu Wort. Sie beantragte, dass die Einzelinitiative zum Pumptrack als erste behandelt wird, damit ihr noch schulpflichtiges Kind, welches der Versammlung auf der Tribüne beiwohne, rechtzeitig um 21 Uhr ins Bett komme.

So startete die Gemeindeversammlung nach der Wahl der Stimmenzählerinnen und Zählung der Stimmberechtigten nicht mit dem ersten Traktandum, sondern mit der Abwicklung der eingegangenen Anträge im Ausschlussverfahren. Am Ende "siegte" der Antrag, die Einzelinitiative zum Pumptrack vorzuziehen.

Grosse Zustimmung für den Pump Track

Jolanda Ferrat-Fluri, die Initiantin und Mitglied im Initiativ-Komitee, stellte das Projekt mit Berechnungen, Skizzen und Videoeindrücken vor. Der Zeitpunkt für eine Pump-Track-Anlage sei ideal, zumal der Kanton bis Ende 2023 solche Projekte noch mit einem Maximalbetrag von 75'000 Franken unterstütze und die bestehende Anlage im Holflüe sowieso erneuert werden müsste.

Gemeinderat Thomas Wirth, Vorsteher Hochbau und Liegenschaften, lobte die gute Vorbereitung und Vorarbeit des Initiativkomitees. Die Idee des Pump Tracks mit Spielplatz und Begegnungszone mit Grill entspreche der Strategie der Gemeinde, so Wirth. Auch den Standort Holflüe sehe der Gemeinderat als ideal an, da gut erreichbar und gross genug für das geplante Vorhaben. Natürlich gebe das Projekt gewisse Mehrkosten, doch das sei finanziell vertretbar. Aus diesen Gründen beantragte Wirth im Namen des Gemeinderats die Annahme der Initiative.

Auch von Seiten RGPK, vertreten durch Alex Hauenstein, gab es Unterstützung. Man habe sich intensiv mit der Initiative auseinandergesetzt. Es habe viele Detailfragen gegeben, die aber vom Initiativkomitee allesamt hätten beantwortet werden können. Die RGPK empfahl der Versammlung ebenfalls die Annahme.

Dominik Brem (GLP), Mitglied des Initiativ-Komitees, legte ebenfalls ein gutes Wort für den Pump Track ein. Er habe drei Herzen in der Brust; eines als Familienvater, der in der Freizeit verschiedene Pump Tracks nutze, eines als Mitinitiant und eines als Präsident der GLP, welche sich u.a. für Begegnungsmöglichkeiten in der Gemeinde einsetze.

Gegenwehr von Einzelperson

Nicht so rosig sah das der Hombrechtiker Stimmbürger Stefan Sulzer, der Kritik am Gemeinderat und an der RGPK übte. Der Gemeinderat hätte seiner Meinung nach diese Initiative, wenn er sie denn genau studiert hätte, nicht für gültig erklären dürfen. Dieser Initiative könne höchstens als "Allgemeine Anregung" zugestimmt werden, da die Kostenberechnung Lücken aufweise. So kritisierte er u.a. die Kostenposition für die geplante WC-Anlage, welche mit 13'000 Franken völlig unrealistisch sei. Auch würden in der Kostenberechnung Reserven fehlen. Der Standort sei ebenfalls in Frage zu stellen, zumal es sich bei dem Land um eine Gewerbezone handle.

Dem minutenlangen Votum mit diversen Folien bereitete ein anderer Stimmberechtigter ein Ende: Dieser beantragte, die Diskussion abzubrechen. Dem Antrag wurde mit grossem Mehr zugestimmt. Am Ende wurde die Initiative mit 198 zu 43 Gegenstimmen deutlich angenommen.

Die Frage nach dem Reinigungspersonal

Die Anfrage von Manuela Tremonte (SP, Mitglied der Sozialbehörde), betreffend Auslagerung von Reinigungsarbeiten in gemeindeeigenen Liegenschaften, ging verhältnismässig rasch über die Bühne. Tremonte wollte vom Gemeinderat u.a. wissen, wie viel Geld die Gemeinde im Jahr 2021 für externe Reinigungsdienste ausgegeben hat und ob sich der Gemeinderat bewusst sei, dass er mit der Auslagerung Arbeitsstellen mit schlechten, ausbeuterischen Arbeitsbedingungen fördere bzw. schaffe.

Der Gemeinderat sieht keinen Handlungsbedarf, zumal rund 95 % aller Mitarbeitenden für Reinigungsarbeiten von der Gemeinde Hombrechtikon angestellt seien und den personalrechtlichen Bestimmungen des öffentlichen Rechts unterstünden. Der Anteil der Kosten für externe Reinigungsdienste betrage nur gerade 5.2 % von den Gesamtkosten. Die Auslagerung sei auch nur situationsbedingt, zum Beispiel für die Überbrückung von Ausfällen.

Dem mochte Manuela Tremonte nicht so recht Glauben schenken. Sie forderte die Gemeinde in ihrer Wortmeldung auf, auf externe Reinigungskräfte zu verzichten, um zu verhindern, dass Frauen ausgebeutet werden.

Fragen zum Gemeindehaus-Neubau

Bei der nächsten Anfrage, eingereicht von Stephan Gafner (SVP), ging es um die Gemeindehaus-Sanierung. Gafner wollte vom Gemeinderat wissen, wie weit die Planung fortgeschritten sei, welches die nächsten Schritte seien und ob der genehmigte Kredit von 9,5 Mio. Franken trotz der massiven Teuerung eingehalten werden könne.

Der Gemeinderat beantwortete die Fragen und verwies dabei auch auf die Informationen, welche am 6. Dezember publiziert wurden (Goldküste24 berichtete). Aufgrund von unüberbrückbaren Differenzen mit dem Architektenteam habe man eine einvernehmliche Lösung zur Auflösung des Vertrags gefunden. Die Architektur- und Bauleistungen werden neu ausgeschrieben. In der einvernehmlichen Vereinbarung über die Beendigung der Zusammenarbeit sei auch die Nutzung, Änderung und Bearbeitung des Vorprojekts geregelt. Der Architekt erhalte dafür eine pauschale Entschädigung. Der Baukredit von 9,5 Mio. Franken werde deshalb aber nicht überschritten.

Über die Höhe der Entschädigung machte der Gemeinderat keine Angaben. Stephan Gafner kommentierte dies mit: «Wie hoch diese Entschädigung ist, werden wir ja dann in der Abrechnung nächstes Jahr sehen.»

Votum zur Beibehaltung des Steuerfusses

Bei der zusätzlichen Anfrage von Manuel Bayer ging es um die Frage, wie viel Steuern eine Person bei Senkung des Steuerfusses von 119 auf 116 % pro Jahr spart. Der Gemeinderat beantwortete dies mit der Zahl Fr. 108.20 für eine alleinstehende Person mit durchschnittlichem Einkommen.

Bayer machte sich daraufhin für eine Beibehaltung des Steuersatzes bei 119 % stark. Mit dem Geld könne man in der Gemeinde Gutes tun.

MINIMAX: 200'000 Franken während 2 Jahren

Beim nächsten Traktandum ging es um den Gemeindebeitrag für MINIMAX, die schulergänzenden Tagesstrukturen der Gemeinde. Der Gemeindebeitrag sollte gemäss Antrag von heute 160'000 auf neu 200'000 Franken erhöht werden. Diese Regelung soll bis zum Inkrafttreten der geplanten überarbeiteten Gebühren- und Elternbeitrags-Reglemente gelten.

Dr. Eveline Huber, Schulpräsidentin, erläuterte den Antrag kurz und informierte die Gemeindeversammlung, dass die überarbeiteten Reglemente bis im Herbst 2023 vorliegen sollten.

Damit wollte sich, wiederum Sulzer, nicht zufriedengeben. Er stellte den Antrag, dass der Gemeindebeitrag von 200'000 Franken zeitlich befristet werden müsse, auf zwei Jahre. Dem Antrag wurde mit 135 zu 113 Stimmen zugestimmt.

Budget 2023 passiert nach Zusatzschlaufe

Daniel Wenger, Finanzvorstand, informierte die Anwesenden über das geplante Budget 2023. Dieses sieht neben einer Steuerfusssenkung von 119 auf 116 % auch die Bildung einer finanzpolitischen Reserve vor, um für die künftigen hohen Investitionen gerüstet und nicht zu stark von Fremdkapital abhängig zu sein.

Bei einem Aufwand von Fr. 61'970'500 und einem Ertrag von Fr. 62'010'300 – Steuerfuss-Senkung und finanzpolitische Reserve bereits berücksichtigt – bleibt ein bescheidenes Plus von Fr. 39'800.

Erneut gab es Gegenwehr von Stefan Sulzer, der die finanzpolitische Reserve als "Augenwischerei" und als völlig unnötig bezeichnete. Denn ohne diese würde ein Gewinn von Fr. 1'539'800 resultieren. Er beantragte, die finanzpolitische Reserve abzulehnen. Der Antrag wurde von der Versammlung jedoch abgelehnt.

Auch die beiden Anträge von Manuel Bayer, je 20'000 Franken für die Aufwertung kommunaler Naturschutzgebiete sowie für Strukturelemente in der Landwirtschaft einzusetzen, wurden abgelehnt.

Das vom Gemeinderat vorgeschlagene Budget wurde am Ende mit grossem Mehr angenommen.

Steuerfuss: «Wie am orientalischen Markt»

Zu guter Letzt, es war mittlerweile nach 22 Uhr und die Teilnehmenden sichtlich erschöpft, musste noch der Steuerfuss festgelegt werden. Der Gemeinderat beantragte der Versammlung die Senkung von 119 % auf 116 %. Die RGPK bezeichnet die Senkung als massvoll und stimmt ihr zu.

Erneut ergriff Stefan Sulzer das Wort, was bei den anderen Teilnehmenden nicht mehr gut ankam. Sulzer konnte sich denn auch nicht so recht auf einen Prozentsatz festlegen und warf 114 % sowie 115 % in den Raum. Nachdem Rainer Odermatt nachhakte und ihn aufforderte, er müsse sich auf einen Satz festlegen, entschied sich Sulzer für 115 %.

Ein weiterer Stimmberechtigter meldete sich zu Wort und beantragte 112 %, Bayer forderte die Beibehaltung bei 119 %. Rainer Odermatt kommentierte die Anträge mit «Das ist ja wie am orientalischen Markt hier.» Gelächter im Saal.

Zu guter Letzt ergriff Stephan Gafner noch einmal das Wort und machte sich, nachdem er von einem Teilnehmer zum Aufhören aufgefordert wurde, für die Senkung auf 116 % stark.

Von 119 auf 116

Mit vier Anträgen – 116, 115, 112 und 119 % – blieb den Anwesenden eine weitere Runde im Ausschluss-Verfahren nicht erspart. Als erstes fiel der Antrag von 112 %, anschliessend der von 119 %. Am Ende machte der Steuerfuss von 116 % mit 175 zu 61 Stimmen das Rennen gegen den Antrag von 115 %, und der Steuerfuss von 116 % wurde am Ende mit grossem Mehr bestätigt.

Um 23:23 Uhr endete die Gemeindeversammlung mit Dank und guten Wünschen vom Gemeinderat. Trotz später Stunde verzichteten viele nicht auf das beliebte Glas Glühmost und die Häppchen im Foyer.

Barbara Tudor