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Freizeit
12.12.2022

Kurzferien im Toggenburg

Hofgenuss im wahrsten Sinn des Wortes. Bild: Patricia Rutz
Die Stadtflucht führte uns auf einen Biohof im Untertoggenburg, nämlich nach Ganterschwil. Der frische Wochenendschnee und die damit verbundene Stille waren ein besonderes Erlebnis.

Am Samstagmorgen  machten wir uns auf den Weg in unseren langersehnten Kurzurlaub. Durch Schneegestöber fanden wir nach circa einer Stunde Wegfahrt den Biohof bei Ganterschwil, wo uns die Hausherrin persönlich begrüsste und sich gleich als Silvia vorstellte.

Sie zeigte uns gleich das Podhouse, wo wir eine Nacht verbringen würden und den Aufenthaltsraum, wo sie uns ein grosses Frühstück für den nächsten Morgen versprach – wann wir es haben wollten, durften wir bestimmen.

Sie versprach nicht zuviel, wie sich später zeigen würde.

Ein kleines Checkin mit verschiedenen Informationen und dann ein Spaziergang ins Schneegestöber, um die Gegend ein bisschen zu erkunden.

Am Abend passend ein Besuch in Restaurant Rössli, Mogelsberg, wo Bioküche angeboten wird. Eine wundervoll alte Beiz, wie man sie im Toggenburg noch häufig findet. Die vielen speziellen Menus auf der Karte machten die Wahl nicht gerade einfach.

In der Regel 40 Rinder verschiedener Rassen. Bild: Patricia Rutz

Jonathan erklärt uns alles

Am anderen Morgen trafen wir Jonathan, den Biobauer. im Stall. Der Rauch von unserem Atem steigt auf und auch die Rinder dampfen. Jonathan war redselig und fröhlich und fing sogleich an zu erzählen. Er war im Stall und fütterte seine 39 Rinder mit getrocknetem Heu und gegärtem Heu.Normalerweise sind es 40 Rinder. In der nächsten Woche würde er wieder eines dazukaufen. Das gegärte Heu, also dasjenige, das man als weisse Ballen  im Sommer auf den abgemähten Feldern sieht, sei wie Sauerkraut für die Rinder. Sie würden es sehr gerne fressen. Das Heulager reiche dieses Jahr schon, obwohl man einen Schnitt weniger machen konnte als sonst. Die Trockenheit machte zu schaffen. Die Rinder werden nur mit Heu und «Sauerkraut» gefüttert.

Eine frisch verschneite Landschaft verzauberte uns am nächsten Morgen. Bild: Patricia Rutz

Weide-Beef an die Migros

Auf der einen Seite hatte Jonathan die kleineren Rinder, auf der anderen die grösseren, bald schon schlachtreifen. Mit ca. 20 Monaten werden sie in der Regel geschlachtet. Er müsse seine Rinder immer genau beobachten, den wägen könne er sie nicht. Sie müssten schon etwas Fleisch am Knochen haben, sonst könnten sie nicht geschlachtet werden.

Für die Migros hat er besondere Auflagen, den die Entercote müssten noch in die Regelpackung passen. Sie dürften somit eine bestimmte Grösse nicht überschreiten. Sein Hof ist nicht nur mit Biohof sondern auch mit Weide-Beef gekennzeichnet. Auch Aldi hat Biofleisch unter anderem von Jonathan Lieberherr.

Antibiotika macht anfällig

Wenn die Rinder von milchproduzierenden Kühen sind, dann sind sie viel anfälliger auf Krankheiten und schwächer, weil in der Milchwirtschaft oft Antibiotika eingesetzt werden muss. Häufig sind es die Euter der Kühe, die Probleme machen. Sie sind rasch entzündet und werden mit Antibiotika behandelt. Die Rinder können schon auch erkranken, doch braucht es sehr wenig den Einsatz von Antibiotika.

 

Heulager für den Winter. Bild: Patricia Rutz

Junge Rinder brauchen mehr Futter

Unsere Frage war natürlich auch, wie die Rinder geschlachtet werden, wenn ihr Fleisch den Vorgaben entsprechen. Wenn das Fleisch für die Migros bestimmt ist, dann werden die Rinder in St. Gallen geschlachtet, die anderen in Lütisburg. Der Tierschutz gibt strenge Vorgaben, und sie würden den Transport zum Schlachthof  immer wieder prüfen, natürlich auch, wie geschlachtet wird. Ein Schlachthof sei nicht für jedermann, meint er im Nachsatz.

Bei der Fütterung waren die Köpfe der Rinder in einer festen Manschette. Das ist nötig, weil es sehr dominante, starke Rinder gibt, die die anderen immer wieder wegdrängen würden. Für Jonathan ist wichtig, dass die Tiere in nützlicher Frist an Gewicht zunehmen, also Fleisch am Knochen bekommen. Wenn die einen zuwenig Futter bekommen, dann ist dieses Ziel kaum zu erreichen. Die jungen Rinder bekommen deutlich mehr Heu und «Sauerkraut» als die älteren, weil sie noch viel an Gewicht aufholen müssen.

Fünf weibliche Schafe, zwei Lämmer und ein junger Bock. Bild: Patricia Rutz

Eier als Bezahlung für Futter

Die Rinder haben den Fütterungsbereich zur Verfügung, eine Liegebox und Auslauf. Sie können ausser bei der Fütterung frei zirkulieren.

Wenn geschlachtet worden ist, kann man « Fleischpäckli» vom Hof beziehen.

Auch Freilandhühner wohnen auf dem Hof. Sie dienen jedoch nur der Eigenversorgung und für weitere zwei Familien. Auch wird das Futter für die Rinder teilweise mit den Eiern bezahlt.

Die Schafsbox

In einer hinteren Box finden zeigt der Biobauer uns noch seine Schafe. Fünf Mutterschafe, zwei Lämmer und ein junger Bock. Dem Bock müsse er ab und zu zeigen, wer der Meister ist. Sonst wird er übermütig und greift an. Es kann schon vorkommen, dass man einen ausgewachsenen Bock mit fast 100 Kilo mal auf den Rücken legen muss, damit er wieder weiss, wer der Chef ist. Wenn ein Bock allzu aggressiv wird, dann bleibt nur noch die Tötung.

Von den fünf Mutterschafen ist eine noch trächtig und die andere ist Mutter von zwei Lämmern. Schafe würden meistens Zwillinge werfen, ab und zu auch Trillinge oder ein einzelnes. Ein Mutterschaf wird mit seinen Lämmern separat gehalten, damit sie mehr Futter bekommen kann, das sie braucht, um überhaupt nährende Milch zu geben.

Die drei Podhouses in der frischen Schneelandschaft. Bild: Patricia Rutz

Enger Bezug bei «Flaschenlämmer»

Das Mutterschaft witterte sofort, dass fremde Menschen in den Bereich ihrer Jungen kam und wurde unruhig. Schafe seien sehr speziell, entweder man kann es mit ihnen oder eben nicht. Wenn eines mal weg ist, dann ist es nicht so schnell wieder zu finden, und man muss einfach warten, bis es wieder zurückkommt. Manchmal nimmt ein Mutterschaf seine Jungen nicht an, dann werden sie mit der Flasche aufgezogen. Das letzte Mal liefen die Lämmer den Bauernleuten überall hinterher, und sie brachten es nicht mehr übers Herz, sie zu schlachten. Sie fanden einen Käufer. In der Regel werden die Lämmer mit ca. fünf Monaten geschlachtet.

Die Bauernfamilie isst vor allem Rind- und Lammfleisch. Ein Teil des Lammfleisches wird als Mostbröckli verarbeitet, eine Spezialität, die wenige kennen.

Ein wunderschöner weisser Start am anderen Morgen. Bild: Patricia Rutz

Abschied und Winterfahrt zurück

Nach all den Ausführungen von Jonathan bekommen wir von seiner Frau Silvia ein wahrhaft grosses und reichhaltiges Frühstück. Vom selbstgebackenen Brot, über selbstgemachten Apfel- und Traubensaft, Birchermüesli, Konfitüre, Käse und Kaffee ist alles da, was das Herz begehrt. Nach dem ausgiebigen langen Frühstück planen wir den zweiten Tag im frisch verschneiten Toggenburg.

Wir verabschieden uns von der Familie Lieberherr, versprechen wieder zu kommen und den Tipp weiterzugeben. Von der Grosszügig- und Herzlichkeit gefüllt, machen wir uns auf den Nachhauseweg über die Hulftegg durch die tief frisch verschneite Landschaft zwischen dem Toggenburg und dem Zürcher Oberland.

Nicht oft erfährt man an einem Wochenende soviel Neues und Schönes. Wir nehmen es mit in die neue Woche und erzählen sehr gerne von unserem Kurzurlaub bei Ganterschwil.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website von Hofgenuss.

Patricia Rutz/Goldküste24